11. Februar 2019

Fyre Festival - wie Sie ein Desaster schon im Vorfeld erkennen

Das Fyre Festival ist schon lange her. Genauer gesagt hat es ja nie stattgefunden. Jetzt sind zwei Fokus (Netfix und Hulu) erschienen und die Wellen schlagen hoch. Während vorher alle sich vom Ertrinken retten wollen. Im Ernst: gibt es psychologische Hinweise, wann sich ein Disaster abzeichnet, noch ehe es äussere Anzeichen dafür gibt? Nun, es gibt ein paar grundsätzliche Strategien aus der Psychologie dafür:

Es sollte DIE Party werden ...

... sagte der Organisator Billy McFarland und der Rapper Ja Rule wollte damit sogar "Geschichte schreiben. Nun, hat er irgendwie auch.

Für die Richkids der Instagram-Generation, die für die Tickets zwischen 1000 - 12000 Dollar hingeblättert hatten, ging es komplett nach hinten los. Statt der versprochenen Luxusunterkünfte, Jetskis, weißen Jachten, Luxusessen, Models und Musikstars bekamen sie Zeltlager, Matratzen und Käsesandwiches aus der Holzklasse. Auf bento gibt´s einen kleinen Überblick über die Rutschbahn ins Chaos.

Der Veranstalter sitzt inzwischen im Knast ...

... wegen Betrugs, einige Modells, die für das Fyre Festival warben, eine hat angeblich für einen einzigen post auf social media eine Viertel Million Dollar bekommen - verd.... ich hab was falsch gemacht im Leben - , bekommen rechtliche Folgen zu spüren und der Rapper und Organisator Ja Rule sah sich genötigt, seine Konzertbesucher ihn verfluchen zu lassen.
Nicht zu vergessen, seine zusätzlichen Erklärungen, dass er an der Organisation nicht beteiligt und ebenso ein Opfer war. (Auch wenn er vorher sich mit Creative Director betitelt haben soll).

Wir alle kennen das: Wenn man auf etwas hereingefallen ist, könnte man sich hinterher ohrfeigen, dass man darauf hereingefallen ist. Ist Ihnen sicherlich schon passiert, ist mir schon passiert - ist wohl jedem und jeder schon mal passiert.

Hier einige einfache aber bewährte Grundsätze, die Dinge schon im Vorfeld erkennen zu können:

1. Nicht nur schauen, sondern auch sehen

Das Bild zeigt die Insel, auf der es stattfinden soll:

Es ist nur kurz zu sehen, doch auch so ist der erste Eindruck: kaum Infrastruktur. Eventuell sind das zwei Häuser in der Mitte, aber wo sollen die angezielten 10 000 Besucher pro Wochenende denn unterkommen? Abgesehen davon: Wie überhaupt hinkommen? Mit diesem kleinen Flugzeug aus dem Spot?:


Mit 100ten gemieteter Chartermaschinen, die sich vor der kleinen Insel die Klinke in die Hand drücken? Allein für das Geld könnte man wohl den Hunger auf der Welt abstellen.



Bereits hier sollten Alarmglocken schrillen: Warum sollte eine Promotion eine Location samt Transportmittel zeigen, die mit der eigentlichen Location und den Transportmitteln nichts zu tun haben?




Merke: Wenn du auf den ersten Blick dich mehr von der Optik leiten lässt als von dem, was du wirklich siehst, bist du schon einen Schritt näher auf der Verliererseite.

2. Klischees ohne Kontext

Der Rest des Clips ist auch nicht besser: Mädels im Bikini an weißen Stränden, Mädels im Bikini auf einer weißen Yacht, Mädels im Bikini, die von einer weißen Yacht ins Meer hüpfen, Mädels im Bikini auf einem Jetski, ab und an ein junger Mann mit muskulösen Oberkörper, Boot, Strand, wieder Mädels im Bikini ...


Sieht aus als hätte das Drehbuch ein Teeny mit pubertierender Sexualphantasie geschrieben. Oder jemand, der im Kopf sich nicht über das Teeny-Alter hinausentwickelt hat. Es ist eine Aneinanderreihung von inhaltlosen und vor allem kontaktlosen Klischees. Nicht umsonst hat Shutterstock den Werbeclip parodiert - mit lauter Stockimages und -videos


Merke: Checke bei allem immer seinen Kontext. Wenn etwas ohne Kontext daherkommt, ist es in der Regel eine Luftnummer

3. Die Wahrheit ist nie abstrakt

Typisch auch, dass niemand genaue Infos kannte. Fragen auf den social media-Kanälen, auf der Homepage wurden gelöscht. Kritik sowieso. Auf gründerszene gibt es eine Zusammenstellung von Punkten, die ein startup aus dem Debakel lernen kann:

  • Falsche Produktversprechen führen zu nichts
  • Mitarbeiter ernst nehmen, die Kritik äußern
  • Sauber kommunizieren
  • ...
Alles nicht falsch ... aber genau so banal. Wenn genaue Infos nicht zur Verfügung stehen, wenn kein Plan kommuniziert wird, wie das Ganze gemacht werden soll ... einfach nur ein paar bekannte Namen "raushauen", auf den Glamour-Faktor zu setzen oder es als "größten Event des Jahrzehnts" zu bezeichnen (McFarland) und dann 12000 Dollar für ein Ticket hinlegen, ist nur eines: Realitätsverlust. Und das muss schief gehen.

