21. März 2020

Corona, Sex und die autoritäre Persönlichkeit, oder: Was zeigt sich in der Krise?

Foto von cottonbro von Pexels
Dieses Wochenende klappt es anscheinend besser mit den Umgangformen im Bannkreis des Virus.

Aber warum nicht schon vorher? Warum machen Menschen Corona-Parties, husten Jugendliche bewusst Ältere an und rufen "Corona" dabei, warum gibt es solche Typen wie der eine Berliner im Fernsehen, der in die Kamera sagt: "Ich lass mich beim Partymachen doch nicht einschränken!" Und warum reagieren solche erst, wenn man (finanzielle) Prügel ausspricht? Die Psychologie kann antworten:



Natürlich kann man sagen, Unverbesserliche hat es immer gegeben. Die Psychologie aber will wissen: Was heisst denn "unverbesserlich" genau?

Wenn die Situation jetzt ein Charaktertest für das Land sein soll, dann meint die Frage der Psychologie:
Warum akzeptieren bestimmte Menschen Vorgaben durch innere Einsicht und andere nicht? Welche Art von Charakter zeigt sich hierin?


Das geballte Wissen
1943 fing in Kalifornien an der Berkeley-Uni ein Forschungsprojekt über Antisemitismus an. Anlass dazu gab es in dieser Zeit ja genug und Forschungsmaterial leider ebenso. R. N. Sanford (Sozialpsychologe), D. J. Levinson (Psychiater), T.W. Adorno (Philosoph)  und E. Frenkel-Brunswik (Psychologin) stellen sich 1943 in Kalifornien an der Berkeley-Uni die Frage, welche Art von Mensch denn für Antisemitismus und andere gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit empfänglich sei. Das Ergebnis der siebenjährigen Forschung publizierten sie in dem Buch "Die autoritäre Persönlichkeit" 1950. Es wurde ins Deutsche nicht vollständig übersetzt. Zu klar waren die Ergebnisse wohl als Spiegel für den deutschen Nationalsozialismus.


Das Buch liefert psychoanalytische Erklärungen und Beschreibungen dieser Menschen.

Ihre Grundzüge sind:
  • starres Festhalten an Konventionen
  • Machtorientierung und Unterwürfigkeit
  • Destruktivität und Zynismus.
Hier erkennt man Arbeiten von Erich Fromm  zum autoritären Charakter wieder. Für Fromm ist der autoritäre Charakter der auf die Gesellschaft umgemünzter sadomasochistische Charakter aus der Psychopathologie. Die sadistische Variante zeigt sich vor allem in
  • Freude an Beherrschung eines Schwächeren
  • Befriedigung durch Machtausübung
Die masochistische Variante dagegen hat ihren Schwerpunkt der eigenen
  • Freude an Unterwerfung unter einen Stärkeren
  • Befriedigung durch Gehorsam

Gefolgschaft ...

... unter einem starken Führer bildet damit den Kern dieser Menschen. Kritiklosigkeit gegenüber Autorität und Hierarchie ist die äussere Seite der Identifäkation mit den Machthabern. Damit entgeht der autoritäre Charakter dem Blick in die eigene empfundene unbedeutende Existenz und bekommt Selbstsicherheit und Orientierung. Unbedingte Loyalität zur eigene Gruppe und deren Machthaber sind das Schmierfett, das diese innerpsychische Maschinerie am Laufen erhält.


Logischerweise muss damit Intoleranz und so viel Mangel an Empathie für Andersdenkende einhergehen, genau so wie die forderung, dass Verstösse gegen traditionelle Werte streng zu ahnden sind.

Überhaupt sind für den autoritären Charakter Differenzierungen, Nuancen, Ambiguitätstoleranz, Pluralismus ein Gräuel, er ist auch nicht fähig dazu, diese von sich aus auszubilden. Gesellschaft als ein Miteinander von kleinen udn grossen Unterschieden liegt jenseits seines geistigen Horizonts.


