18. Dezember 2018

Was mir Hoffnung macht für 2019

Zu Weihnachten und zur Jahreswende nutze ich die Zeit, um wieder einen Ausflug in die Philosophie zu machen. Nicht so sehr, um dzu fragen, worum es an den Festtage geht. Sondern um an einen Mann zu erinnern, der sein Leben gegen einen demokratischen Staat gelebt hat - weil es richtig war.

Weil er ein Gespür für Recht und Unrecht hatte. Mit anderen Worten: Es geht um Werte. Irgendwie schon ein Weihnachtsthema.
„Wenn wir weise und ohne Eile sind, so erkennen wir, daß nur große und würdige Dinge ein dauerhaftes, absolutes Sein besitzen - daß kleinliche Ängste und Vergnügen nur der Schatten der Wirklichkeit sind. Darin liegt etwas ungemein Frohes und Erhabenes. Indem die Menschen ihre Augen schließen und schlummern und sich von Trugbildern täuschen lassen, stellen sie überall ihr tägliches Leben auf Gewohnheit und Routine ein, und dennoch ist dieses Leben auf reine Illusion gegründet. Die Kinder, die das Leben spielen, erfassen seine wahren Gesetze und Beziehungen besser als die Erwachsenen“

Wer dies schrieb, ...

... war weder Träumer noch verwirrter Philosoph. Tatsächlich bekam er ziemlich viel Prügel für seine Ansichten. So verlor er seinen Job und stand auf der Strasse - im 19. Jahrhundert eine noch unschönere Erfahrung als heute im 21.

Warum er rausgeschmissen wurde?

Nun, er war Lehrer an einer staatlichen Schule und hat sich geweigert, bei seinen Kindern im Unterricht die Prügelstrafe anzuwenden. Im 19.Jahrhundert hiess das Pflichtverweigerung im Job: „You are fired!“

Von der Pflicht, dem Staat die Steuern zu verweigern

Der Mann hatte Charakter. Von ihm stammt die Schrift über die Pflicht, dem Staat die Steuern zu verweigern. Was er auch tatsächlich selbst tat und prompt ins Gefängnis dafür wanderte. Wie gesagt, der Mann bezog Prügel für seine Überzeugung. Was ihn nicht daran hinderte, sie zu vertreten.

Ideengeber für Mahatman Gandhi

Mahatma Gandhi wird später seine Bücher als Inspiration benutzen und daraus seinen gewaltlosen Widerstand entwickeln, der am Ende das britische Empire in die Knie zwang.

Doch wer war denn nun dieser Mann, dem der Polizist, der ihn wegen seiner Steuerschulden abführte, anbot, seine Steuerschulden vorzustrecken und der dieses Angebot ausschlug und lieber für seine Überzeugung ins Gefängnis ging?

Mark Twain hat einmal gesagt:
"Wenn ein Mann ein Mann ist, dann kann man es auch nicht aus ihm herausprügeln."

Wenn das je auf einen konkreten Menschen zutraf, dann auf diesen.

Dieser Mann, der zum Ungehorsam gegenüber dem Staat aufrief, weil der Staat seine Steuern für amoralische Zwecke - der Finanzierung des Krieges gegen Mexiko und für die Förderung der Sklaverei - ausgab: Sein Name lautet Henry David Thoreau und Kennern ist er ein Begriff.

Sein Vermächtnis

Heutzutage reden alle Politiker und andere gesellschaftliche Instanzen von Verantwortung gegenüber dem Staat und dass jeder seine Steuern zu bezahlen hat, ist ohne jede Reflexion.
Übersehen wird, dass bei all dem eines immer mit läuft: Der Anspruch, dass sich doch jeder bitteschön in die vorgegebenen Bahnen einfügen möge. Die Schriften Thoreaus erinnern daran, dass Verantwortung etwas Besseres ist, als gesellschaftlichen und staatlichen Normen zu gehorchen.

Thoreau ist auch ein Zeuge, dass der Einzelne mehr Wert ist als seine gesellschaftlichen Konventionen. Dass seine Würde auch daraus besteht, sich selbst gegen die unreflektierten Vorstellungen zu verteidigen und genau nicht das zu tun, was diejenigen, die nicht nachdenken, als richtig darstellen.

Aber nehmen wir Deutschland als Beispiel: Deutsche sind wieder unter den Exportweltmeistern im Waffengeschäft. Wir liefern sogar an Kunden, die wiederum an terroristische Bewegungen liefern. Welcher Deutscher würde dazu aufrufen, dem deutschen Staat die Steuern zu verweigern, weil deutsche Waffen nach Saudiarabien geliefert werden? (Zur Zeit ist eine kleine Pause, wegen der Ermordung eines Kritikers des saudiarabischen Systems in einer Botschaft. Aber machen wir uns nichts vor. Waffengeschäfte bringen viel Geld. Und das lässt sich Deutschland langfristig nicht entgehen. Reden wir über Waffengeschäfte mit den Saudis in drei Jahren noch einmal.)

Wohl niemand. Falls es jemand täte, wäre die Wahrscheinlichkeit womöglich gross, dass andere Deutsche das Gesicht verziehen und veständnislos den Kopf schütteln und "Gefängnis!" schreien.

Die Frage ist weiterhin virulent

Wir leben eben in anderen Zeiten. Doch unter meinen Klienten gibt es Menschen, die genau die Frage stellen, die hinter Thoreaus Haltung steht: Welches Leben entspricht mir und meinen persönlichen Werten? Was davon kann ich leben und welches Leben lohnt sich überhaupt?

Gerade unter jüngeren Menschen, Berufseinsteigern, sehe ich, dass diese Frage wieder virulent wird. Es macht einen so alten Knaben wie mich ein wenig Hoffnung. Und das ist nicht der schlechteste Jahresabschluss.

 

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