18. Januar 2020

Sadhguru - der Dummschwätzer und die Depression

Yoga, die Disziplin des Sadhguru
Mir sagte der Name Sadhguru bisher nichts. Eine Klientin hat ihn mir empfohlen, weil sie ihn so toll findet. Man möge mir verzeihen, aber mein akademischer Fachbereich ist die Psyche (ich hab auch noch andere geisteswissenschaftliche Abschlüsse), von Yoga - Sadhguru ist anscheinend ein Yogi - verstehe ich nichts.
Also habe ich ein Video von ihm angeschaut. Nicht über Yoga, denn Yoga ist nicht mein Thema. Das Video ging darüber, was er über Depression sagt.


Mein Urteil:
Was immer er sonst ist oder was für Verdienste er hat ... aber in diesem Video ist er vor allem eines: ein Dummschwätzer. Warum? Weil er so typischen Esoterikmüll daherredet. Was damit gemeint ist und wieso dieses unfreundliche Urteil, das erfahren Sie gleich hier:

Gleich vorneweg: Auf google gibt´s über 21 Millionen Treffer zu "Sadhguru". Das sind über 21 Millionen mehr als ich in meiner kleinen Praxis erreiche. So gesehen ist das hier nicht einmal David gegen Goliath. Es ist bestenfalls Zwerg Nase gegen Goliath. Das ändert aber nichts in der Sache. Es geht auch nicht über Yoga, es geht auch nicht über Religion. Es geht um die Einordnung einer psyychischen Krankheit, wie man früher sagte (heute heisst das im Fachjargon "psychische Störung")

Nun spricht Sadhguru aber in dem Video über Depression und das wiederum fällt in mein Fachgebiet. Schauen wir mal rein:




"Wenn du in der Lage bist, eine Depression in dir selbst auszulösen ..."

Diese Formulierung Sadhgurus stellt klar, dass die Depression von der betroffenen Person selbst hervorgerufen wird. Ehrlich gesagt, ich kenne niemanden, der eine Depression selbst hervorgerufen hat. Ich kenne auch niemanden, der jemend kennt, der eine Depression selber hervorgerufen hat.
Wer einmal unter Depression gelitten hat, der weiß, Depression ist nichts, was man seinem ärgsten Feind wünscht.
Was Fachleuten an solchen Sätzen stört, ist, dass Leute wie Sadhguru das, was passiert, in die Person als ursächlich  verlagern. Das ist aber bestenfalls falsch, schlimmstenfalls manipulativ. Diese Leute personalisieren etwas, was fachlich gesehen nicht zu personalisieren ist. Ich versuch´s im Folgendem zu erläutern:

Unzulässige Generalisierung



Abgesehen davon, dass die Behauptung, nur eine geringe Zahl sei "pathologisch krank" und der große Rest ist "selbst kreiert", mit keinerlei empirischen Daten belegbar ist, muss man sich fragen:

klar denken!
Selbst wenn in meinem Körper oder in meiner Psyche etwas stattfindet, heisst das nicht, dass ich es selbst kreiert habe. In meinem Körper werden viele Dinge ausgelöst ohne mein aktives Zutun: Kontinuität des Atems während des Schlafens, Temperaturanstieg als Reaktion auf einen Virus und zig Dinge mehr (Mein Hausarzt hat mir einmal gesagt, dass in jeden  Moment über 1000 Dinge in meinem Körper ausgetauscht werden. Zellteilung, Stoffwechsel, Darmtätigkeit ... alles geschieht ohne dass ich es mache. Mein Organismus macht das ohne mein Zutun).


Genau so bringt auch meine Psyche Dinge hervor ohne mein willentliches Zutun. Die Tatsache, dass es in meinem Kopf passiert, dass es also in meinem Geist stattfindet, heisst medizinisch (und philosophisch) nicht, dass ich es auslöse. Das Unbewusste nennen wir seit Sigmund Freud diese Quelle, aus der es kommen kann. Aber das wusste die Menschheit von jeher. Nicht von ungefähr ist die Behandllung von Krankheiten durch Trancezustände mit die älteste Therapiemethode der Menschheit.

