27. Februar 2019

Geschädigtes Vertrauen in die Regierung - was bedeutet das für die Deutschen?

Mehr als die Hälfte der Deutschen misstraut der Bundesregierung, so das Edelman Trust Barometer, eine Umfrage der gleichnamigen Marktforschers unter weltweit 33.000 Bürgern. Damit landet Deutschland auf Platz 21 von 26. Nur noch rund jeder Vierte glaubt, dass es ihm und seiner Familie in fünf Jahren besser gehen wird als jetzt. Um Ernst Primosch, den CEO bei Edelman für Deutschland, zu zitieren:
„Immer mehr Menschen glauben, dass das gesellschaftliche System für sie nicht funktioniert“.
 Was bedeutet es, wenn in einer Gesellschaft  ungefähr 75 Prozent das Vertrauen verlieren?
Worüber sich die Psychologie über alle Schulrichtungen hinweg einig ist:

Vertrauen ist der Grundstein jeder unserer Beziehungen.

Wir alle haben eine Vorstellung davon, wie wir uns anderen gegenüber verhalten sollen und vice versa. Und da das in der Regel nicht diskutiert wird, gehen wir davon aus, dass die anderen die selben Vorstellungen wie wir haben. Entsprechend erwarten wir von denen, denen wir vertrauen, dass sie loyal und ehrlich uns gegenüber sind. Stellen wir dann fest, zum Beispiel, dass unser Gegenüber seine Bedürfnisse über die unsrigen stellt, fühlen wir uns verletzt und in unserer Selbstachtung getroffen.

Anstand und Intelligenz bieten keinen Schutz

Nach einem Vertrauensverlust verlieren Betroffene oft zusätzlich das Vertrauen in sich selbst: "Wieso ist mir das passiert? Wie konnte ich nur so dumm sein? Warum habe ich nicht gemerkt ...?"


Was die Betroffenen dabei übersehen, ist die Tatsache, dass Anstand und Intelligenz keinen Schutz vor Unehrlichkeit, Bösartigkeit oder anderen Interessen bieten.



Schützen kann man sich durch Lebenserfahrung, also zu erkennen, wo man selbst Angriffspunkte bietet, um ausgenutzt oder schlecht behandelt zu werden.

Was es braucht

Lebenserfahrung setzt voraus, die schmerzliche Realität erst einmal zu akzeptieren. Und dann stehen wir in einer Situation, schwierige Entscheidungen treffen zu müssen. Wir werden also zweimal zu verschiedenen Dingen gezwungen, die weder angenehm noch leicht sind.

Psychologie: Vertrauen braucht eine Basis - von klein auf

Entwicklungspsychologie und Bindungsforschung sagen eindeutig:

Das geballte Wissen
Ein Kind, das eine verlässliche Bindung erlebt hat, wird als Erwachsener weniger intensive und chronische Ängste und Sorgen ausbilden als andere. Es wird auch weniger Wut und Aggression entwickeln als andere. Zudem verfügt es über die grössere Fähigkeit, Unangenehmes auszuhalten. Weil es Zutrauen zu einer Welt hat, die immer auch Anregungen und Vergnügen bereithält. Ebenso die Möglichkeit, diese Welt zu erforschen und neugierig auf das Leben sein zu können.

Eine verlässliche Bindung und das damit einhergehende Vertrauen ist die Voraussetzung, sich in der Welt geborgen fühlen zu können.

Sehnsucht als Einfallstor: "There must be a place under the sun"

Bleibt dies schwach ausgebildet, übernehmen Sehnsucht, Erwartung und Enttäuschung die Führung. Wir suchen (verzweifelt) nach Liebe, Unterstützung, Geborgenheit, Anerkennung und nehmen mit diesen oft unbewussten Erwartungen Beziehungen zu Freunden, Kollegen, Arbeitsgebern, Partnern, sogar zu Staatsinstitutionen auf.

Neil Young hat gesungen: "There must be a place under the sun, where hearts of gold and glory grow young". Erleben wir, dass dieses Bedürfniss zur Seite geschoben werden, obwohl man überzeugt war, dass dem Gegenüber am eigenen Wohlbefinden liegt, löst das belastende Gefühle aus. Dadurch wird es schwierig, unter diesen Umständen Selbstsicherheit zu entwickeln.


Ohne Vertrauen keine Beziehung

Eine solche Situation ist eine hervorragende Gelegenheit für Populisten, Verschwörungstheoretiker und selbsternannten "ich-erklär-dir-dass-wir-alle-manipuliert-werden-Prediger". Sie fungieren als Kanäle oder Ventile für die unterschwellig mäandernden Emotionen der Leute.

Doch Rückzug und Aggression können sich weiter entwickeln. Bei privaten Beziehungen sprechen wir dann von Sprachlosigkeit und Beziehungstat. Bei politischen Beziehungen von Seperatismus und Terror. Allen gemeinsam ist das Desturktive, das in unterschiedlicher Wucht seinen Ausdruck findet.

Was Zuversicht gibt

Vertrauen zu beschwören hilft nicht viel. Besser ist es, auf  Abstand zu gehen und dann vorsichtige Annäherung zu probieren. Bei Zweierbeziehungen ist es oft schon zu spät. Im Gegensatz zu Zweierbeziehungen jedoch spielen bei gesellschaftliche Entwicklungen eine viel größere Anzahl von Variablen eine Rolle. Auch zeitlich sind hier Generationswechsel oft fundamentale Richtungsgeber. Hier ist viel mehr möglich. Mit anderen Worten: Gesellschaft ist stabiler als Zweierbeziehung. Möglicherweise ein Punkt, selber Vertrauen in die Zukunft zu entwickeln.

Quellen:

  • hier der zitierter Artikel

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