8. Dezember 2013

Arbeit essen Beziehung auf

Anerkennung
Anerkennung (Photo credit: ipernity.com/doc/d-f [hat Suckr verlassen])
Wie Männer und Frauen sich lieben, eine Partnerschaft führen, zusammenbleiben oder nicht, wird vor allem von einem gesteuert: dem Job.

Jede berufliche Veränderung hat in einer Gesellschaft, die überwiegend auf die Kleinfamilie setzt, existentielle Auswirkungen auf eben diese.
Muss der Partner wegen der Arbeit umziehen, was ist mit dem Anderen? Wochenendbeziehung und Pendeln, hohe zusätzliche Fahrtkosten und malträtierte Körper durch stundenlange Anfahrtszeiten inklusive?

Oder mitziehen und sich nach einer neuen Stelle umschauen, eventuell beruflich zurückstecken?  Ohne Frage: Ein Job ist in dieser Gesellschaftsform ein Risiko für unsere Beziehung.


Der Kampf um Anerkennung geht über den Beruf

Wer zu Hause bleibt, dem fällt irgendwann die Decke auf den Kopf. Familienarbeit oder Kindererziehung besitzen keinen flächendeckenden Stellenwert über Sonntagsreden oder Talkshows hinaus. Jedenfalls empfinden dies oft die zeitweilig zuhause Bleibenden. Es entsteht der Zweifel fest, ob man nicht doch berufliche Chancen versäumt und damit auch Möglichkeiten von mehr Anerkennung nicht nutzt.

Zahlreiche Lösungsweisen wurden in den Gesellschaften durchgespielt, ...

... um unter ihren Mitgliedern Anerkennung zu verteilen. Schließlich gewährleistet Anerkennung der einzelnen Leistung den gesellschaftlichen Frieden.

Als zum Beispiel mit der Industrialisierung die Trennung von Wohnort und Arbeitsplatz als Lebensform dominant wurde, gliederte man die Anerkennung für die jeweiligen Geschlechter auf und band sie an geschlechtsspezifisch Arbeitsbereiche:
  • Er war für das Einbringen der Finanzen zuständig, sie für den Haushalt. 
  • Er als Haushaltsvorstand und Außenvertretung, sie als Subsistenzwirtschafterin nach innen. 
  • Sie war damit für Liebe, Heim und Kinder zuständig, er für den materiellen Unterbau. 
Noch heute geistert die in diesem geschichtlichen Zeitraum entstandene Überzeugung herum, Frauen seinen von Natur aus emotionaler, einfühlsamer, gemeinschaftsorientiert etc.  Eine solche Überzeugung ist jedoch heute aber nur noch möglich, wenn man die Geschichte nicht kennt.

Prestigeobjekt "Job"

Jedenfalls kam in dieser Zeit seine Anerkennung von sozialen Status seiner Wirtschaftsleitung, die ihre von der geleisteten Geborgenheit für Heim und Kind.

Theodor Fontanes Titelheldin Effie Briest fiel noch in Schande, als sie sich ihr Geld durch eigene Arbeit erwirtschaften musste.

Noch 1929 forderte Virginia Wolf für Frauen ein eigenes Zimmer und ein jährliches finanzielles Auskommen. Vom Recht, Vorstand in einem Industrieunternehmen zu werden, war nie groß die Rede.
Auch heute existiert noch hier auf dem Land um meiner Stadt herum oft die Meinung: "Meine Frau muss nicht arbeiten". Dieser Satz (von heutigen Männern) hat seinen Ursprung in genau der Gesellschaftsform des 19. Jahrhunderts.

Prestigeobjekt "Finanzielle Eigenständigkeit"

Der Wunsch nach finanzieller Eigenständigkeit, ohne dem ein volles selbständiges Leben nicht möglich ist, kam erst später. Die Wirtschaft sperrte sich allerdings nicht groß. Zuweilen wurde Frauen (und Kinder) als Arbeitskräfte sogar bevorzugt. Sie waren nämlich billiger.

Ein weiterer Vorteil: Ein Unternehmen ist flexibler hinsichtlich Auswahl und Gehalt, wenn auf dem Arbeitsmarkt sich mehr Arbeitskräfte tummeln. Und das passierte natürlich spätestens, als Frauen flächendeckend und dauerhaft am Arbeitsmarkt auftraten.

Gleichzeitig beginnt ab den 60ern die klassische Einversorgerfamilie sich aufzulösen. Seitdem wurden die Arbeitszeiten flexibler, die Wechsel schneller, die Karrieren weniger berechenbarer. Die heutige Wirtschaftsweise wäre mit nur einem Geschlecht in der Form am Arbeitsmarkt nicht denkbar.

Ein riesengroßer Vorteil dieser Entwicklung: 

Diese Wirtschaftsform vernichtete all die massenhaften Ehen des Bürgerzeitalters, die nur noch durch Versorgungszwang zusammengehalten wurden und die kaum Spielraum für Lebensentwürfe neben der klassischen Aufspaltung in "Mann = Beruf", "Frau = Kinder, Küche, Kirche" zulies. Diese Ehen boten keinen Ausweg aus häuslichem und privatem Unglück, aber zementierten dafür Lebensläufe. Diesem gesellschaftlich "selbstbetoniertem Schicksal" wurde nun der Gar ausgemacht.

Der Preis: 

Für die Stabilität einer Beziehung sind seitdem die Erwachsenen in der Kleinfamilie ausschließlich selbst verantwortlich.

