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28. März 2022

Will Smith ohrfeigt Chris Rock

 Die Oscars hatten also einen neuen Höhepunkt. Comedian Chris Rock machte einen Witz über Will Smiths Frau und ihre Haare. Der Vergleich mit GI-Jane - eine Frau in der Army, die sich ihre Haare abrasiert - und Jada Pinckett Smiths von Alopecia betroffenen Kopf trug ihm eine Ohrfeige auf der Bühne durch Will Smith ein. Hollywool hat einen neuen Aufreger.

Eines muss man den Amis lassen: sie haben ein Gespür für erinnerungswerte Auftritte. Jedenfalls hat Will Smith und Chris Rock genug Gesprächsstoff für alls Talkshows rauf und runter geliefert. Was mich immer etwas skeptisch werden lässt - und das nicht nur, weil 10 Prozent von mir immer skeptisch sind - ist das Umfeld, in dem so etwas passiert. Denn wo sonst wie bei den Oscars kann man für sich so viel Gesprächsstoff sorgen?

Das heißt nicht, dass ich in den Chor derjenigen einstimme, die vermuten, das Ganze sein nur inszeniert gewesen. Ich möchte auch nicht darüber diskutieren, ob der Witz nun eine rote Linie überschritten hat oder nicht. Ob man über so was Witzen machen darf oder nicht. Egal wie man dazu steht, es ist letztendlich amerikanischer Humor  und der funktioniert anders als der deutsche. Und ehrlich gesagt, wenn ich mir das anschaue, was in Deutschland in der Filmbranche als Komödie durchgeht, da denke ich spontan, dass ich als Deutscher nicht die Kompetenz habe, Comedians gut bewerten zu können.

Was mich dagegen skeptisch werden lässt, ist, dass Will Smith, seine Frau (und auch Chris Rock) letztendlich sehr gut bezahlt werden, weil sie für etwas sehr Wichtiges im Showgeschäft sorgen: Aufmerksamkeit.

Der Begriff, der hier fallen muss, heißt "Aufmerksamkeitsökonomie". Es stammt aus der Informationsökonomie und will unseren heutigen gesellschaftlichen wirtschaftlichen Status beschreiben. Aufmerksamkeit ist im Zuge der Informationsflut, der wir ausgesetzt sind, ein knappes Gut geworden, denn wenn hunderte von Fernsehkanälen und 1000de von Internetseiten um die Vefweildauer des Users buhlen, gibt es nur wenige Gewinner und viele Zweit, Dritt-, Vierplatzierte und viele Abgehängte. Daher ist Aufmerksamkeit ein hohes Gut und damit Gold wert. Es ist nicht so sehr das Produkt, an dem der Maßstab angelegt wird, sondern die Klickzahlen, die Verweildauer, kurzum die Quote ist ein alles durchziehender und dominierender Massstab.

Entsprechend braucht es im Zeitalter der großen Ablenkungsmöglichkeiten das immer Neue, das Skandaleuse, den nächsten Aufreger. Die Star von früher - und ich rede hier ungefähr vor dem letzten halben Jahrhundert - waren Stars, weil sie von uns Normalos so weit entfernt schienen. Katherine Hepburn, Spencer Tracy, Lisa Minelli, Judy Garland leuchteten von ferne und die einzige Möglichkeit, einem Steve McQueen nahe zu kommen, war, sich die selbe Frisur und Lederjacke zuzulegen. Sie waren Stars, weil es gerade keine Art "soziale Nähe" zu ihnen gab.

Im Zeitalter der schnellen sozialen Medien läuft es anders. Und so machten Will Smith und Jada auch ihre Ehe zum öffentlichen Thema, dann ihre "Trennung", dann ihre Reflexion über ihre Beziehung, dann ihre offene Beziehung  .... . Auch Jadas Haarerkrankung war natürlich öffentlich. Und natürlich wurde gesagt, sie sei eine starke Frau.

Bei so viel Öffentlichkeit bin ich generell skeptisch. Jada und Will und Chris führen ein Leben in Scheinwerferlicht und sie lassen sehr viel ausleuchten. Das ist Teil ihres Jobs in der Aufmerksamkeitsökonomie. So genau so wird es auch hier funktionieren: Die Ohrfeige bringt Quote, Will entshculdigt sich kurz danach tränenreich - auch das bringt Aufmerksamkeit, in Talkshows diskutieren die Leute darüber - auch das bringt Aufmerksamkeit, die Talkshows diskutieren über die Behandlung des Themas in Talkshow - dsa bringt Aufmerksamkeit über die Aufmerksamkeit. Alles in allem wird jeder das Pferd reiten, bis es tot ist, das heißt, vom nächsten Thema verdrängt wird. Und das kann sehr schnell gehen. Hey, es sterben ja immer noch Leute in der Ukraine! Wer weiß, was morgen die Schlagzeile sein wird, da gilt es vorher aufs Pferd zu steigen! 

Egal, ob die Ohrfeige nur inszeniert war oder nicht. Es profitieren automatisch sehr viele. Und das macht es so diffus. Aber eine Frage hätte ich: Wenn Jada wirklich so eine starke Frau ist, warum denkt Will dann, er müsste Ohrfeigen austeilen?

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