2. August 2013

Diplomatin verprügelt Anwältin - unser Umgang mit Gewalt

Kick Butt
Kick Butt (Photo credit: Teeejayy)
Die Nachricht war echt eine Schlagzeile Wert:

"Thailändische Diplomatin verprügelt Anwältin"

Was klingt wie aus einem Revolverblatt - gut, das Blatt ist ein bisschen wie ein Revolver - ist aber real passiert. In Ägypten.

Und wer Erfahrung sowohl mit dem Land hat, in dem es geschah, als auch mit dem Land der Diplomatin, dem erscheint eine solche Meldung durchaus im Bereich des Möglichen.

Das Geschehen kann aber aber auf einen wichtigen Grundsatz aufmerksam machen:
Welche Kompetenzen haben wir im Umgang mit Gewalt?

Ein Fall aus einem Buch

In seinem Buch "Giftzwerge" beschreibt Thomas Bergmann einen Nachbarschaftsstreit, der in eine Prügelei ausartet. Genauer gesagt: einer haut auf den anderen ein, dieser hält schön still und lässt sich prügeln - um dann vor Gericht eine hohe Summe Schmerzensgeld abzukassieren.

Das ist schon ziemlich abgebrüht. Der Betroffene setzt zumindest soviel Vertrauen in die Sache, dass der andere ihn nicht totschlägt.

Sich prügeln zu lassen, um dann Geld zu kassieren? 

"Krass!", hätten meine Jugendlichen früher gesagt.

Wir haben Gewalt an das staatliche Monopol abgegen. Unsere Fähigkeit, uns zu wehren, auch gleich mit?

Hier die Meldung aus Ägypten:

Eine ägyptische Zeitung berichtete, dass die Erste Sekretärin der thailändischen Botschaft in Kairo eine Rechtsanwältin erst beschimpft und dann verprügelt haben soll. Der Vorfall habe sich in einem Luxushotel ereignet. Die Anwältin zog sich dabei ein blaues Auge, eine Schnittwunde am Kopf, Kratzwunden am ganzen Körper und vier tiefe Bisswunden am Arm zu.
Die nicht ganz so diplomatische Vorgehensweise bezeichnete die thailändische Diplomatin als Notwehr.
Die Anwältin und ihr Ehemann sagten aus, die Thai sei betrunken gewesen, habe mit ihrer diplomatischen Immunität angegeben und habe Ägypten als das schlimmste Land nach dem Libanon bezeichnet. Daraufhin erkundigte sich die Anwältin nach dem Namen der Thai.
Die Antwort kam in Form von Beleidigungen und Fußtritten. Die Thai warf die Anwältin auf ein Sofa, trat sie mehrmals ins Gesicht und riss ihr Haarbüschel aus. Dann hat sie wohl auch noch mehrmals zugebissen.
Die Anwältin habe sich kaum gewehrt, ihr Ehemann sprach von einem „einseitigen Kampf.“Die Rechtsanwältin fordert eine Untersuchung auf Drogeneinnahme und ein psychologisches Gutachten, das erklären soll, weshalb die Diplomatin zur Kickboxerin mutierte.
Das sieht nicht so aus, als würde sich hier jemand Gedanken machen, dass er den anderen auch totschlagen könnte. So wie die Thai hingelangt hat, da weiß man, es geht hier nicht mehr ums Prügeln, eine solche Attacke will vernichten!

Und was zum Kuckuck hat der Ehemann gemacht? Dabeigestanden, während sie sich prügeln lässt? Haben die beiden eine SM-Beziehung, dass ihm so was gefällt? Warum hat er sie nicht verteidigt? Warum hat sie sich nicht vehement gewehrt?

Es gibt den alten Witz:
Richter zum Angeklagten: "Warum haben Sie nicht geholfen, als der Angreifer Ihre Frau verprügelt hat?"
Angeklagter zum Richter: "Ich dachte, das schafft der Angreifer alleine."
Witzig, solange keine Realität dahinter steckt.

