Helmut Schmidt smoking. (Photo credit: Wikipedia) |
Unsere moralischen Vorbilder
Ulli Höneß, der als moralisches Vorbild hochgejubelt wurde und selber lautstark verkündet hatte, dass es sich gehört, Steuern zu zahlen, ist im Gefängnis. Alice Schwarzer läuft mit dem selben Delikt aus Nachzahlungsgründen weiter frei herum, ist aber auch eine vom selbstgewählten Sockel der moralischen Befreiungsfront, heruntergetorkelte Fregatte. Über Lance Armstrong habe ich schon geschrieben. Die alte Garde, die sich immer so elitemäßig gab, rutscht immer mehr in den Graben. Jetzt hat sich unter den moralisch Gestolperten noch jemand dazugesellt:
"Altkanzler Helmut Schmidt (SPD) hat knapp fünf Jahre nach dem Tod seiner Ehefrau Loki erstmals öffentlich gemacht, diese betrogen zu haben. "Ich hatte eine Beziehung zu einer anderen Frau", schreibt der 96-Jährige in seinem neuen Buch "Was ich noch sagen wollte", aus dem das Magazin "Stern" am Mittwoch vorab zitierte. ... Loki Schmidt habe ihm die Trennung angeboten. Für ihn sei das eine "ganz und gar abwegige Idee" gewesen, schreibt Schmidt laut "Stern" in seinen Erinnerungen."
Um Klartext zu reden:
Ich bin keineswegs moralisch empört. Ehrlich gesagt, ist es mir völlig egal. Mein Gott, Leute, ich arbeite als Paartherapeut. Wenn ich jedesmal, wenn Frau oder Mann eine außerpartnerschaftliche Affäre eingeht, moralisch empört wäre, käme ich vor lauter Moralin nicht mehr zum Arbeiten.
Mit was ich weniger klarkomme, sind die Leute, die andere auf den Sockel heben, anstatt das zu sehen, was offensichtlich ist: dass ihr Auserwählter einfach nur ein normaler Mensch ist, sonst gar nichts.
Der Tagesspiegel verwehrt sich, Schmidt als Vorbild zu sehen, bezeichnet ihn statt dessen als Monument. Was zum Teufel soll denn das heißen? Mir sagt das nichts. Ist er seine eigene Statue oder sein eigenes Denkmal? Oh Gott, wie würde es sich anfühlen, wenn andere einem selbst als sein eigenes Denkmal sehen? Ich glaube, lieber würde ich in einem Hasenkostüm auf einer SM-Party bei Hugh Haffner als Fussabtreter auftreten.
Der Tagesspiegel verwehrt sich, Schmidt als Vorbild zu sehen, bezeichnet ihn statt dessen als Monument. Was zum Teufel soll denn das heißen? Mir sagt das nichts. Ist er seine eigene Statue oder sein eigenes Denkmal? Oh Gott, wie würde es sich anfühlen, wenn andere einem selbst als sein eigenes Denkmal sehen? Ich glaube, lieber würde ich in einem Hasenkostüm auf einer SM-Party bei Hugh Haffner als Fussabtreter auftreten.
Vorbilder sind Ergebnisse undifferenzierten Denkens
Es gibt wenig, das so enttäuschend und so wenig aushaltbar ist für uns Menschen ist, wie wenn sich unser Weltbild als Luftnummer entpuppt. Lieber halten wir daran fest, als dass wir die Wirklichkeit akzeptieren. Prominentestes Beispiel sind die Impfgegner hier in Deutschland oder die Mondlandeverschwörungstheoretiker in USA. Hier ein post dazu.Mutter Theresa steht zum Beispiel für praktizierte Nächstenliebe. Dass sie in Wirklichkeit eine politisch rechtsgerichtete christliche hardlinerin war, die das faschistische Regime auf Haiti gut fand und die sich aus religiösen Gründen der unterlassenen Hilfeleistung schuldig gemacht hatte, zählt zum Beispiel nicht. Augenzeugen werden diskreditiert. Das Image des gewählten Vorbilds muss erhalten bleiben.
Was wir wirklich brauchen
Wir brauchen keine Vorbilder.Was wir Menschen brauchen, ist die Kraft, aus uns selbst heraus stehen zu können und die Sensibilität, unser natürliches Mitgefühl dabei mit einbeziehen zu können.
Beides haben wir als Anlage mit der Geburt an mitbekommen.
Natürlich schauen wir alle uns während des Heranwachsens etwas von anderen ab oder eifern ihnen nach. Aber das sind Phasen, in denen wir noch nicht erwachsen sind.
Sei dein eigener Maßstab
Ein alter Satz sagt, dass jemand seinen eigenen Weg nicht finden kann, wenn er jemandes Spuren folgt. Wer den Polarstern als Ziel hat, wird scheitern. Und er wird selbst nie einen tanzenden Stern gebären können, um mit Nietsche zu sprechen. Ein Vorbild zu haben, schneidet viel von dem ab, was ein eigenes Leben bereit hält.Nicht umsonst hat das Bürgertum immer ein Vorbild gehabt, früher den Adel, später den gebildeten Wohlstandsbürger. Und nicht umsonst ist das Leben oft so uniform und eintönig, wie in den Bürgertumswohnungen. Herman Van Veen hat diese Situation einmal in folgende Verse gefasst:
Die Abendglocken läuten
der Dienstag liegt im Sterben
das Radio spielt Bach
die Kinder werden zapplig
sie sind längst schon viel zu müd
ein trauliche Idylle
solang das Lämpchen glüht
Und morgen ist der Zwölfte
und der wird wie der Elfte
und der war wie der Zehnte
ich hab', was ich ersehnte
Stilles Glück, trautes Heim
stilles Glück, trautes Heim
jahraus, jahrein.
...
Die Nachbarn haben oben
wieder Krach, und in mein Ohr
dringt sein Fluchen und ihr Keifen
das kommt bei uns nicht vor
Du hast mich aus den Kneipen
doch die Dumpfheit ist geblieben
und jetzt ist Schlafenszeit
Und morgen ist der Zwölfte ....
....
(Herman Van Veen)
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