29. August 2015

Ressentiments gegen Flüchtlinge? Woher das kommt und wie eine falsche Diagnose keine Probleme löst!

Der Bürger ist besorgt, die Menschen haben Angst ... das war oft der Tenor in der Öffentlichkeit bei den Ressentiments gegen Flüchtlinge. Ich habe das Wort vom "besorgten Bürger" immer für eine Mär gehalten. Zum Glück herrscht es nach diesem Sommer an Ausschreitungen mehr Offenheit für die richtige Diagnose. Ressentiments fallen nicht von Himmel, sie komen auch nicht aus der sozialen Situaion. Die Dynamik ist eine andere. Und sie steckt in uns.


Die richtige Diagnose

Angela Merkel war in Heidenau. Kritiker bemängeln seit langem, dass sie bei den Gewalttaten und fremdenfeindlichen Parolen so lange zugeschaut hat. Jetzt war sie dort. Ein Video zeigt Demonstranten oder, wie es bisher immer hieß: "Besorgte Bürger". Sie stehen am Straßenrand als Merkel abfährt. Sehen Sie es sich einmal an.



Besorgte Bürger? Ich bin überzeugt, man muss nicht Therapeut sein, um zu merken: Besorgnis oder Angst sieht anders aus. Das hier ist keine Besorgnis, keine Angst, das ist Hass. "Besorgte Bürger" ist ein Titel, der verwendet wird, um diese Tatsache zu kaschieren. Es wird Zeit, dass wir das langsam registrieren. Eine falsche Diagnose löst nämlich keine Probleme.Sie verschlimmert nur. So auch bei den Flüchtlingshassern.

Gegen Hass helfen weder Therapie noch Argumente. Und Ursachenforschung nur bedingt. Denn die Ursachen sind meistens multikomplex.

Die Spreezeitung hat zum Beispiel im März bereits festgestellt, dass der generelle Mangel an Empathie bei den Deutschen zu einer "Geißel" sich entwickelt hat, und sie machen dabei vor allem das neoliberale Denken verantwortlich. Zusätzlich stützen Meldungen wie "Die Armut in Deutschland 2015 auf historischen Höchststand" des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes noch das Gefühl, benachteiligt zu werden.


"Gleichzeitig fühlt der Deutsche sich ja per se ungerecht behandelt. Alles immer kacke. Der Staat hier, die Regierung da. Verarscht fühlen ist das neue 20.", schreibt die kuchenbaeckerin auf ihren Blog.


Je nach Blickwinkel kommen andere Ursachen zum Vorschein. Schauen wir deshalb einmal nicht auf die Quelle, schauen wir darauf, wie der Fluss strömt.

Was die Psychodynamik hinter dem Geschehen ist

Das Gefühl, ich hätte eigentlich mehr verdient als ich kriege und dass ich benachteiligt bin, erfüllt psychologisch eine wichtige Funktion: Mit ihm schreibt man sich selbst eine Bedeutung zu, die größer ist als das, was einem von der Umwelt entgegengebracht wird. Man erhebt so sozusagen über sein Umfeld. Das ist eine alte Dynamik. Auf ihr beruht vieles.

Der Erfolg von Superheldencomics funktioniert aufgrund dieser inneren Dynamik. Tagsüber ein Playboy und Multimilliardär namens Bruce Wayne, der nichts als sein Luxusleben im Sinn hat, nacht aber ist er der gefürchtete Dunkle Ritter, der mit einem Cape und Fledermausoutfit die Bösen bestraft. Im Alltag Clark Kent, der etwas linkisch und ohne Charisma unbedeutend seinen Job macht, aber der in Wirklichkeit der Superman ist.

Es sind nicht nur Superheldencomics, die das aufgreifen. Letzendlich greift alles und jedes Produkt, was der eigenen Person einen höheren Wert zuteilt - werfen Sie einen Blick in die Werbung - diese inerne Dynamik auf.

Woher kommt dies Dynamik und was hat das für einen Zweck?

