18. August 2011

Wie man einen Elefanten verspeist oder: burnout-Therapie Teil 2

Statue of Our Lady of Lourdes. The Lourdes app...Image via Wikipedia

In meinem Wohnort war ein Wunderheiler. Echt, ohne Witz. Ich glaube, aus Tschechien. Ich hätte gar nichts gemerkt, aber die Schlange, die sich am Eingang des Veranstaltungsortes bildete, wo man die Eintrittsbillets kaufte, war mehrere Straßen lang.
Menschen allen Alters, Männer, Frauen, sogar einige Kinder und Jugendliche waren dabei. Ganze Busladungen waren angekommen, um ... ja was?

Auf dem Plakat lächelte ein älterer Mann in weißem Gewand mit langen weißen Haaren und einem weißen Rauschebart. Erinnert ein bisschen an Gott aus den Kinderbüchern der 40er Jahre. Der Text sagte irgendwas über "Medium" und "göttliche Heilenergie".

Tja, ich bin weder das eine, noch habe ich das andere. In meiner Praxis gibt´s weder Engelsmagie, noch geheimes Wissen über feinstoffliche höhere Mächte und auch keine Beschwörungsrituale aus fernen geheimnisvollen Regionen der Erde. Wunder biete ich Ihnen auch nicht. Wer Wunder erwartet, für den ist Therapie die falsche Adresse, Wunder versprechen andere. Wer Wunder will, muss zu dem Typen mit dem Rauschebart auf dem Plakat gehen.
Ich kann Ihnen nur wissenschaftlich fundierte und von Erfahrung bereicherte Methoden anbieten, von denen ich weiß, dass sie funktionieren - weil dies nachgeprüft worden ist. Alles andere rechne ich in die Sparte Privatüberzeugung. Wollen Sie jetzt kommen, um nach Privatmeinung behandelt zu werden oder nach fachlich abgesicherten und überprüften Methoden? Ihre Entscheidung!

Schauen Sie nicht so bös! Ich kann ja auch nichts dafür.
Immerhin gibt es mir Gelegenheit, noch etwas Wichtiges über burnout und seine Therapie loszuwerden:

burnout hat sich über Jahre entwickelt, es wird nicht über Nacht verschwinden.

Dieser Gedanke ist wichtiger als die meisten annehmen. burnout ist keine, ich wiederhole, keine Kleinigkeit.
Es kann, wenn Sie so weiter machen wie bisher, zu einer massiven Depression sich entwickeln und spätestens dann geht es um ihr Leben.
Ganz genau, es kann zu einer Frage auf Leben und Tod werden und das will ich als jemand, der Menschen begleitet, verdammt ernst nehmen und deshalb werde ich nicht müde, es Ihnen an dieser Stelle so eindringlich wie nur irgendwie ins Gehirn zu hämmern. Nehmen Sie sich ernst. Nur Kleinigkeiten verschwinden über Nacht. Ein burnout nicht. Und es gibt in der medizinischen Forschung keinen einzigen Fall, in dem burnout durch ein Wunder geheilt wurde. Auch nicht in Lourdes. Oder bei einem Rauschebart. Also lassen Sie den Wunsch nach Schnellheilung bitte gleich bleiben!

Es dauert. Eine Woche, zwei Wochen, drei Wochen. Ein Monat …. mehr …. Auch das ist normal. Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht.
Und genau wie Gras organisch wächst und nicht nach einem privaten Beschleunigungsgesetz, so ist auch Therapie ein organischer Wachstumsprozess. Und der, der das Tempo bestimmt, ist ihr Organismus, ihr Geist, ihr Körper. Es "schnell schnell" zu machen klingt wahrscheinlich eher nach der Strategie, die zum burnout geführt hat. Also weg damit!

Frustriert? Gut! Denn Ehrlichkeit gehört mit zur Therapie. Nur Scharlatane versprechen Unfachliches.
Sie machen nämlich in einer guten Therapie möglicherweise die Erfahrung, dass sie frustriert sind. Dass die Therapie Sie frustriert, dass der Therapeut Sie frustriert. Auch das ist normal. Es ist kein Friede, Freude, Eierkuchen trallala. Es bedeutet oft auch ein Abschiednehmen von bisherigen und langvertrauten Erwartungen.

