11. Januar 2013

Glück in der Liebe - warum das nichts mehr wird!

Jeder träumt einmal vom Glück in der Liebe. Schauen wir uns aber die Realität an, so finden wir viel Trauriges: Jede dritte Ehe in Deutschland scheitert, in Großstädten jede zweite. Alles Verbindungen, die auf Dauer hin gedacht waren, alles einzelne enttäuschte Hoffnungen, zerplatzte Träume. Warum ist das so? Neben vielen soziologischen Gründen gibt es aus therapeutischer Sicht eine spezielle Ursache: eine Weltanschauung, die wir in uns tragen und die nicht mehr richtig funktioniert. Aber Vorsicht, es wird etwas philosophisch!



"Etwas lieben können, was für eine Erlösung"

... schrieb einmal Hermann Hesse. Und viele verbinden insgeheim mit  "Liebe" eine große Hoffnung: dass mit ihr quasi wie mit einer "göttlichen Kraft", wir so ziemlich alles und jeden lösen und erlösen können und wir einen festen Hafen in unserem ansonsten von Wind und Wellen heimgesuchten Leben finden. Liebe soll unser Innerstes ausmachen, uns Halt und Substanz geben. Und das, ohne irgendeine Gegenleistung.

Ohne Liebe bin ich nichts. ... Die Liebe ist geduldig und freundlich. Sie kennt keinen Neid, keine Selbstsucht, sie prahlt nicht und ist nicht überheblich. Liebe ist weder verletzend noch auf sich selbst bedacht, weder reizbar noch nachtragend. Sie freut sich nicht am Unrecht, sondern freut sich, wenn die Wahrheit siegt. Diese Liebe erträgt alles, sie glaubt alles, sie hofft alles und hält allem stand. (Neues Testament)
"Wir haben gedacht, wir schaffen alles, mit Liebe schafft man alles" (Teresa Enke auf der Pressekonferenz, die zum Selbstmord ihresy Mannes angesetzt worden war)


Diese Vorstellung von Liebe ...

... hat uns tiefer geprägt, als es den meisten bewusst ist. Völlig unabhängig, ob jemand den zitierten Text kennt oder der dahinter stehenden religiösen Überzeugung anhängt.
Liebe impliziert, so unser allgemeines Verständnis, Rücksicht nehmen, von sich selbst absehen, sich zum Du hinwenden. Liebe ist Altruismus in reinster Form, zum Teil bis zur Selbstaufgabe. Entsprechend erwarten wir von dem, der zu unser "Ich liebe dich" erwidert, dass
  • wir mit ihm glücklich werden können, 
  • er uns bedingungslos so nimmt, so wie wir sind, und uns wertschätzt
  • er zu uns steht, ohne wenn und aber, 
  • er sich um uns sorgt und uneingeschränkt immer an unserer Seite ist, 
  • wir mit ihm eine gemeinsame sichere Zukunft gestalten können, 
  • er uns Trost spendet, wenn wir traurig sind, 
  • er mit uns lacht, wenn wir fröhlich ist, 
  • er uns gegen Angriffe schützt, wenn sie kommen
  • er unsere Bedürfnisse sieht und wahrnimmt
  • er seine Bedürfnisse zugunsten unserer zurückstellen kann und es auch tut

 Martin Buber erklärt sogar ...

... den Anderen, das "Du", wie er es nennt, als konstitutiv für das eigene "Ich". Entsprechend gibt es eine lange und tiefgreifende Tradition in unserem Denken, dass wir, um die Liebe zu finden, von unserem Ego absehen müssen, ego-los oder selbstlos sein sollen. Liebe und Ego vertragen sich nicht.

Was wir dabei vergessen: 

Dies ist (nur) ein Denkansatz, es ist keine Wahrheit. Genauer gesagt ist es "nur" ein westlicher Gedanke, der seine Wurzel in einem konkreten (griechischen) Denkansatz hat:

Dem Ansatz nämlich, dass es ein irgendwie existierendes "Ich" gibt,
  • das von der Umwelt getrennt ist, 
  • das unverwechselbar individuell und einzigartig ist.