Ein halbes Jahrhundert nach den 60ern zeigt sich, dass die beruflichen Zwänge, die auf die Partner einwirken, nicht aufgehört haben. Auf beide Geschlechter kamen Doppelbelastungen zu. Der Mann hat sich ebenfalls und zusätzlich um Beziehung und Kind zu kümmern, die Frau jetzt zusätzlich um ihre Karriere. Beide bekamen sozusagen einen Zweitjob aufs Auge gedrückt.

Aber gleichzeitig die volle Familie und gleichzeitig die ganze Karriere geht nicht. Deshalb hielt man sich schließlich früher Dienstmädchen, Kindermädchen, nannys, Hauswirtschafterinnen, Fahrer, Diener etc. Wer das nicht konnte, dessen Kinder wurden halt beim Nachbarn, auf der Straße oder sonst wo groß.

Krippenplätze sind nicht für Kinder da

Heute versucht man die nanny durch Rechtsansprüche auf Kindergartenplätze wieder ins Boot zu holen. Allein es zeigt sich immer noch: Der Anspruch, Karriere plus gleichzeitig Familie voll gerecht zu werden, ist eine überfordernde Ideologie. Die Aufteilung, jeder ist mit gleichen Anteil für alles zuständig, ist dysfunktional. Spätestens wenn sich das eigene Baby auf alle politisch korrekten erstrittenen Gleichberechtigungsverträge pfeift und eben ständig Mamis Brust haben will, wenn es Hunger hat. 50:50 funktioniert nicht und hat nie funktioniert.

Und das mit dem Rechtsanspruch auf Krippenplätze? Ok, es gibt gute Krippen und schlechte Krippen. Aber nehmen wir mal an, alle Krippen wären exzellent … es bliebe das nüchterne Faktum, dass all die Krippenplätze ja nicht für die Kinder gemacht wurden.

Sie wurden errichtet, damit die Eltern der Firma und dem Arbeitsmarkt besser zur Verfügung stehen können. Nicht das Wohl der Kinder, sondern der wirtschaftliche Nutzen der Eltern war Pate dieser Entwicklung.

Das alte Thema Anerkennung

Der Wirtschaft ist es wichtig, dass qualifizierte Arbeitskräfte zur Verfügung stehen. Mutterschaft oder Elternzeit gelten als Unterbrecher und verursachen Kosten. Deshalb drängen viele Unternehmen auf eine möglichst kurze Zeitspanne.

Aber auch unter Frauen gelten nicht selten die Geschlechtergenossinnen, die für ihre Famlie und für Kindererziehung zu Hause bleiben als nur Mutter. Auch bekommt eine Frau mit vielen Kindern oft mehr Mitleid als Anerkennung. Elternschaft ist gesamtgesellschaftlich nicht sonderlich hoch auf der sozialen Leiter angesiedelt. Vielmehr sind es Beruf und Position, die zählen.

Erster Lösungsweg unserer Gesellschaft:

Da bloße Kosten-Nutzen-Rechnung an der eigenen Person die Anerkennung nicht geben kann, versuchen die Menschen, diese Lücke woanders zu schließen: in der Partnerschaft. Diese wird zu all dem, was in anderen Bereichen als zu kurz gekommen gefühlt wird. Entsprechend hoch werden die Erwartungen gesteckt.

Zweiter Lösungsweg unserer Gesellschaft:

Verzicht auf Elternschaft. Viele gut ausgebildete Frauen bekommen inzwischen deutlich später Kinder oder auch gar nicht.

Dritter Lösungsweg unserer Gesellschaft:

Inkaufnahme instabiler Beziehungsverhältnisse.

Alle Lösungswege zahlen einen Preis. 

Beim ersten Versuch kann der Partner die fehlende Anerkennung, das soziale Prestige einer gesellschaftlichen Ordnung nicht ersetzen (es sei denn der Geldbeutel ist wirklich prall gefüllt, und die eigenen Erwartungen an das Glück gehen nicht über das hinaus, was ein Preisschild trägt).

Der Zweite folgt entweder dem Alles-oder-nichts-Prinzip, der Dritte dem der seriellen Polyamorie.

Gibt es eine Alternative?

Ja. Sie besteht darin, dass wir uns lösen von der Abhängigkeit, uns überwiegend durch äußere Anerkennung wertvoll zu fühlen. Wir sollen sie genießen, wenn wir sie bekommen, wenn nicht, sollte uns aber nicht so viel fehlen, dass diese Lücke unsere wichtigen Beziehungen zerstört.

Anerkennung bei gleichzeitiger Unterschiedlichkeit

In seinem Buch "Respekt im Zeitalter der Ungleichheit" beschreibt Richard Sennett die erste Ebene von Respekt: die eigene abgesichterte und einer kritischen Prüfung unterzogene Überzeugung, dass die eigene Leistung gut war.
Er illustriert dies am Beispiel eines Musikers.

Der Musiker allein weiß vor allen anderen, ob seine Leistung gut war und dieses Wissen kann ihm niemand nehmen, egal was der Kritiker schreiben wird oder wie sehr das Publikum Applaus spendet. Es ist der gesunde eigene Maßstab, der, auf sich selbst angewendet, ein fachliches "objektives" Urteil fällt und daraus entsteht Anerkennung. Ohne diese, so Sennett, haben andere Formen des Respekts keinen Boden.

Die Entscheidung, wie sehr "eigene Anerkennung" und "Anerkennung durch andere" gewichtet wird, liegt bei jedem einzelnen. Den Schwerpunkt auf seinen eigenen Maßstab zu setzen, verleiht jedenfalls größere Unabhängigkeit. 

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