11. Juni 2017

Neue Studie: Männer sind inzwischen gehorsam

©panthermedia.net/
Raul Franganillo Fernandez
Was würden Sie wählen: Verprügelt zu werden oder auf einen Teil Ihres Gehalts verzichten?
Ernest Hemingway war ein Meister in Fragen, die einen stutzen lassen - um anschliessend leicht der Versuchung zu unterliegen, solchen Fragen auszuweichen. Verständlich, denn tatsächlich geht es um das, was uns im Innersten angeht:
Welches sind deine Kernwerte und lebst du danach? Eine Frage auch der Psychologie, der Therapie und des Coaching. Das alles auf dem Hintergrund einer neuen Studie über Männer.

Die Studie

Die finnische Studie untersucht über einen längeren Zeitraum die Entwicklung von Persönlichkeitsmerkmalen bei jungen Männern.


Wir finden einen Flynn-Effekt für die Persönlichkeit - das heißt einen langfristigen Anstieg jener Persönlichkeitsmerkmale, die mit höheren Einkommen verbunden sind"


Jetzt folgt natürlich die Frage: Und was wären diese Persönlichkeitsmerkmale?

Im Ergebnis stiegen die Mittelwerte für "Selbstbewusstsein", "soziale Kompetenz" und "Führungsbereitschaft" bei jungen Männern in Finnland besonders stark, aber auch die für "Leistungsbereitschaft" und "Gehorsam". Lediglich beim Merkmal "Männlichkeit" war keine klare Tendenz zu erkennen.


Was schön zu sehen ist, dass jede Entwicklung Licht und Schatten beinhaltet. Sozialkompetent ist heutzutage nötiger denn je, denn die Lebenssituationen sind inzwischen fast überall komplex und berufliche fachliche Kompetenz allein kann diese nicht lösen.

Selbstbewusstsein, Leistungs- und Führungsbereitschaft heisst, dass sich niemand dieser jungen Männer auf irgendwelchen Lorbeeren ausruhen will. Meine Schwierigkeit ist die erhöhte Bereitschaft zum „Gehorsam“.


Vielleicht hat das damit zu tun, dass die Studie auf Angehörige der Armee zurückgreift. Vielleicht bin ich auch zu sehr in der Psychologie, die (allerdings sehr eindeutig) den Gehorsam, wie er tatsächlich gelebt wurde und wird, als krankmachend postuliert hat. Ich kann nur sagen, aus meiner Praxis heraus kann ich das bestätigen.
Womöglich sind es meine Erfahrungen mit Zen, das letztendlich nicht irgendwelchen Regelungen und Denkhierarchien das Wort redet. Vielleicht auch mein philosophier Hintergrund, weil Philosophie immer eigenständiges Denken fördert. Hannah Arendt zum Beispiel hat das anhand ihrer Zeit exemplarisch durchbuchstabiert.

Aber tatsächlich geht Gehorsam vor allem immer auf Kosten eines: Autonomie.

Das würde bedeuten, dass das Karrierebewusstsein und die Leistungsbereitschaft der jungen Männer sich auf Konzerne mit bürokratischer Linienorganisation kanalisieren würde. Denn es ist die Bürokratie, deren Massstab nicht das eigene autonome Selbst, sondern die Anpassung an unpersönliche Regelungen und Vorschriften mit ihren anschliessenden Routineverfahren ist.

Je grösser die Bürokratie ein Unternehmen prägt, desto weniger sind Kreativität und unternehmerisches Denken gefragt. Es gilt das Befolgen von Regeln, die von oben vorgegeben werden.


Stichworte wie „kooperative Führung“, Elemente wie Mediation, betriebliches Eingliederungsmanagement, die Existenz vonMitarbeitervertretungen und einem etablierten Gesundheitswesen etc. änderten an dieser Grundausrichtung gar nichts. Denn sie alle sind so strukturiert, dass sie den von oben (Gesetzbuch) vorgeschriebenen Regelungen Gehorsam leisten und anhand derer handeln. Auch hier ist unternehmerisches Denken unerwünscht.

Erfolg in einer Bürokratie ist synonym mit Anpassung.

Entsprechend ist Gehorsam natürlich ein Mittel der Karriere. Mit anderen Worten: Werden diese Männer also Bürokraten, denen Vorschriften aus der Verwaltung näher liegen als das Wohl ihrer untergebenen Soldaten? Begibt sich die Leitung der grossen Firmen in Zukunft komplett in die Hände von Bürokraten statt in unternehmerisch denkende Menschen? Bedeutet Karriere nicht mehr Kreativität, sondern Stromlinienform?

Wie würden wohl die Männer aus der Studie Hemingways Frage beantworten? Wie würden Sie sich eigentlich entscheiden?


Mark Twain hat einmal gesagt:


Wenn ein Mann ein Mann ist, kann man es auch nicht aus ihm herausprügeln.



Hemingway hätte das wahrscheinlich gefallen. Aber da haben wir das wieder, dieses Machohafte, dieses Testosteron eines alten Mannes mit einem Weltbild aus der Vergangenheit. Doch die Kritiker machen es sich äusserst einfach. Hemingway war selbst im betrunkenen Zustand nicht so eindimensional, dass er in bürgerliche Schubladen passt. Man findet wohl sehr schwer einen anderen Schriftsteller, der sich so sehr ins Leben geworfen hat wie er. Und er hat den höchsten Preis bezahlt, den es geben kann. Die Männer aus der Studie würden ihr Leben kaum so sehen.

Hemingway hat sich abgearbeitet an den grossen Themen Geburt, Tod, Liebe und Leidenschaft. Unsere obige Frage gehört eindeutig zum letzten. Es sind die Fragen nach dem, was zählt. Wie also würden Sie die Frage beantworten?

Was zählt in Ihrem Leben so sehr, dass Sie dafür durch Feuer gehen würden?


Quellen:

  • die Studie, auf der Bezug genommen wird, gibt es hier und hier ist noch einer der erschienenen Artikeln darüber

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