Starktregen ist das neue Wort. Im Gefolge sind Überschwemmungen, die Vernichtung von Existenzen, horrende Kosten und das Gefühl der Hilflosigkeit. Kommen wir da wieder unbeschadet raus? Nein, denn solche Ereignisse wie in den letzten Tage machen etwas mit unserer Psyche. Was? Dem gehen wir im folgenden Post nach.
Vielleicht wird unsere Zeit einmal in die Geschichte eingehen als das Zietalter der Erschütterung. Wir scheinen uns von Katastrophe zu Katastrophe zu hangeln. Knapp zwei Jahre hat jetzt Corona unser Leben bestimmt. Das Virus hat zu Unruhen geführt, zu Streit, Beschimpfungen und Verleumdungen. Windige Geschäftemacher nutzten ihre Chance, Profit daraus zu schlagen, genau wie Tech-Unternehmen ihren Vorteil daraus zogen. Großkonzernfreundliche Politik stand neben behördlicher Missgunst gegenüber kleinen und mittleren Selbstständigen. Wir sahen viele verzweifelte Leute, die nicht wissen, woher das Geld für ihre Unkosten und ihren Lebensunterhalt nehmen. Seit den Überschwemmungen der letzten Tage sehen wir noch mehr davon.
Die empirische Forschung zeigt, dass die Annahme, im Angesichts einer Katastrophe feiern Egoismus, Schock, Panik, Kriminalität aufgrund einer "jeder-ist-auf-sich-gestellt-Haltung" ein Märchen ist. Ein Märchen, das sich wacker hält, aber ein Märchen. Vielmehr dominieren Kooperation und Solidarität. Was nicht heisst, dass Phänomene wie Plünderungen auftreten können, sie sind jedoch viel seltener als angenommen. Statt dessen treten bisherige Konflikte in den Hintergrund, Menschen versuchen, wichtige Informationen zu bekommen und geben diese auch an andere weiter. Sie suchen, wo sie aktiv werden können und packen an. Katastrophen bringen immer auch das Beste in uns zum Vorschein.
Doch was passiert, wenn Katasttrophen dicht aufeinander folgen?
Wir wissen, dass die Erfahrung, die eigene Existenz zu verlieren, ein einschneidendes Erlebnis ist. Das eigene Sicherheitsgefühl, unabdingbar für ein beherztes Umgehen mit den Herausforderungen der Welt, ist erschüttert. Selbst nach Jahren wollen Betroffene oft nicht darüber sprechen. Es ist selbst nach drei bis fünf Jahren die Katastrophe, die man am eigenen Leib erfahren hat, für einen nicht vorbei.
Während nach außen hin alles funktioniert, findet hinter den Türen ein Verarbeitungsprozess statt, der zuweilen ohne Ende ist. Begleitet von Folgeschäden wie Alkohol, persönliche Konflikte, auseinanderbrechende Familien und Partnerschaften.
Schlagen noch weitere Katastrophen in die selbe Kerbe, verstärkt sich die Dynamik noch einmal. Persönliche coping-Strategien haben dabei genau so ein begrenztes Reservoir zur Verfügung wie die gesellschaftlichen Hilfsorganisationen. Irgendwann kommt jeder an seine Grenzen.
Erschwert wird es, weil die psychische Verarbeitung nicht selten erst Monate oder Jahre später einsetzt. Menschen brauchen zum Teil Jahrzehnte an Unterstützung, um nicht abzustürzen. Das muss sich eine Gesellschaft leisten mögen. Von der Wirtschaft ganz zu schweigen. Die dortigen Führenden scheinen mir sehr weit weg davon, ihren Teil dazu beitragen zu wollen. Und die Politik scheint kein Interesse zu haben, von ihnen einen Beitrag zur Solidarität einzufordern.
Das alles trägt langfristig dazu bei, dass sich eine psychische Dynamik entwickelt, die von Vorsicht, Zurückhaltung und Geschlossenheit geprägt sein kann. Die eigenen Zukunftsaussichten trüben sich ein. Das Leben steht unter missgünstigen Prognosen. Wer gerne von einer Spaltung der Gesellschaft spricht, hier findet er / sie die psychischen Wurzeln.
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