Diese Ergebnisse können zur Erklärungen von einigen heutigen Phänomenen herangezogen werden:

  • die weltweit bekannten "Absaufen! Absaufen!" - Rufe bei einer Pegida-Kundgebung 2018 (bitte selber googeln, und nein, das ist keine weltweite Verschwörung von Mainstream-Medien rund um den Globus)
  • Pflegen und Vestärken von ethnischen Vorurteilen zusammen mit einer rigiden und beleidigenden Sprachkultur
  • dass die AfD und autoritäre Staatschefs (und rechte Youtuber, wie sich manche selbst nennen) bei der jetzigen gesundheitlichen Krisensituation nichts zur Lösung beizutragen haben

Der Grund:

  1. Nuancierungen, Pluralität, ständig neue Erkenntnis, die das Bewährte wieder umstürzen - das sind alles Eigenschaften von Wissenschaft und fortschreitender Erkenntnis. Gleichzeitig sind es die Gräuel für den autoriären Charakter. Entsprechend hat er in Zeiten, in denen es auf wissenschaftliche Erkenntnisse ankommt, nichs zu bieten.
  2. Die beleidigende Sprachkultur - besonders auch in ihrer sexualisierten Variente gegenüber Frauen - passt zum autoritären Charakter. Denn neben den erwähnten Eigenschaften hat er überwertige Bedenken beim Thema Sex.
    Sex hat ja auch eine dionyische Komponente, ein sich Verlieren im Begehren, ein Geschehen, das einen entgrenzen kann, ein freies Spiel, das seine eigenen Spielregeln kreiert. Das ist für den Autoritären gefährlich.
    Mit klaren Hierarchien oder auch als Strafe, damit kommt der autoritäre Charakter beim Sex klar. Das erklärt die vielen Vergewaltigungswünsche, mit denen heute Frauen, die dem autoritären Charakter entgegenstehen, konfrontiert werden.
  3. Machtverlust: Der autoritäre Charakter erlebt durch die massiven Einschränkungen aus der Politik genau das, wie er seine politische Partei oder seinen autoritär denkenen Staatchefs will. Dehalb der mehrmals gehörte Spruch: "Grenzen dicht machen. Plötzlich geht es doch!"

Zu Punkt 3 ist anzufügen:

Gleichzeitig hat der autoritäre Charakter (und die ihm entsprechende Partei) sonst nichts zur Krisenlage zu sagen. Er muss weiter auf andere Themen, wie zum Beispiel eben Flüchtlinge und Grenzen, herumreiten. Genau das ist ja sein in Politische gewendeter Kern seiner Persönlichkeit. Im Moment hat ihnen die von ihnen beschimpfte Politikelite ihren Charakterzug entwendet.

pesönliche Bemerkung
Hierbei möchte ich einfügen, dass die Art und Weise, wie sich im Moment Ministerpräsident Söder zeigt, sowohl in seiner Art, die Dinge anzusprechen als auch die Dinge umzusetzen, so rüberkommt, dass die Leute es ihm glaubhaft abnehmen, dass es ihm nicht um sich geht. Anders als sein Asyltourismus-Schwachsinn, den er früher von sich gegeben hat. Auch wenn die Massnahmen jetzt natürlich ein autoritärer Eingriff sind, nimmt ihnen Söder durch sein Auftreten und sein Sprechen ihnen den autoriären Charakter ein Stück.


Es bleibt eine Frage offen:

Wie weit ist der autoritäre Charakter denn wirklich nicht nur bei den sogenannten Rechten in der Gesellschaft verbreitet, wenn sich zeigt, dass erst durch Kontrollen, Aufnehmen der persönlichen Daten durch die Polizei und Bussgelder die Corona-Parties und sonstige schädliche Verhaltensweisen zurückgehen, anstatt durch Vernunft, Rücksichtsnahmen und Einsicht?

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