Es gilt der Grundsatz: Was ich nicht tue, tue ich auch nicht. Wen ich nichts auslöse, löse ich nichts aus. Nicht mit Sadhguru! Mit seiner Logik könnte, angewendet auf Verletzungen, auch sagen: "Wenn du in der Lage bist, nach einem Messerstich eine Blutung auszulösen ..."
So was ist in Wahrheit Quatsch. Es ist einem Weltbild ohne medizinische Kenntnisse geschuldet. Man redet über Dinge (hier ist es eben die Depression), über die man nichts weiß.

 
Die einzige Ausnahme, die Sadhguru zulässt, ist die genetisch bedingte Depression. Die löst man nach seiner Meinung nach nicht selber aus.

Aber wenn wir in seiner Denkweise bleiben würden, müssten wir behaupten: wenn ich schon selbst es auslöse (ob mein Unbewusstes ohne mein Zutun es tut, interessiert mich nicht), dann könnte man doch genau so sagen, auch wenn es meine genetische Prädisposition ist, bin es letzten Endes doch wieder ich, der das tut. Das wäre zumindest konsistentes Denken. Wieso macht Sadhguru also trotzdem hier eine Ausnahme? Keine Ahnung! Sadhguru trennt zwischen der Person und ihren Genen, vorher aber nicht aber zwischen Person und der psychischen Dimension. Das klingt nicht nur sehr willkürlich, sondern auch unreflektiert.

Sadhgurus logische und empirische Fehler



Hier haben wir, was man einen Kategorienfehler nennt. Sadhguru vergleicht in seiner Begründung normale Gefühlsausbrüche mit dem, was man Depression nennt, und das geht nicht. Das sind Äpfel und Birnen (Dank der neuen Neurologie können wir das inzwischen auch materiell im Gehirn veranschaulichen).


Also wieder: Sadhguru redet über etwas, ohne die psychologischen und medizinischen Kenntnisse zu berücksichtigen.



 Einfache Antworten auf komplexes Geschehen



Wenn es so einfach wäre, wie Sadhguru hier sagt, müsste jeder Choleriker in der Geschlossenen landen. Erstens aber tun das Choleriker nicht, und zweitens sagte Sadhguru vorher, wenn man starke Gefühle entwickelt, kann man nicht an einer Depression erkranken (was würde er sagen, dass Depression auch mit psychotischen Elementen, also wahnsinnig starken Gefühlen, einhergehen kann?). Das alles ist so simplifizierend, dass man als Therapeut wirklich ins Kopfschütteln kommt.

Depression ist nur für verweichlichte Mimosen



Damit sind wir bei einem seiner Hauptthemen angelagt: Depressive verursachen ihre Depression meistens selbst und der Grund ist: Sie wollen Aufmerksamkeit.

Das geballte Wissen
Ok, er hat wohl den Begriff "sekundärer Krankheitsgewinn" gehört. Leider hat er ihn nicht verstanden. Gemeint sind gesellschaftliche Vorteile, die dem Kranken aus seiner Situation erwachsen (z.B. Finanzierung durch Krankenkasse, Mitgefühl, Zuwendung etc.)
Der Begriff ist dazu da, zu erklären, warum Betroffene ihre Genesung hinauszögern oder in der Psychotherapie nicht genug motiviert sind, für ihre Genesung sich einzusetzen.


Grosses ABER: Der Begriff "Sekundärer Krankheitsgewinn" im fachlichen Sinne ist nicht dazu da, zu erklären, warum jemand krank wird. Genau das sagt aber Sadhguru hier. Sadhguru versteht nicht, was der Begriff wirklich meint, nutzt ihn ihn, um die eigene (falsche) Ansicht über Depression zu stützen. Grosser Fehler!

