19. August 2019

Es war einmal in Hollywood oder: Charles Manson und wie man Menschen manipuliert

Vor 50 Jahren wurden in Hollywood sechs Menschen in einer Art Gewaltrausch abgeschlachtet, am
Tag darauf ein Ehepaar ermordet. Aufgrund des neuen Tarantino-Filmes ist dieses Verbrechen wieder aktuell und mit ihm der Drahtzieher, der hinter den Täter Susan Atkins, Charles Watson, Patricia Krähwinkel und Linda Garrison stand und bis zu seinem Tod berüchtigt und bekannt war: Charles Manson.
Doch wie bringt man Menschen dazu, Mitmenschen zu töten, darunter eine im achten Monat schwangere Frau und anschliessend mit dem Blut „Schwein“ an die Wand zu schreiben? Die psychologische Wahrheit ist: Manipulation ist gar nicht so schwer.


Charles Manson - Horrorgestalt und Manipulator

Die Geschichte
Charles Manson ist seit zwei Jahren tot. Bei Normalbürgern und in Hollywood löste er Entsetzen aus, bei Rassisten und Nazis wird er bis heute verehrt.
Als Ableger der Hippies der 60er Jahre gründete er seine eigene Kommune, die sich „The Family“ nannte und in die Geschichte als „Manson Family“ eingehen sollte. Über 100 Mitglieder sind namentlich bekannt, der Kern bestand jedoch aus ungefähr 20 Leuten, überwiegend jungen Frauen, meist aus problematischen Familienverhältnissen. Dabei galten Frauen bei Manson als Dienerinnen des Mannes, „Negermusik“ (wie die von Jimi Hendrix) war verboten und Mitglieder der Family konnten nur Weisse sein, galt es doch, sich von der minderwertigen Rasse der schwarzen Bevölkerung sich abzugrenzen, deren Bestialität zu eine Art Armageddon führen würde, aus dem heraus er, Charles Manson, jedoch als Weltenbeherrscher hervorgehen würde. Den Höhepunkt seiner Weltanschauung bildete 1968 seine Behauptung, er selbst sei die Reinkarnation von Jesus und des Satanisten Aleister Crowleys. Stellenweise soll er sich auch als Satan selbst verstanden haben.

Unwillkürlich kommt bei so etwas der Gedanke auf, wer solches Zeug denn glauben soll. Doch leider gibt es eine psychologische Einsicht:


Wenn die Beziehungsebene zwischen Menschen tragfähig ist, dann kann man sehr viel machen.



Und Charles Manson machte das Ungeheuerliche:

Als das prophezeite Armageddon 1969 nicht eintrat, verkündete er, dass man dem eben nachhelfen müsse, indem man Chaos und Angst in die wohletablierte Gesellschaft trug. Heute würde man sagen, es war ein terroristischer Akt. Er gipfelte in den sogenannten Tate-Morden im Anwesen des Regisseurs Polanski und tags darauf im LaBianca-Doppelmord. Es waren nicht die ersten Morde, aber in ihrer Brutalität und Massenabschlachtung von Menschen die wüstesten.

Die Täter wurden verurteilt, Charles Manson als Anstifter und Drahtzieher ebenfalls. Die Motive waren vor Gericht nicht so ganz klar, und Manson bestand auch nachher noch darauf, dass er Sharon Tate, ihr ungeborenes Baby, ihre Freunde und den zufällig anwesenden Studenten nicht getötet hatte, ja, er überhaupt nicht anwesend war am Tatort. Was der Wahrheit entspricht. Er war der "nur" Manipulator im Hintergrund. Die Beweisführung seiner Schuld war deshalb komplizierter.

Charles Manson ist seitdem der Inbegriff dessen, wozu Menschen fähig sind und wozu man Menschen bringen kann. Angeblich zeigte sich sein Talent, Menschen zu manipulieren schon in der Schule, indem er Mädchen dazu brachte, andere zu verprügeln. Doch wie macht man so etwas?