Andere westliche Traditionen ...

... nannten diesen Teil in uns "Substanz", andere beschrieben es mit dem "göttlichen Funken", viel Einfluss gewann durch das Christentum die Bezeichnung "Seele", später kam der Begriff "Person" dazu ... .

Aus diesem Denken ergaben sich weitere philosophische Begriffe wie "Menschenwürde" u.a., aus denen auch iuristische Rechte definiert wurden.

Jedoch alles beruhte auf der philosophischen Denkfigur der Individualität und der Trennung von anderen.
Entsprechend musste die soziale Seite extra noch "dazu gedacht werden", sei es durch einen fiktiven Gesellschaftsvertrag (Rousseau et al.) oder als Mitglied einer polis / Stadtgemeinschaft / und damit als politisches Wesen (Aristoteles, Plato et al.) oder durch das Postulat eines ideellen fiktiven gemeinschaftlichen Naturzustandes (grich. Denker, Marx et al.)

Die Folgen für die Liebe

In dieser Annahme, dass wir voneinander getrennt sind, bedeutet Liebe folgerichtig, über die Kluft, die zwischen dem einen und dem anderen Individuum herrscht, eine Brücke zu schlagen. Dadurch entsteht eine einzigartige Verbindung zwischen zwei ursprünglich fremden Wesen, in der beide etwas bekommen, das sie selber sich nicht geben können.
Liebe bedeutet somit Überwindung des Getrenntseins und damit Überwindung der eigenen Unfertigkeit.

"Du vervollständigst mich"


... sagt Tom Cruise in seiner Liebeserklärung im Film "Jerry Maguire - Spiel der Lebens." "Soul mate", Seelenverwandte, nannte man das in anderen Regionen.


Leider gibt es inzwischen sehr viele Schwierigkeiten durch diese Denkweise:

Erstens wird meist vergessen: 

Der obige Text aus dem Neuen Testament beschreibt eine spirituelle Eigenschaft. Das ist etwas anderes als das, was wir als liebende Partnerschaft verstehen. Also bitte nicht verwechseln! Es ist wie ein Skistiefel und ein Tanzschuh. Beides sind natürlich Schuhe, aber miteinander nicht vergleichbar.
Es ist ein (göttliches) Ideal und Menschen scheitern immer an Idealen. An göttlichen Idealen sowieso. Das liegt in der Natur der Sache. 

Idealvorstellungen, an denen meine Klienten scheitern müssen, will ich nicht anbieten und tue das auch nicht. Beziehungen mögen ja je nach Weltanschauung im Himmel beschlossen werden, sie müssen aber ausschließlich auf Erden gelebt werden! Menschen brauchen dazu etwas anderes.
Wenn Sie eine gute Beziehung wollen, nehmen Sie sich folglich den zitierten Text nicht zum Vorbild für irdische Belange! Er meint etwas anderes. Ideale und Glück vertragen sich nicht. 

Zweitens ist der Ansatz veraltet: 

Die Denkweise, es gibt ein "Ich", das getrennt von der Umwelt ist, ist ein Denken ohne Realitätsbezug. Auch wenn wir meinen, wir seien etwas Unteilbares (lat.: "Individuum"), so stimmt dies in Wirklichkeit nicht. Vor dem Hintergrund der neurologischen Forschung, der systemischen Betrachtungsweise und den Ergebnissen aus der Hypnotherapie - auch generell von einer menschlichen reflektierten Erfahrung her gesehen - ist dies nicht aufrecht erhaltbar. 
Es ist etwa so, wie wenn jemand sagt: "Ich sehe doch, dass die Sonne um die Erde wandert!" Aufgrund unserer (visuellen) Erfahrung ("die Sonne wandert über den Himmel") schließen wir darauf, dass die Sonne sich eben einer Kreisbahn um die Erde bewegt. 

Aber diese Erfahrung zeigt uns, obwohl wir es eben so sehen, nicht die Wahrheit. Genau so ist es mit unserer Erfahrung, uns als Individuen zu erleben. Dazu gerne in anderen posts. Hier ist zu wenig Platz.

