30. März 2017

Fünf Wege aus der Depression aus der Praxis für die Praxis

Depression - weit verbreitet in Deutschland
Über Depression gibt es viele Internetseiten. Aber der Einzelfall schaut im richtigen Leben dann immer anders aus als in den Ratgebern. Schon mein Ausbilder sagte damals, er habe noch nie jemand nach manual behandelt. Ich ebenfalls nicht. Ich tue mich leichter, denn mir wird von der Krankenkasse nichts vorgeschrieben.

Deshalb hier fünf Leitlinien aus der Praxis für die Praxis.

1. Depression ist nicht gleich Hormondefizit

Natürlich hat Depression etwas mit Hirnchemie und genetischer Veranlagung zu tun. Aber das hat Klavierspielen auch. Hirnchemie ist deshalb nicht das Entscheidende. Wichtig ist, herauszubekommen, welcher Gehalt in der Depression für einem steckt.

Depression heißt immer, es läuft etwas schief im Leben. Wenn es gelingt, herauszufinden, was dieses "was" genau ist, kann man die Depression auch nutzen: Für eine wirklich grundlegende Veränderung zum Besseren.


2. Selbst aktiv werden

Aktiv werden ist oft das Letzte, was einem als Betroffener möglich erscheint. Medikamente sind hier eine Unterstützung. Sie ermöglichen, dass man überhaupt wieder etwas tun kann. Sie alleine aber lösen nichts. Besser ist, etwas zu tun, was hilft, die Depression weniger intensiv zu spüren. Die Aktivität soll als Nebenwirkung die Gefühle gestalten. Bewegung zum Beispiel.

Meine generelle Erfahrung ist, dass dieser Vorschlag nicht auf Gegenliebe stößt, auch wenn er umgesetzt wird. Viele klagen, dass es nichts nützt. Ich bin da etwas salopp unterwegs (sorry, ich bin Systemiker, wir machen nicht immer "Dutschi-Datschi-Mausi-Schmusi-Kursi"), denn die Wahrheit braucht ab und zu jemanden, der sie auch ausspricht. Sie lautet:
  1. Es ist in einer Depression so, dass kaum etwas auf Gegenliebe stößt (freudiges Empfinden ist nicht eingebaut in der Depression) und
  2. auf Knopfdruck passiert bei einer Depression gar nichts. Das heißt, auch wenn es keinen Spass macht oder sich nichts verändert, mach es trotzdem weiter. Nicht das "ans-Ziel-Kommen" wird belohnt, sondern das Durchhalten. Es verändert sich was. Betroffene spüren es noch nicht. Aber es kommt. Schritt für Schritt.

3. Hilfe annehmen

Hilfe annehmen zu wollen ist Voraussetzung, um Hilfe zu bekommen. Zum Beispiel von Freunden. Oder von Leute, die so etwas machen wie ich. Bei uns kommt eben noch dazu, dass wir meist mehr wissen als der Durchschnittsbürger, weil wir uns mit dem Phänomen Depression intensiver auseinandergesetzt haben und meist mehr Kontakt zu Betroffenen haben als andere.


Wir können helfen, wenn Sie uns lassen.



4. Selbstfürsorge und Mitgefühl ist das Gebot der Stunde

Depressive behandeln vor allem einen Menschen ganz besonders schlecht: sich selbst:
  • sie sind ungeduldig, warum es denn nicht weiter geht, 
  • sie beschuldigen sich selbst, warum sie überhaupt in so einer Lage sind, 
  • sie werten sich selbst ab als jemand, der ja doch nur anderen Probleme bereitet
All das sind weit verbreitete Mechanismen in der Depression. Was hier zählt, ist Selbstfürsorge und Mitgefühl für sich selbst. Ohne diese zwei selbst verstärken sich die genannten Mechanismen die Depression. Deshalb muss man sie einsetzen.

Das schreibt sich leichter, als es umsetzbar ist. Denn einerseits legen wir Deutsche in der Erziehung nicht sehr viel Wert darauf, diese beiden Kompetenzen zu trainieren. Andererseits sind wir keine Maschinen, die sofort einen anderen Befehl ausführt, wenn sie den bekommt - es gibt bei uns eben keine "Enter"-Taste auf der Tastatur.
Es nutzt nichts, das Problematische abstellen wollen, es kommt es darauf an, gut damit umzugehen. Und gegen Leid - fremdes oder eigenes - hilft eines immer: Mitgefühl. Compassion.

Der Wert eines Menschen bemisst sich nicht daran, wie viel jemand für andere leistet. Es ist nicht das Ziel des Lebens, nützlich zu sein. Der Wert eines Lebens liegt in ihm selbst.



5. Immer nett ist nur der Depp

Den Umgang mit Aggression zum Beispiel lernt man nur durch Aggression selbst. Eine Umwelt, die hysterisch gackernd herumfuhrwerkt, wenn jemand agressiv wird und die Aggression als falsch und moralisch verwerflich brandmarkt, tut absolut nichts Hilfreiches. Genau so ist es mit Depression.

Wir alle haben das Recht auf alles, was wir fühlen. Das geringe Selbstwertgefühl in der Depression hat oft eine Ursache in einer nicht gut ausgedrückten Aggressivität. Folglich geht es auch darum, sich anders zu behaupten als bisher.


Nett, angepasst und lieb ist oft nicht hilfreich. Everybody´s darling = everybody´s Depp. Vor allem bekommt derjenige oft nicht, was er sich von seinem lieben Verhalten erhofft: Anerkennung und eine Gegenleistung für sein Nettsein. Deshalb geht es auch darum, eigene Wünsche zu äussern und in kleinen Schritten eigene Ziele zu verfolgen. Nicht selten zeigt die Depression nämlich, dass man gegen seine eigenen Werte und inneren Wünsche zu lange verstossen hat.


Depression ist weit mehr als nur eine biochemische Angelegenheit. Das hat den Vorteil, dass es viele Hebel gibt, an denen man ansetzen kann. Schritt für Schritt.

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