Sadhgurus kanzelt Betroffene ab

Des Weiteren illustriert Sadhguru mit Anekdoten oder weiteren Ausführungen, wie das Krankeitserschaffen, um Aufmerksamkeit zu bekommen ("Wenn man die Klinik zu komfortabel macht, schafft man einen Anreiz, um krank zu werden"), schliesslich in eine klinische Krankheit führt. Zusammenfassend läuft der Prozess so:


Anschliessend sagt er noch, dass auf diese Art und Weise, ungefähr 70 Prozent aller Krankheiten auf diesem Planeten so verursacht sind. 70 Prozent aller Krankheiten? Holy shit!!! Also auch Krebs, Autoimmunkrankheiten (es sind über 3000 davon der Medizin bekannt), grippale Effekte, Akne ...?


Sie glauben, ich veräpple Sie? Nein, denn diese Sachen gehören mit zur Liste der am weit verbreitetsten Krankheiten. Sorry, Sadhguru, aber damit bin ich raus. Wer kauft solchen Unfug?



Antwort: Leider scheinen eine Menge Leute Unfug zu kaufen. Ich hoffe, Sie gehören jetzt nicht dazu. Fall noch nicht, dann sollte Sie das am Ende überzeugen:


Die Quintessenz von Sahguru: Sei nicht so bequem, beweg deinen A.... und verordne dir mehr Selbstdisziplin. Dann wirst du nicht oder nicht so lange krank werden. Das funktioniert selbst bei schwersten Infekten.

Ja, Sadhguru, erzähl das den über 1600 Leuten, die in diesem Jahr an Ebola draufgegangen sind. Oder erzähl das den Medizinern, die den Ausbruch trotz aller menschlicher Anstrengung nicht in den Griff gekriegt haben. Oder erzähl es deren hinterbliebenen Frauen, Männern, Kindern ... oder den Kindern, die im Säuglingsalter an Knochenkrebs sterben, erzähl das den Leuten, die an einem Lock-In zugrunde gehen ...

Mein letztes Fazit:

  • Dieser Sadhguru ist offiziell Yogi - dazu kann ich nichts sagen
  • Sadhguru mag von mir aus Mystiker sein, wie manche ihn nehmen - ein Urteil steht mir darüber nicht zu
  • Bestsellerautor, wie er auch genannt wird, ist er sicherlich - bei über 21 Millionen google-Einträge kann man sich die Überprüfung wahrscheinlich sparen
  • Ich sage: Sadhguru sollte bei dem bleiben, von dem er was versteht. Von Depression versteht er jedenfalls nichts und seine Argumentation ist nicht Wert, eine solche, genannt zu werden. Es ist nur jene Art von Dummheit, die mit manchen esoterischen Figuren eben einhergeht.

Diese esoterischen Figuren sagen dir, du musst nur richtig Denken, dann wirst du das oder jenes nicht erleiden. Denn schliesslich erschaffen wir alles, was uns begegnet, ja selbst.
In Wirklichkeit sind die Palliativstationen voll von Leuten, die, hätten sie die Wahl, jetzt noch nicht dort sein wollen.

Sadhgurus Weltanschauung bezüglich Depression ist nur einen Katzensprung von der Bestellung vom Universum entfernt: Wenn das Universum dir halt keinen roten Ferarri nebst Großraumhütte auf der eigenen tropischen Insel mit Champagnerkeller und 10 knapp bekleideten und willigen Bikini-Mädchen schenkt, dann bist du halt nicht mit der richtigen Einstellung an die Sache rangegangen. Denn alles, was passiert, hast du ja selbst erschaffen.


So simpel gestrickt kann man im Kopf sein. Solche Leute sollten mal ein Fachbuch lesen, alt genug wären sie ja. Sorry, aber diese esoterische Dummschwätzerei geht mir auf den Keks.

Quellen:

  • Das ganze Video von Sadhguru gibt es hier zu sehen

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