Gewalt braucht einen klaren Kopf, sonst kommt man nicht dagegen an

Ich hatte einmal einen Auftritt im Hörfunk, in dem ich folgende Geschichte erzählte:
Weit weg von Deutschland, als ich eine Freundin besuchte, kam ich gerade dazu, als ihr jemand  Gewalt androhte. Der Typ stand unter Alkohol (meistens schon ab 10 Uhr früh) und ab Sonnenuntergang warf er sich noch ein paar Substanzen rein. Aus heiteren Himmel fing er an zu brüllen und da meine Bekannte die einzige war, die Englisch sprach, ging er wohl auf sie los.

Als ich auf der Szenerie auftauchte, war viel nicht nötig, denn mein Auftreten erweckte, wie mir die Umstehenden sagten, den Eindruck, ebenfalls vor Gewalt nicht zurück zu schrecken. Jedenfalls wirkte mein Erscheinen wohl als Abschreckung und die Sache ging gut aus. Ich muss sagen, ich war nicht auf Abschreckung aus. Ich war wirklich bereit, zuzuschlagen! Im Nachhinein empfand es es etwa wie im Kalten Krieg: Abschreckung funktioniert über eine gewisse Zeitspanne. Soweit die Geschichte.

Unter den Reaktionen, 

die ich bekam, fand sich auch eine Entsetzensmail von einem Polizisten, der unterstellte, ich riefe zur Gewalt auf. Viele Hörer hatten die Geschichte richtig interpretiert und so musste ich mir keine Sorgen daüber machen, ob ich die Geschichte vielleicht komisch formuliert hätte. Aber jemanden in die Schranken zu weisen, um jemand zu schützen, und das auch mit Gewalt, wenn es sein muss, selbst als Aufruf zur Gewalt umzudeuten, zeugt gelinde gesagt von einer sehr weiten Interpretationsfähigkeit.

Ich wäre nicht der Typ, 

der zusieht, wie seine Frau von einer Thai durchgeprügelt würde. Ich bin auch nicht der Typ, der sich prügeln lässt um nachher Kapital daraus zu schlagen.

Ich bin der festen Meinung:

Jeder Mensch hat das Recht und auch die Pflicht, sich zu wehren, wenn ihm Gewalt angetan werden soll. Es steht auch jedem gut zu Gesicht, anderen beizustehen, wenn ihnen das selbe widerfährt.

Es geht nicht um taktische Spielchen, es geht nicht um political correctness oder was man dafür hält.
Enhanced by Zemanta

3 Kommentare :

  1. ...sehe ich genauso , wer wegschaut ist ein Mittäter...Zivilcourage beweisen und einschreiten ist leider zu selten der Fall...

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  2. Mona4.8.13

    Ich würde es "unterlassene Hilfeleisung" nennen, das ist mit Blick auf das Opfer nach unserem Rechtsverständnis ein Straftatbestand. Sich in so einem Fall auf die staatliche Gewalt und evtl. nicht vorhandene Ordnungskräfte hinaus zu reden, dürfte u.U. einem untätigen Zuschauer später teuer zu stehen kommen, nämlich dann, wenn die Angegriffene schwer geschädigt oder getötet worden wäre. Bei nüchterner Erkenntnis, dass Alkoholeinfluss auf Seiten der Agressorin eine Rolle spielt, hätte der Ehemann daran denken können, dass mit Kontrollverlusten massiverer Art bei ihr zu rechnen ist. Man könnte in so einem Fall ja mindestens versuchen, die Streitenden voneinander zu trennnen. Oft genügt genügt schon ein unzweideutiger verbaler Appell an die Betrunkene, besser noch von mehreren Seiten, oder dass man versucht die Streitenden voneinander zu trennen und der Angegriffenen einen Rückzugsraum eröffnet. - Bei dieser Gelegenheit: Mir missfällt, dass man sich allzu gern nicht einmischt - leider auch bei uns - wenn Alkohol im Spiel ist. Dabei ist doch bekannt, dass sehr viele üble Grenzverletzungen und Straftaten erst unter Alkoholeinfluss zustande kommen. Selbst vor dem Strafrecht bekommt dann ein solcher Täter/eine solche Täterin milderne Umstände gerade wegen des Drogenkonsums (Unzurechnungsfähigkeit). Ist Drogenkonsum zu einer Art Freifahrtschein für Straftaten geworden?
    Mona