Wir kennen die psychologischen Mechanismen, die wirkmächtig sind, zum Beispiel:

1. Bestätige die Einstellung deines Gegenübers und führe sie auf das nächste Level:

Wer sich wundert, warum ausgerechnet die jungen Frauen, zu denen Charles Manson sagte, sie hätten keine Seele und nur deshalb eine Daseinsberechtigung, um den Mann zu dienen, für immer neue Mitglieder für die „Family“ sorgten …  was diese Frauen taten, ist bei genauerem Hinsehen sehr logisch:

Aus problematischen gewaltorientierten Familienverhältnissen hatten sie genug Erfahrungen, dass de facto die Welt gegen sie ist, ihnen Schmerzen zufügt und ihnen deutlich eintrichtert, dass sie nichts wert sind. Manson bestätigt mit seinen Thesen nun ihre Weltsicht.

Das geballte Wissen
Jetzt ist es so, dass wir aus der Forschung wissen, dass unsere Einstellungen Teil unserer Identität sind. Unsere Weltsicht bietet uns Orientierung, wer wir sind und vor allem, wer wir in dieser Welt sind.
Hat jemand zum Beispiel zu einer bestimmten Partei oder Bewegung eine positive Einstellung, dann ist das bedeutend für ihn / ihr als Person. Leute, zu denen wir sagen, sie stehen uns nahe, haben nicht selten bei wichtigen Themen ähnliche Einstellungen wie wir. Mit anderen Worten: Ähnliche Einstellungen sind der unterscheidende Faktor, wer uns näher ist und wer nicht, wer zur sogenannten Ingroup oder zur fremden Outgroup gehört. Ändere ich meine Einstellung zum Beispiel zu der Partei oder Bewegung, kann das zu Problemen, schlimmstenfalls zu sozialer Isolation, führen. Ich muss mir  dann eine neue soziale Gruppe suchen, der ich mich zugehörig fühle, praktisch mein soziales Leben wieder von vorne beginnen.


Indem Manson sein Armageddon-Gewalt-Rassismus-Sexismus-Weltbild propagierte, bestätigte er damit nicht nur die Einstellung dieser jungen Frauen, er bestätigte sie gleichzeitig als Person. Und das ist eines der wichtigsten Elemente in einer tragfähigen Beziehung: wenn wir uns als Person angenommen und bestätigt fühlen.

2. Schaffe ein geschlossenes System

Die Manson Family wurde autoritär geführt. Es gab nur einen, der das Sagen hatte und dessen Botschaft strukturierte die Gruppe und brachte damit Stabilität und Orientierung. Wo Stabilität und Orientierung herrscht, da ist gut sein. Damit dies geschieht, ist es notwendig, dass die gemeinsam geteilte Weltsicht ohne gegenteilige Informationen auskommt. Informationen, die nicht in unser Überzeugungssystem passen, empfinden wir alle als Störfaktoren.

Das geballte Wissen
Die Psychologie spricht hier von „kognitiver Dissonanz“, der internen Spannung, die auftritt, wenn unser Leben unter gegensätzlichen und nicht vereinbaren Elementen verläuft.
Wir alle kennen das Gefühl, wie es ist, etwas zu tun, was uns eigentlich widerstrebt und wie es Energie kostet, über unser Empfinden hinwegzugehen, um es trotzdem zu tun. Oder wenn wir einen Job haben, den wir eigentlich verabscheuen. Oder wenn wir die berühmte gute Miene zum bösen Spiel machen. Es sind keine angenehmen Gefühle und von Natur aus versuchen wir dies zu vermeiden. Das ist die Ursache, dass wir Informationen, die etwas anderes sagen als das, was wir glauben, reflexartig negativ bewerten und zurückweisen. Sie sind dann „fake news“.


Manson produzierte ein geschlossenes Weltbild. Dessen Überzeugungskraft fusst nach dem genannten Punkt 1 vor allem darauf, dass es keine konträren Elemente aus der Aussenwelt zulässt. Da man jedoch nie alles abschirmen kann, was widersprüchlich ist, ist das Umdeuten eine wesentliche Aufgabe in geschlossenen Systemen. Durch all die so gewonnenen konsistenten Informationen entsteht Eindeutigkeit und damit Einfachheit. Beides kommt uns sehr entgegen, erleichtert es die Orientierung doch enorm.

Entsprechend ist es schwierig, Menschen aus geschlossenen Systemen herauszulösen, äusserst schwierig bis nicht möglich ist es, sie mit Logik und Fakten überzeugen zu wollen. Denn erstens sind Letztere ja nur in umgedeuteter Form für die Betroffenen akzeptabel und zweitens ist Logik ja bereits vorhanden. Zwar nur innerhalb des geschlossenen Systems, aber eben trotzdem da. Das Gegenüber auf logische Fehler aufmerksam zu machen, würde also nur bedeuten, im Endeffekt gegen Logik argumentieren zu wollen. Und das funktioniert auch ausserhalb von geschlossenen Systemen nicht gut.