Deshalb traurig zu sein, zu weinen oder auch heftig zu trauern, ist gut und heilsam. Denn wer trauern kann, der weiß, dass etwas vorbei ist. Und genau das ist burnout: Die Botschaft, dass ihre bisherige Art zu leben, vorbei sein soll.
Das wird wahrscheinlich weh tun. Deshalb ist der Therapeut hier auf ihrer Seite und begleitet Sie. Mit seinem Wohlwollen und seinem fachlichen Können. 
Ein guter Therapeut sagt Ihnen das auch am Anfang. Und er wird Sie dran erinnern, wenn es später dann soweit ist.

Aber, und das ist das, was Therapie fundamental anders macht, als ihre sonstige Umgebung: Ein guter Therapeut sagt ihnen immer zwei Dinge ins Gesicht:
  1. Ich mag Sie, Sie sind überhaupt kein schlechter oder dummer Mensch und ich bin für Sie da. 
  2. Ihre Denkweise, ihre Art die Dinge zu betrachten und zu erledigen, ist kontraproduktiv. (um nicht zu sagen: "Da rammen Sie sich selbst das Messer in den Bauch!")
Das heißt aber auch, Sie brauchen die Fähigkeit, beides zu hören. Denn wir Therapeuten sind diejenigen, die Ihnen diese Dinge sagen können, die ihre Freunde so deutlich nicht sagen, eben weil sie ihre Freunde bleiben wollen.
Ein Therapeut zeigt Ihnen, dass er Sie mag und wird gleichzeitig einen Teufel tun, zu sagen: Alles ist ok, Sie tun und denken genau richtig. Nur die Welt ist böse und Sie müssen deshalb gar nichts ändern.

Und bei burnout ist eines dieser Dinge die Wahrheit, dass Sie ihr Leben, wie Sie es bisher geführt haben, vorbei ist. Wenn Sie wollen, dass es Ihnen wieder besser geht, ist es an der Zeit, sich von nicht gerade Wenigem und bisher als wichtig Eingeschätztem zu verabschieden.

Ich weiß, das alles ist keine Kleinigkeit. Es ist sogar ziemlich viel, was Ihnen da zugemutet wird. Das gaaaanze Leben …. irgendwie anders gestalten? Menschen scheitern ja schon daran, einfach nur das Rauchen aufzugeben. Die Aufgabe gleicht einen Elefanten.

Doch Sie kennen die Redewendung: Wie isst man einen Elefanten?  … ganz einfach: Stück für Stück!!

Bloß nicht in einem Bissen! Und genau das ist der Grund, warum Sie Zeit brauchen. Zeit, Zeit, Zeit. Das heißt nicht, dass Sie jahrelang einen Therapeuten aufsuchen müssen. Davon bin ich absolut kein Freund. Obwohl viele Kassentherapeuten gut davon leben. Ich nicht. Es heißt nur, des es nicht über Nacht mit einem Fingerschnipsen verschwindet. Wenn Sie sich deshalb dann Druck machen ... dann dauert es garantiert noch viel länger.

Manchmal, wenn man im Heilungsprozess drin steckt, taucht die Frage auftaucht, warum es ab und an trotz allem so langsam vorwärts geht.
Die Antwort ist einfach: Weil ihr Organismus das so verlangt!

Ok, das ist vielleicht nicht die Wahrheit, die Sie hören wollen, aber es ist die einzige, die Sie von ihrer Psyche her kriegen. Nehmen Sie sie einfach an. Was anderes gibt´s halt bei Ihnen grad nicht im Angebot.
Aber wenn Sie es annehmen können - dann können Sie stolz auf sich sein. Sie haben nämlich den wichtigen Schritt in die Gesundung getan. Zu akzeptieren, dass ihr Organismus, ihr Körper, ihr Geist anders arbeiten will, als Sie bisher gedacht hatten. Das ist ein gutes Stück Selbsterkenntnis. Und das ist ja bekanntlich der erste Weg zur Besserung. Therapie ist dann nur mehr der Prozess, dieses Fundament zu festigen und darauf aufzubauen.

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