Es erinnert ein bißchen an Elizabeth Holmes, die mit einem Betrug an Bluttests zur Millionärin wurde, und bei der auch niemand hinterfragte, ob bei ihren Infos oder Produkten wirklich Realität dahintersteckte.
Dieser als größter Betrug in der Medizintechnik bezeichnete Fall hatte mit McFarland einiges gemeinsam:

  • einen Studienabbrecher, eine Studienabbrecherin, ohne viel / keine Berufserfahrung, die anderen charismatisch weismachten, er / sie sei in der Lage, Dinge zu vollbringen, die der Rest der Welt bisher nicht zustande gebracht hat
  • ein bahnbrechendes Produkt, das allem anderen überlegen ist, zu dem es aber nie genaue Informationen gibt
  • eine charismatische Figur, die über alles Mögliche spricht - Pioniergeist, mentales setting, gender, Inspiration, Zukunftsvisionen, nur nicht über die Einzelheiten im Produkt
  • die charismatische Figur antwortet auf technische Nachfragen ausweichend, anstatt konkret zu werden
  • alles dabei klingt nach Durchbruch, Revolution und dass die Welt nie wieder so sein wird, wie sie war
Sobald also eines dieser Dinge einem auffällt: Vorsicht ist geboten! 
Merke: Alles, was gigantische Formen annimmt, kann imponieren - auch die Dummheit. (Erich Kästner)
 

4. Checke den Gegenwert

Bei Elisabeth Holmes sollte der Patient durch eine App erfahren, wie es um ihm steht.
Was von McFarland produziert wurde, war: eine App. Das Festival sollte diese nur promoten.

Klingelt da was?

Beide Male eine app! Und mehr bekam man nicht zu sehen. Da steckt erstmal nicht viel materieller Gegenwert dahinter. Überhaupt ergibt sich der Wert meist erst durch die Anzahl der User. Das bedeutet, Gewinn gibt es nicht durch Erschließen von neuen Märkten, sondern nur durch Verdrängung von Mitkonkurrenten. Im Gesamt gesehen ist das ein Nullsummenspiel.

Merke: Apps erschliessen keine neuen Märkte. Sie machen bestehende Märkte effizienter. Ausserdem sind apps schnell "kopierbar". Das mögliche Wachstum ist deshalb nicht unbedingt langlebig.

5. Wenn etwas zum Hype wird, ist es Zeit, Abstand zu nehmen

Inzwischen hat alles ein böses Ende genommen oder ist auf dem Weg dahin. Es gibt sogar eine Klage über 100 Millionen Dollar. Es soll nicht der einzige Betrugsversuch von McFarlands gewesen sein. Wer weiß?
 

Was aber ganz klar ist, ist, daß viel Wind um Nichts von jungen Menschen, die unbedingt nur sich selbst gefeiert sehen wollten, ohne einen Bezug zu einer Ethik, Verantwortung und realer Leistung, in die Welt geblasen wurde.




Elliot Tebele, der Gründer einer social marketing Agentur und Betreiber einer der bekanntesten Instagram-Meme-Seiten im Internet ("fuckjerry") - schon wieder Instagram also - hat sich gleich zweimal bezahlen lassen. Einmal für seine Werbeanzeigen für das Festival (selbst noch als dieses in die Hose ging) und einmal als einer der Produzenten für die Doku von Netflix, die über den Festivalbetrug aufklärte. Interessante Ethik!

Wen wundert es, wenn es auch für seine Memo-Seite Beschwerden gibt, daß er sich um Urheberrechte einen Teufel schert. Noch mal: Interessante Ethik!

Mir bleibt am Ende etwas, das mir damals mein Tauchlehrer als Faustregel mitgegeben hat, als es darum ging, die ganzen Fischarten zu lernen und von welchen Gefahr droht. Es ist zwar eine Tauchsportregel, aber in meinen Augen kann man sie für das ganze Leben anwenden:
Wenn etwas sehr schön (oder sehr hässlich) aussieht, nicht anfassen!

Und die letzte Grundregel:

Wenn du Einheimische auf einer Karibikinsel für dich arbeiten läßt - hart arbeiten läßt - überhaupt, wenn du Leute für dich arbeiten läßt -

- dann bezahl sie gefälligst auch!

 

Quellen:

  • den Promotion-Trailer des Fyre Festivals, auf den sich der post bezieht, sieht man in seiner Gänze hier

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