26. Oktober 2014

Vorbild sein - ein bürgerlicher und schädlicher Gedanke

English: Cyclist Lance Armstrong at the 2008 T...
English: Cyclist Lance Armstrong at the 2008 Tour de Gruene Individual Time Trial, 1 November 2008 (Photo credit: Wikipedia)
Ein neues Buch über Lance Armstrong ist da - und zeigt angeblich, wie der Charakter des siebenmaligen Tour de France-Siegers wirklich war. Die Zeit betitelte ihre Besprechung mit dem Titel "Was für ein Arsch!"

Armstrong war ein Idol und nirgendwo sonst ist die Fallhöhe größer. Es mag sein, dass Armstrong so ist, wie diese Biographie ihn zeigt. Vielleicht, vielleicht auch nicht. Das eigentliche Problem aber ist nicht, dass Armstrong so ist, wie er ist. Das eigentliche Problem ... das sind ...


WIR! Besser gesagt, unser Wunsch nach Helden.

Echte Helden gibt´s im Kino: The Avengers, Spiderman, Zorro ... sie prägten die Kindheit vieler und mit den aktuellen Kinofilmen tun sie es wieder. Irgendwie legen wir jedoch den Glauben nicht ab, es gäbe so etwas Ähnlich in Echt. Wir nennen so etwas dann: Idole.
Lance Armstrong galt als ein solches.


Lance Armstrong in the prologue of the Tour de...
Lance Armstrong in the prologue of the Tour de France in July 2004 in Liege, Belgium (Photo credit: Wikipedia)
Inzwischen findet man im Internet unter Lance Armstrong überwiegend eines: Meldung über Lügen und über Betrug. Zuerst hochjubeln, dann betonen andere (Moderatoren, Prediger, Sinnerzähler), dass so jemand ein Vorbild sei (besonders für die Jugend), er wird als Leistunsträger tituliert, bei Veranstaltungen, sponsoren, Wirtschaftstreffen herumgereicht
... und dann ...

Picture of Karl-Theodor Freiherr von und zu Gu...
Karl-Theodor Freiherr von und zu Guttenberg (Photo credit: Wikipedia)
Ähnliches fand bei Karl-Theodor Maria Nikolaus Johann Jacob Philipp Franz Joseph Sylvester Freiherr von Guttenberg statt. Auch er war Objekt eines Hypes. Natürlich auch bewusst in Szene gesetzt. War bei Armstrong ja auch so.

Und bei beiden war gemeinsam: Nach den tatsächlichen Leistungen fragte niemand in der Öffentlichkeit so richtig nach. Niemand wollte groß sich das Bild vom engagierten, sozial eingestellten Leistungsmenschen stören lassen. Das Strahlen eines Sterns ist doch immer so schön. Dann folgte der Fall und Hohn und Spott.


Die Liste der Beispiele kann man verlängern.

Ich erinnere mich an einen Fernsehclip aus irgend einer Sitzung, in der Schäuble damals in die Runde brüllte, niemand in der EU sei so geachtet wie Helmut Kohl. Und er deutete mit großer Geste vor der Kamera auf den Angesprochenen. Doch heute ist der Kanzler der Einheit (für die er eigentlich ja nichts konnte, sie ist ihm eher zugefallen, wie man heute weiß) verbunden mit dem Stichwort "Schwarzgeldaffäre" und dass ein Ehrenwort über Recht und Gesetz steht und man damit durchkommt, wenn man Kohl heißt. Sein letzter öffentlicher Auftritt erzeugte in der Presse irgend etwas zwischen Mitleid und Befremden.

Jürgen Schremp, Manager und Stern bei Daimler, mit dem Ruf eines harten Hundes hinsischtlich seiner Wahl der Managementmethoden, schuf statt seiner Vision einer Welt AG einen ökonomischen Verbrennungsofen für Geldscheine. Kein Mensch redet mehr von ihm und seiner Vision. Alles zurück in den Bereich des Unbedeutenden.

Solche Beispiele gibt es viele: Aufsteiger, die letztendlich wie Ikarus vom Himmel stürzen. Manchen gelingt ein comeback, andere hangeln sich weiter in gut dotierten Posten bis zur Pension und so lange niemand sie einem wirklichen Leistungstest unterzieht, geht das.

