25. April 2018

Wie funktioniert eine Krise? Wer es weiss, kommt besser klar!

Krise kann überall sein: Finanzkrise, Schuldenkrise, Beziehungskrise. Persönliche Erlebnisse wie Scheidung, Tod eine nahesetehenden Menschen, lösen Krisen in uns aus. Sie alle haben eines gemeinsam: Sie verlaufen nach einem bestimmten Muster.

Am Anfang steht ein Ereignis.

Um was es sich dabei handelt, ist so ziemlich egal. Der Anlass kann sogar banal für andere sein, aber der Betroffene erlebt eine schwere Erschütterung seiner selbst. Victor Frankl hat einmal geschrieben, eine Krise sei wie Gas. Sie fülle jeden Raum, der zu Verfügung steht, aus. Unser Kopf ist voll von dem, was passiert ist, die Gefühle sind mehr, als wir zu bewältigen uns in der Lage sehen. Wir sind psychisch stark angegriffen und körperlich angeschlagen.

Paradoxerweise sind es nicht nur Schicksalsschläge, 

... die uns in die Krise bringen. Auch positive Ereignisse können eine Krise auslösen.
Als ich zum Beispiel die letzte Examensprüfung an der Uni erfolgreich hinter mich gebracht hatte, passierte das, was den anderen Komilitonen ebenfalls zugestossen war:
Ich wusste auf einmal nicht mehr, was ich mit mir anfangen sollte. Ich ging in die Bibliothek, blätterte in Büchern, nur um festzustellen, dass ich ja eigentlich nicht mehr lernen musste. Ich traf mich mit Mitstudenten, aber die hatten entweder noch Prüfungen vor sich - und entsprechend anderes im Kopf - oder sie wussten auch nicht so recht wohin. Gleichzeitig fühlte ich auch zu erschöpft, um irgend etwas Neues anzufangen. Ich lief ich umher wie ein Schlafwandler, nicht wissend, wo ich hingehöre und was das Ganze überhaupt soll. 
Die Konzentration auf die erfolgreiche Prüfung hatte meinen Leben einen Sinn gegeben. Sobald das Ziel erreicht war, war auch der Sinn absolet geworden. Das ist der Kern einer Krise.

1. Phase: Schock

Die erste Reaktion ist Verweigerung. Es kann nicht sein, was nicht sein darf. Wir wiegeln ab, wir leugnen .... alles erscheint besser als die Erkenntnis, dass unser Leben, wie wir es bisher kennen, vorbei sein soll. Deshalb reagieren wir oft agressiv, wenn andere uns mit der Nase auf die Tatsachen stoßen. Oder wir brechen den Kontakt ab.
Aber das nützt nichts. Die Tatsachen bleiben. Damit es besser wird, müssen wir die Zerstörung, die das Ereignis in unserem Leben angerichtet hat, akzeptieren. Und niemand sagt, dass das leicht ist.

2. Phase: Aggression und Wut

Ist der Schock vorbei, stellt sich Wut ein. Wut auf den Schuldigen, der uns das angetan hat. Wut auf die Umstände, Wut auf diejenigen, die uns im Stich gelassen haben, Wut auf die Ungerechtigkeit der Welt ... Wut auf alles. Wut auch gegen sich selbst. Man verwünscht die eigene Leichtgläubigkeit, das eigene Handeln, beurteilt sich selbst als dumm, inkompetent, naiv ... wünscht sich, man wäre kompetenter, stärker gewesen, hätte besser auf die richtigen Leute gehört, seinem Instinkt vertraut, was auch immer.

3. Phase: Depression

Ist die Agression verpufft, man steht erschöpft und ausgelaugt vor seinem Scherbenhaufen. Man fühlt sich wie der ärmste Mensch auf dem Erdboden, hadert mit dem Schicksal und fühlt sich ohnmächtig. In dieser depressiven Phase ist der Betroffene nicht bereit, Veränderungen anzupacken. Zu sehr ist die Ausweglosigkeit im Zentrum des eigenen Erlebens.

4. Phase: turning point

Der Blick geht weg von der Aussichtlosigkeit der Situation und hin zu Handlungsmöglichkeiten. Statt "Wie ist die Lage?" rückt die Frage "Was kann man angesichts der Situation unternehmen?" ins Bewusstsein.

Jetzt beginnt man, etwas zu tun, was Wirkung zeigt, unabhängig davon, wo der Schaden groß ist. Ich kenne jemanden, der wegen dem Tod seiner Frau stark depressiv wurde und nicht mehr seine Wohnung verlies. Irgendwann fing er an, sich mit Dioramenbau zu beschäftigen. Trotz seiner depressiven Isolation beschäftigte er sich mit etwas, was ihn Neues schaffen ließ, was seine geistige Konzentration benötigte und ihn körperlich aktiv werden liess.
Bald wurden seine Dioraman komplexer, die dafür nötigen Pläne ebenfalls und er hatte wieder kleine Ziele, die er erreichen konnte. Er erfuhr, dass er etwas gestalten konnte. Er schuf sich ein Gegengewicht zu seiner depressiven Gefühlslage.

5. Phase: neues Selbstverständnis

In Zuge der Auseinandersetzung mit der Situation erführt man mehr über sich selbst. Man erkennt seine Stärken, aber auch seine Schwächen ... und man lernt, letztere zu akzeptieren. Wie überhaupt die ganze Situation. Man lernt zu unterscheiden, was zu ändern ist, und was nicht. Akzeptiert man letztere Dinge als gegeben, wird jetzt viel Energie frei.

6. Phase: Der Beginn des Neuen

Mit dem neuen Selbstbild wird zunehmend klar: zurück zu dem, wie das Leben einmal war, geht es nicht mehr. "Ich habe zu viel gesehen, als dass ich einfach so weiter machen konnte", ist das Resumée.
Wir müssen unser Leben, unsere Person neu ausrichten, die gewonnenen Erkenntnisse und Erfahrungen umsetzen. Es gilt, sich auf die erfahrenen Stärken zu besinnen und diese zu leben. Das heißt nicht, alles bisherige zu verlassen und komplett neu anzufangen - obwohl ich das auch schon erlebt habe.
Es bedeutet aber immer, sein Leben unter einem neuen Maßstab zu leben. Soziale Veränderungen sind dabei unvermeidlich. Die inneren Veränderungen benötigen auch eine Änderung im Äußeren. Das heißt, neue Ziele, neue Perspektiven und den Einsatz der gewonnenen Fähigkeiten darauf zu.

In Krisen lernen wir etwas über uns. 

Wir lernen, dass wir unser Leben selbst leben müssen und niemand es uns abnehmen kann. Wenn es "gut" läuft - sofern man das sagen kann - ,  lernen wir in der Krise, um Hilfe zu bitten und Hilfe anzunehmen.
Vielleicht lernen wir durch die Krise aber auch die wertvollste Lektion, die wir auf diesen Planeten lernen können: Dass unser eigenes Denken, unsere Lebensanschauung, unsere Überzeugungen keinesweg eine Wahrheit sind, nach der wir uns richten müssen.

Im Gegenteil. Wenn wir uns besser kennenlernen, erkennen wir, dass psychische Gesundheit und Glück nur zu erreichen sind, wenn wir unseren Werten gemäss leben. Die Krise lehrt uns, welche das sind.

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