Psychodynamisch fußt das auf kindliche Allmachtsphantasien. Jeder von uns hatte die, das ist normal. Wir haben uns alle irgendwann vorgestellt, wir könnten fliegen oder hexen, waren als ehrenwerter Ritter, tapferer Indianer / Cowboy unterwegs, haben Tarzanfilme und andere Abenteuer- und Actionfilme mit unbesiegbaren Helden geguckt und uns mit den Protagonisten identifiziert.

Kinder brauchen so etwas. Es stärkt sie. Allerdings müssen diese Bilder mit zunehmenden Erwachsenwerden transferiert werden. Sie sind nämlich nicht real. Diese Psychodynamik brauchen wir zum Erwachsenwerden, müssen sie aber zurücklassen, wenn wir je mündig sein wollen.


Was passiert, wenn diese Entwicklung beeinträchtigt wurde?

Nicht jeder hat diesen letzen Schritt vollzogen. Als Konsequenz bleiben diese Leute der Psychodynamik eines Kindes verhaftet, und so sinnnvoll das war, als sie Kind waren, so sehr blockiert es sie jetzt als Erwachsener. Denn die innere Dynamik wirkt und sucht wieder etwas, das dazu geeignet sich, sich über andere zu erheben.


Jetzt haben natürlich Kinder ihre Spielewelten, ihre Puppen, ihre Freunde, mit denen sie aus der Realität abtauchen können. Erwachsene haben das nicht mehr, aber die innere Dynamik braucht ein Ziel, auf dass sie sich richten kann. Zum Beispiel reale Menschen.

Einmal sind es eben die faulen Hartz 4-Empfänger, dann die Sozialschmarotzer, dann die bösen Unternehmer, dann die Banker, dann die Politiker, dann die Osteuropäer, die von organisierten Banden hier als Bettler vorgeschoben werden und die nur unsere Euros wollen, dann die Griechen, denn Menshcen mit anderer Hautfarbe, sexueller Orientierung ... Die Reihe ist beliebig auffüllbar. Für einige sind es eben die Asylbewerber und Flüchtlinge.


Warum die "Ich bin ja kein Nazi, aber"-Darsteller wenig bis gar nicht erreichbar sind

Die Dynamik ist auch der innere Grund, warum rationale Argumente bei den Flüchtligshassern und "Ich bin ja kein Nazi, aber"-Darstellern nicht ziehen.

Überzeugen, debattieren, diskutieren sind Erwachsenenkategorien einer demokratischen Gesellschaft. Kinder sind dazu nur bedingt fähig. Sie müssen diese Fertigkeiten erst ausbilden.


Wer es nicht schafft und in dieser kindlichen Dynamik gefangen bleibt, ist mit Argumenten und Fakten schwer bis gar nicht erreichbar. Welches Elternteil hat schon die Erfahrung, dass vernünftiges Reden mit dem eigenen Nachwuchs immer auf Einsicht stößt?

Machteingriffe durch Rechtsmittel sind eine Sache. Sie haben ihren Platz bei Vorkommnissen, die in den Gesetzbüchern definiert sind. Aber so, wie sich Kinder und Jugendliche an ihrer Umgebung und ihren peer groups mehr orientieren als an der Vernunft ihrer Eltern, hilft bei Menschen mit kindlicher Dynamik wesentlich besser eine Zivilgesellschaft.


Joko und Klass haben vor kurzen davon Gebrauch gemacht. Hier in diesem Video



Ich weiß, was Hass anrichtet. 

Was Gewalt in unserem Gehirn anrichtet, darüber gibt es bereits einen post. Hass fördert Gewalt. Hass bläht die Nüstern, hat Schaum vor dem Mund und tritt nach etwas. Hass ist Vater / Mutter des Wunsches, Schaden zuzufügen oder zufügen zu wollen. Hass ist ein tödliches Bakterium für einen selbst und für die Umwelt. Ähnlich wie die Pest. Dagegen hilft kein Argumentieren. Auch Paragrafen nur bedingt.


Wir sind selber verantwortlich, was wir in unser Herz lassen und wie unser Zugang zur Welt ist.
Der Hashtag #mundaufmachen ist meines Erachtens deshalb verdammt gut gewählt.


Quellen:

  • hier der Artikel über Empathiemangel als neue Geißel
  • die Meldung des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes
  • hier der post der kuchenbaeckerin

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