Was Elite wirklich ist

Elite kommt nur durch zwei Mechanismen zustande:
  • Entweder definiert sie sich selbst als eine solche, 
  • oder der Betroffene steht mit etwas in Verbindung, das als Elite gilt und das färbt auf ihn ab, so dass die anderen ihn ebenfalls als zur Elite zugehörig sehen.

Woran misst sich "Elite"?

Elite aufgrund von Leistung ist eher selten, denn nach welchen objektiven Maßstab soll man das messen? Die Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) gehört zum Beispiel zu den Eliteunis, sagt man. Im ranking liegt sie bei technischen Fächern in Führung.

Aber wenn man in bestimmten Fächern herausragend ist, heißt das denn automatisch, dass man schon zur Elite gehört? Es heißt doch nur, dass man in bestimmten Fächer tolle Leistungen bringt. Gehört ein Schüler, der in Latein und Mathe gut ist, zur Elite der Klasse? Was ist mit dem, der in Sport und Bio klasse ist? Gehört der zu einer anderen Elite? Wie viele Eliten kann man denn dann in einer Klasse finden?
Gehört das pädagogische Geschickt der Profs an der RWTH auch zum Elite-Ranking? Oder die Verwaltungsgeschäfte an der Uni? Oder wie die Lehrstuhlinhaber mit ihren Personal umgehen? Was gehört alles dazu, dass eine gesamte Uni zur Elite gehören soll?

Man merkt schnell: Der Elitebegriff ist eigentlich unbrauchbar, weil er so gummiartig ist. Man kann alles und gar nichts darunter packen. In Wirklichkeit existiert "Elite" nicht, es ist nur ein Etikett, das andere anderen aufkleben. Es gibt nur Menschen, die in bestimmten Dingen gut sind, und gut ist jeder in etwas.
Elite ist etwas rein in Menschen hinein Projiziertes, sonst gar nichts.


It´s a "Mind fucking thing!"

Wie tief wir fallen, bestimmen allein wir, indem wir festlegen, wie hoch wir geklettert sind. Es sind unsere menschliche Einteilungskriterien in hoch oder unten, erfolgreich - nicht erfolgreich, wertvoll oder unwert, Vorbild oder Abschreckung, die die Lebensläufe oder Menschen in Klassen einteilen. Und genau damit beginnt das Problem. Wir sehen keine Menschen, wir sehen Etiketten. Wir sehen unsere eigenen Denkmechanismen, sonst nichts.

"Was machen Sie denn so beruflich?"

Hinter dieser small talk - Frage steckt nicht nur der Wunsch nach Info, meist kleben wir der Antwort eben noch ein Etikett drauf. Es macht einen Unterschied, ab die Antwort "Gehirnchirurg", "Astronaut" oder "Müllmann" lautet. Machen wir uns nichts vor. Es ist so.

Was Etiketten leisten

Etiketten bestimmen unser Denken und sie haben dadurch eine Position, die ihnen nicht zukommt. Etiketten geben Bestätigung, und zwar bestätigen sie immer die eigene Weltsicht. Wenn 11 Fussballspieler die WM gewinnen, dann sind WIR Weltmeister. (Dabei war ich doch nur beim public viewing und mein Beitrag zur WM waren ein paar Biere und das Anfeuern eines Bildschirms.)


Auf die Spitze trieb es einmal die Bildzeitung: Als Ratzinger Papst wurde, waren WIR auf einmal Papst.



Es geht anscheinend immer nur ums Ansehen, um den Wunsch nach Ehrerbietung, Beachtung ... als ob die Tatsache, einfach Mensch zu sein, nicht genügt. Das Grundgesetz spricht von der Würde des Menschen, aber wir wollen lieber Status.

Aufstieg und Fall ....das ist keine natürliche Gesetzgebung. Es ist unser Spiel. Nichts weiter. Vorbilder zu haben, hat nur begrenzt gute Effekte. In der Regel vergessen wir, dass ein "Vorbild" nur in unserer Einbildung existiert und dann ist das "Vorbild" immer schädlich. Für jeden.
Wir brauchen keine Vorbilder. Damit sterben wir nur als Kopie. Fangen wir an, unser eigenes Leben zu leben.

Lance Armstrong jedenfalls hat sich zurückgezogen. Seine Internetseite besteht nur mehr aus einer einzigen Seite mit ein paar links.

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  • hier die Besprechung des neuen Buches über Lance Armstrong

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