Was mich an den Presseberichten immer die Stirn runzeln lässt ... hier ein paar für mich interessante Passagen. Vielleicht fällt dem geneigten Leser auch auf, was daran zu denken gibt:
Diesmal scheint es sich also nicht um einen Wunderheiler zu handeln, sondern um einen Heilpraktiker, der mit Hypnose als Methode arbeitet. In Hypnose soll er dann seiner Patientin einreden gewollt haben, dass sie und er Pornostars seien, die jetzt für einen neuen Film üben müssten. Soweit die Zusammenfassung des Tatbestands. Der nächste Satz des Artikels lautet:
"Seinen Anweisungen folgte die Frau aber nicht."
Dann beginnt der nächste Absatz:
"Der 62-Jährige aus Wegberg steht wegen versuchter sexueller Nötigung zulasten einer willenlosen Person vor dem Amtsgericht Erkelenz."
Die Behandlungen der Frau bei dem Heilpraktiker erfolgten 2015 und 2016. Da sie nach mehreren "Sex-Alpträumen"einen Verdacht hegte, machte sie heimlich 2017 auditive Mitschnitte in der Sitzung.
Das wars letztendlich inhaltlich. Unter den Kommentaren der Leser unter dem Artikel ist einer, der wissen will, dass das Urteil ein Jahr und zehn Monaten Haft auf Bewährung lautete, im Artikel selbst steht nichts.
Aber was ist davon zu halten? Mein Kommentar:
- Die Anklage "Nötigung zulasten einer willenlosen Person" ist fachlich nicht haltbar. Willenlosigkeit und Hypnose geht genau so zusammen wie Wasser und Öl: Nämlich gar nicht. Wenn das die Anklage wirklich war, dann hat hier die Iuristerei fachlichen Nachholbedarf.
- Tatsächlich widerspricht sich der Artikel in diesem Punkt selbst. Denn der Satz "Seinen Anweisungen folgte die Frau aber nicht." ist doch genau der Beweis, dass sie nicht willenlos war, sondern selbstbestimmt das tat, was sie wollte, beziehungsweise nicht wollte. Der Vorwurf wäre also hinsichtlich des Zustandes ihrer Person hinfällig (das ist keine Verteidigung des Angeklagten übrigens)
- Auch die Tatsache, dass sie durchaus in der Lage war, Gegenmassnahmen (heimlicher Audiomitschnitt) zu ergreifen, was bedeutet, dass sie sich bewusst der Situation und dem vermuteten Täter ausgesetzt hat. Das zeugt von einem wachen Geist, von Risikokalkulation und von einer Risikobereitschaft. Hilflos war sie keineswegs.
- Falls es sich also so abgespielt hat, und zumindest muss, wenn der eine erwähnte Kommentar Recht hat, das Gericht dem in irgend einer Weise gefolgt sein, so liegt fachlich eine grobe Falscheinschätzung des Hypnotiseurs vor. Es gilt nämlich wirklich als ausgemacht, dass Menschen in Hypnose nichts tun, was ihren Grundüberzeugungen widerspricht. Eigentlich sollte jemand, der therapeutisch arbeitet, seine Klienten soweit kennen, dass er einschätzen kann, was geht und was nicht.
- Nach dieser eher "technischen" Bewertung abschliessen: als jemand, der therapeutisch arbeitet, hat man von fachfremden Handlungen, Emotionen, Gedanken - dazu gehört auch das Sexuelle - Abstand zu halten, um es einmal unterkühlt auszudrücken. Mehr brauche ich dazu hoffentlich nicht schreiben. Wenn doch - bitte die Kommentarspalte benutzen.
- Was in dem Artikel noch komisch "rüberkommt" sind die Jahreszahlen. Wann erfolgte denn der Tatbestand? 2015? 2016? Die Tonmitschnitte sollen erst 2017 gemacht worden seien. Warum dann erste 2019 der Prozess? Dass die Klägerin sich so lange nicht getraut hat, stelle ich hier erst mal zurück, denn das von ihr geschilderte Vorgehen ist eher ein Signal für rationale Planung, strategisches Denken und ein mutiges Vorgehen, wie schon oben erwähnt. Es ist nicht sehr wahrscheinlich, dass man das alles auf sich nimmt, um dann die Aufnahmen, die den eigenen Anfangsverdacht bestätigen, jahrelang in der Schublade zu lassen. Hier fehlen für mich im Artikel einige Angaben.
- Das Dumme für die Hypnose ist einerseit, dass ein Heilpraktiker sich wohl auf die schiefe Bahn begeben hat. Nun, unabhängig von diesem Fall und seinen Beteiligten: in der Ärzteschaft sind wesentlich schlimmere Fälle bis hin zur organisierten Kriminalität in Deutschland bekannt geworden, bei Krankenschwestern und Pflegern geht es sogar bis zur bewussten Tötung von Patienten. Dagegen ist dieser Fall, bei dem ausser Alpträume wohl nichts passiert ist, eher harmlos. Und doch haben die kriminellen Taten der Ärzte, Krankenschwestern und Pflegen dem medizinischen Bereich langfristig nicht so geschadet. Ähnlich wird es hoffentlich auch hier sein.
- Andererseits ist im Artikel wiederum von der "dummen" Verkettung zwischen Hypnose und Willenlosigkeit die Rede. Immerhin widerspricht der Artikel durch seine knappe Schilderung des Tathergangs diesem Vorurteil. Leider muss man dies aber zwischen den Zeilen lesen. Dem unaufmerksamen Leser oder jemanden, der von Hypnotherapie wenig bis gar nichts versteht, kann dies leider entgehen. So gesehen: Ein bisschen etwas von Hypnotherapie zu verstehen, wenn man darüber schreibt, wäre gut.
verwendete Quellen:
- Der Artikel über Hypnose und Pornoaktivität
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