10. November 2013

Freiheit und Gehirnforschung

Deutsch: Gehirn lateral, Lobi
Deutsch: Gehirn lateral, Lobi (Photo credit: Wikipedia)
Hat der Mensch einen freien Willen? Vor kurzen stellte die Gehirnforschung fest, dass beim Fällen bestimmter Entscheidungen Sekundenbruchteile vorher unbewusste Teile unseres Gehirn die Entscheidung vorweggenommen haben.

Manche folgerten, wir hätten keinen freien Willen, sondern "es" hat sich entschieden. Wir folgen dem nur. Dass wir eine bewusste Entscheidung treffen erscheint uns nur so. Mit folgendem Beitrag beende ich jetzt diese Diskussion.


Image via Flickr

Die genannte These impliziert, dass "Gehirn" und "Ich" zwei getrennte Dinge sind. Rein von den messbaren Aktivitäten ausgehend ist das auch so. Jedoch wenn man nur die messbaren Aktivitäten als Maßstab für das Ganze nimmt, dann schließt man von Äpfel auf Birnen.

In Wirklichkeit sind die verschiedenen Gehirnareale, so unterschiedlich sie auch arbeiten, Teil ein und des selben Gehirns und damit untrennbar verbunden. Es ist ein gedankliches Konstrukt, sie als getrennte Entitäten zu sehen. Methodisch macht das Sinn, in der Realität jedoch ist es nicht so.

Genau so ist es auch mit dem gesamten Rest. Es macht in der Wirklichkeit keinen Sinn, zwischen meiner Identität und meinem Gehirn zu unterscheiden.

"Entschuldigen Sie Herr Richter, ich habe doch meinen Chef keine runter gehauen, es war mein Gehirn, das mich dazu gezwungen hat."

"Nein, ich wollte mich nicht betrinken, mein Gehirn hat entschieden die fünf Flaschen Wodka zu kippen."

Das alles wirkt nicht nur, es ist lächerlich.

Früher nahm man die Heißenbergsche Unschärferelation aus der Physik, um die Freiheit zu beweisen. Jetzt benutzt man gemessene Aktivität im Gehirn, um die Unfreiheit zu postulieren. Man übersieht, dass man Physik benutzt, um metaphysische Ergebnisse zu produzieren.

Im letzten Jahrhundert hat man Menschen während des Sterbens gewogen und einen Gewichtsverlust von 21 Gramm festgestellt. Die Schlussfolgerung: Es gibt also doch eine Seele und sie wiegt 21 Gramm.

Das ist alles nur furchtbarer Blödsinn.

Physik kann Metaphysik nicht begründen, ebenso wenig umgekehrt. Metaphysik handelt von Dingen, die per definitione nicht messbar sind. Willensfreiheit ist so ein philosophischer Inhalt. Was den Menschen ausmacht, sind mehr als nur die an ihm messbaren oder kartographierbaren Teile. Oder wie Martin Seel es ausdrückte:

Die messbare Seite der Welt ist nicht die Welt; sie ist die messbare Seite der Welt.


Benutzen wir einfach die Forschung, wie es der Forschung selbst angemessen ist: mit Nüchternheit, anstatt Dinge hinein zu interpretieren. Es wird so leicht eine Ideologie draus. Und egal welche, eine Ideologie ist ungesund.
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