Mit diesen zwei Mechanismen ist die Basis beschrieben, auf der die allermeisten Manipulationsmethoden aufsetzen:

  1. Nutze die Einstellung deines Gegenübers und führe sie weiter (so wird er Opfer seiner eigenen Werte und Glaubenssätze)
  2. Eliminiere Störungen
Der Rest ist geschickte Methodik.

Die Theorie der Sozialen Identität

Henri Tajfel und John C. Turner haben in der  Sozialpsychologie die Theorie der sozialen Identität entwickelt, die prominenteste Theorie, die vom Umgang von Gruppen untereinander handelt.

Das geballte Wissen
Für unsere Orientierung, wo wir in der Gesellschaft stehen, ist ist wichtig, zu wissen, wohin wir gehören. Wir alle teilen deshalb die Menschen unter bestimmten Aspekten ein und fügen sie zu Gruppen zusammen, zum Beispiel national (Deutsche, Franzosen …) oder nach Alter („Die Jugend“) oder nach Ausbildung („Wir sind ITler“), nach Geschlecht („Ich bin ein Mann / Frau“ etc.), nach sexueller Orientierung … die Möglichkeiten sind unzählbar. Mit dieser Einteilung geht ebenfalls eine Bewertung einher, wie wir zu dieser eingeteilten Gruppe stehen: Liegt sie mir fern oder nahe? Fühle ich mich zugehörig oder nicht?


Mit diesen Fragen ist letztendlich die Antwort auf die wichtigste Frage für uns verbunden: Wer bin ich eigentlich selbst? Was macht mich aus? Was gehört (unabdingbar) zu mir, was nicht? Es sind Fragen zu meiner Identität.

Untersuchungen haben gezeigt, dass bei einem direkten Vergleich der Gruppe, zu der man sich zugehörig fühlt, mit einer anderen Gruppe, die eigene immer ein Stück weit besser wegkommt. Und das völlig unbewusst.



Problematisch wird es dann, wenn offensichtlich ist, dass die eigene Gruppe gegenüber der anderen „abstinkt“; wenn also zum Beispiel kirchentreue Katholiken den priesterlichen Kindesmissbrauch nicht mehr leugnen können, weil alles zu offensichtlich und öffentlich geworden ist.

Was passiert dann?

Ganz einfach: Die Gruppenmitglieder suchen nach Strategien, die es möglich machen, dass bei einem Vergleich mit anderen, die eigene Gruppe wieder besser da steht.

Zum Beispiel suchen sich die Mitglieder der „schlechten Gruppe“ (unbewusst) andere Aspekten, durch die sich sich mit anderen Gruppen vergleichen können und mit denen sie besser dastehen als die Vergleichsgruppe. Ein (ungeschicktes) Beispiel ist derjenige Bischof aus Asien, der auf der vatikanischen Missbrauchskonferenz 2019 über die priesterlichen Missbrauchstäter gesagt hat: „Wir können sie doch nicht alle entlassen, es sind doch auch gute Seelsorger darunter.“

Es geht hier nicht darum, ob das ethisch oder moral schlecht ist, ob der Sprecher den Bezug zur Wirklichkeit verloren hat etc. Was wir hier haben, ist ein Wechsel der Vergleichspunkte mit dem Ziel, das schlechte Ansehen der eigenen Gruppe zu erhöhen, um seinen eigenen Selbstwert aufrecht zu erhalten. Das ist nicht egoistisch, das ist menschlich normal.


Manipulation ist bildhaft gesprochen nichts anderes, als unsere natürlichen Bestrebungen, sich selbst im Spiegel ansehen zu können, zu nutzen und in eine bestimmte Richtung zu lenken. Charles Manson war Meister darin.


In folgenden posts werde ich nach diesen grundlegenden Überlegungen ein paar Beispiele für Manipulationsmethoden aufgreifen. Es gibt sie wie Sand am Meer und sie werden in vielen Bereichen eingesetzt. Nicht immer zum Schlechten, wie wir sehen werden.

Weiterführende Infos:

  •  wer sich über Charles Manson weiter informieren will, hier eine arte-Doku

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