10. Juli 2021

Rassismus in Deutschland - Black Lives Matter ist tot oder Kassenpatient, der auf seinen Rollstuhl wartet

Black Lives Matter ist tot, aber Kassenpatient, der auf seinen Rollstuhl wartet. Zumindest den Eindruck machte die letzte Demo am Brandenburger Tor. Denn von den eh spärlich erhofften angemeldeten 2500 Leuten kamen weniger als die Hälfte. Erklärung? Einiges liegt im Antirassismus selbst. Sagt eine Studie.


Vor einem Jahr war Rassismus das Ding in den Medien. Gefühlt jeder Sender quetschte sich eine Talkshow oder einen Beitrag aus dem Budget, um die Botschaft loszuwerden, was alles auch in Deutschland schief läuft. 

Der gewaltsame Tod von George Floyd durch einen Polizisten am 25. Mai 2020 in Minneapolis löste eine Protestwelle in den USA aus, die kurze Zeit später auch nach Europa und in andere Weltregionen überschwappte. Floyds Tod diente als Katalysator für eine beispiellose Diffusion von „Black Lives Matter“-Protesten und als Anlass, Polizeigewalt und Rassismus zu skandalisieren.

So schreibt die wissenschaftliche Studie, die die Bewegung in verschiedenen Ländern Europas vergleicht. Dass etwas schief läuft, weiß ich aus der Erfahrung einiger meiner Klienten. Aber ein Jahr später ist das in Deutschland wohl kein großes Thema mehr. Oder es war es einfach noch nie.

Nur zum Bergleich:

In Polen waren es weiße Aktivisten, die Black Lives Matter organisierten, in Deutschland dagen überwiegend junge Frauen mit schwarzer Hautfarbe. Manche dieser Gruppen, so die Studie, verweigerten interessanterweise weisse Aktivisten und Aktivistinnen, daran teilzunehmen. Also: Demonstrieren gegen Ungleichheit aufgrund Hautfarbe und gleichzeitig eine andere Hautfarbe ausschließen.

In Italien und Dänemark warf man den Blick stark auf die Migrantinnen und Migrannten, was ja auch als Folge der nicht nicht lange zurück liegenden Flüchtlingskrise Sinn macht. Die Aktivistinnen in Deutschland dagegen interessierten sich für diese Gruppe überhaupt nicht. Selbst-Organisationen von Migrantinnen und Migranten mussten ähnlich wie weisse Aktivistinnen- und Aktivisten-Gruppen draussen bleiben. Entsprechend seltsam wurden die deutschen Organisatorinnen von Black Lives Matter aufgenommen. Auch die Schweigemärsche hatten ihre eigene Problematik. Aktivistinnen und Aktivisten bildeten Gegendemos mit dem Motto "Silence is not the answer".

Dazu kommt, dass die Rassismus - Debatte längst diffiziler geworden ist. Der bisher kleinste gemeinsame Nenner, Rassismus verabscheuungswürdig zu finden, bröckelt. Denn erstens gibt es bei einer solchen Einstellung kaum Gegner, entsprechend aber auch wenig Mobilisierungspotential. 

Zweitens gibt es beim Thema "systemischer Rassismus" eine breites Spektrum an Sichtweisen, die nicht unbedingt miteinander kompatibel sind und entsprechend nicht einigend wirken. Sieht zum Beispiel die
Critical Race Theory Rassismus als eine in einen allen gesellschaftlichen Prozessen inhärente Dynamik, also selbst Schulnoten, kogitive Wahrnehmung, Dating und Verarbeitung jeglicher Information als rassistische Verzerrung, so betonen andere konkrete Probleme wie Wohnungsfindung, Ausschluß von Veranstaltungen etc. Dagegen aber hilft die Critical Race Theory herzlich wenig. Die Diskussion ist nicht nur unübersichtlich, die Gruppen lassen sich auch gegenseitig alleine.

Womöglich liegt es aber auch daran, dass sich das Thema in Deutschland anders gestaltet als in den USA. So ist hier der Anteil der Personen, die ausländerfeindlichen Meinungen beipflichten, bei 16, 7 Prozent, jedoch der Anteil der Deutschen, die den Islam als Bedrohung ansehen liegt bei 52 Prozent. Das Thema "Hautfarbe" scheint also hier nicht so dominant zu sein wie in Amerika, wo zuweilen der Eindruck entsteht, Rassismus ohne Hautfarbe zu denken, sei schlicht unmöglich. Möglichwerweise ist es dieser Unterschied, der dazu führt, dass 42 Prozent der Meinung sind, Menschen mit schwarzer Hautfarbe seien in Deutschland zu empfindlich.

Was immer das Interesse an den Black Lives Matter - Themen hat abklingen lassen, vieles davon ist wohl hausgemacht. Es drängt sich der Eindruck auf, die Organisatoren und Organisatorinnen der Demos richteten sich eher nach den Gesetzen der Instant-Aufmerksamkeitsökonomie als dass ein ehrlich langfristiges Interesse zutage getreten ist. Zur Zeit bringt Gender-Gerechtigkeit einfach mehr Klickzahlen und Schlagzeilen. Black Lives Matter hat seinen Rollstuhl bekommen. Von alleine scheint es nicht mehr marschieren zu können.


Quellen:

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