Drittens beschert uns dieser herkömmliche Denkansatz automatisch mehr Leiden:

Wenn wir das "Du" als so existentiell wichtig für unsere eigene Existenz ansehen, dann müssen wir zwangläufig zusammenbrechen, wenn dieses "Du" verschwindet. Dann ist es logischerweise eine Katastrophe für unser ganzes Leben, wenn der Partner (fremd) geht. 

"Ich kann ohne ihn / ihr nicht leben"

... ist eine Überzeugung, die zuweilen in Taten mündet. Es muss nicht so enden. Ich kenne auch  Menschen, die "einfach nur" krank geworden sind dadurch. Ich will deren Leiden nicht verharmlosen, deshalb die Anführungszeichen. Viele leiden schlimm daran. Ich habe aber auch Gesellschaften kennen gelernt, in denen herrschen andere Denkweisen und diese Menschen leiden bei den selben Ereignissen weniger! 
So etwas ist für mich als Therapeut natürlich interessant. Da schon (aber nicht nur) beruflich ist mir alles wichtig, was hilft, Leiden zu verringern. Ich bin sogar verpflichtet dazu! Ich wäre auch ein schlechter Therapeut, würde ich etwas Hilfreiches meinen Klienten verweigern.

Liebe im herkömmlichen Verständnis muss zwangsweise scheitern

Wenn etwas schon von vorn herein falsch ansetzt, kann es gar nicht gut werden - oder nur unter viel mehr "Geburtsschmerzen" als eigentlich nötig. Unser Verständnis von Liebe beruht auf solchen unguten Vorstellungen. 
Wenn Sie also eine gute Beziehung wollen, geben Sie diesen (hauptsächlich antik-griechischen / lateinischen) Denkansatz auf. Er mag vielleicht für die Generationen in mehr oder minder geschlossenen Gesellschaften funktioniert haben. Und genau das waren die grichische oder später lateinisch denkende Epochen auch. Aber in einer Welt wie der unsrigen taugt er nicht mehr viel.

Was dann?

Es gibt Lebenshaltungen, in denen sind wir keine unfertigen Menschen, die jemand anderen zum Vervollständigen brauchen. Entsprechend ist es nicht nötig, dass die Liebe unsere eigenen Defizite ausgleichen soll.
In diesen Anschauungen ist es möglich, unser Glück zu finden ohne abhängig zu sein vom Geschehen bestimmter Dinge oder dem Zuspruch bestimmter Personen oder höheren Elementen. Den, den wir lieben, müssen wir dann nicht für unser Glück verantwortlich machen. Statt dessen gewinnen wir die Freiheit, das, was uns begegnet, als das zu erfahren, was es wirklich ist - ohne unsere selbstgebastelten und auf uns bezogenen Interpretationen. Und wenn wir dann das, was sich so zeigt, als natürlich annehmen und wertschätzen können, dann erst ist es Liebe.

Das mag für viele etwas fremd klingen. Ja, denn diese Ansätze sind kein Alltagsdenken. So sind wir nicht aufgezogen worden. Aber sie sind äußerst hilfreich, um in der Liebe gut klar zu kommen.

Ich werde diejenigen Ansätze, die ich aus eigener Erfahrung kenne und die für meine Arbeit mit Menschen nutzbringend sind, in weiteren posts näher beleuchten. Bleiben Sie also dran!

2 Kommentare :

  1. Anonym16.1.13

    Treffende Gedanken zum Thema Liebe!

    M.M. zur Liebe: die Liebe zum Partner sollte zu einer Ergänzung und nicht zu einer Ersetzung der eigenen Person führen. Ein Ersetzen schließt unweigerlich hin zur Abhängigkeit ab. Im Wort Abhängigkeit steckt verborgen der "Abhang". Also im übertragend ein "nicht vorankommen, ein Stillstand".

    Grüße

    Nierle

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  2. "Abhang" - eine gelungenes Wortbild zum Gedanken :-)

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