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  3. Ulrike M.4.8.13

    Du sprichst zum Stichwort "Unterlassene Hilfeleistung" nach §323c StGB. Der Grundgedanke hierbei ist, dass die in Notfällen gebotene mitmenschliche Solidarität innerhalb der Gesellschaft gewahrt werden soll. Ausgelöst wird die sogenannte „Jedermannspflicht zur Hilfe“ durch einen Unglücksfall, eine gemeine Gefahr oder eine die Allgemeinheit betreffende Notlage.Unter einem Unglücksfall ist jedes plötzlich eintretende Ereignis zu verstehen, das erheblichen Schaden anrichtet oder zu verursachen droht. Hierunter fallen zum Beispiel auch: Verkehrsunfälle, spontan einsetzende, sich steigernde Schmerzen innerhalb einer bereits bestehenden Krankheit, die plötzliche, unvorhergesehene Verschlimmerung einer Krankheit, der Selbstmord einer Person (vgl. „Krefelder Urteil“, BGH 3 StR 96/84). Hilfe muss allerdings nur geleistet werden, wenn dies erforderlich und zumutbar ist. Erforderlichkeit besteht dann, wenn ohne die Hilfeleistung die Gefahr eines weiteren (entweder vergrößerten oder sogar neuen) Schadens besteht. Die Zumutbarkeit ist einzelfallabhängig. Bewertungsmaßstäbe sind insbesondere die Gefahren für den Helfenden innerhalb der Notfallsituation, aber auch seine physischen und geistigen Kräfte. Beispiele: Einen nach einem Verkehrsunfall eingeklemmten Patienten fachgerecht zu bergen, ist für das Rettungspersonal physisch nicht möglich. Erforderlich gewordene, komplexe ärztliche Maßnahmen führen den Rettungsassistenten an die Grenze seiner geistigen Kräfte. Zu beachten ist ferner auch die erforderliche Qualität der Hilfeleistung. Beispiel: Auf der Fahrt zu einem Einsatz, bei dem ein Kind im Inkubator von einer Kinderklinik zu einer anderen verlegt werden soll, beobachtet die Besatzung einen schweren Verkehrsunfall. Die Hilfeleistung ist dort erforderlich, weil kein geeignetes Personal und Material schneller erreichbar ist. Sie ist auch zumutbar, da das Personal über Ausstattung und Fachkenntnisse verfügt (Stichwort: „qualifizierte Hilfeleistungspflicht“) und das zu verlegende Kind unter ärztlicher Aufsicht steht. Wenn erkennbar keine oder nur sehr leicht verletzte Personen aus dem Unfall hervorgehen, kann die Verständigung entsprechender Einsatzkräfte (Feuerwehr, Polizei) per Funk als Hilfeleistung genügen. Fraglich ist, ob das Unterlassen von Wiederbelebungsmaßnahmen den Tatbestand der unterlassenen Hilfeleistung verwirklicht. Dabei ist zu betonen, dass es sich bei der unterlassenen Hilfeleistung um ein Vorsatzdelikt handelt. Der Unterlassende muss erkennen, dass seine Hilfe erforderlich ist und er muss trotz dieser Erkenntnis die ihm zumutbare Hilfeleistung vorsätzlich verweigern.
    Soweit zum deutschen Rechtssystem, nachzulesen a.a.O. im Netz...

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