Der neue Batman-Film ist interessant. Er verfolgt einen eigenen Ansatz. War der Vigilant früher ein Streiter für Gerechtigkeit, ein Wiederhersteller der bisherigen Ordnung, ein Vertreter der liberalen Gesellschaft, so thematisiert dieser Film ein anderes Thema. Und hier sind die Fronten überhaupt nicht klar. Psychologisch gesehen ist dieser Batman aufschlussreich. Über einen Film, der psychologisch so einiges richtig macht.
"Ich bin Vergeltung"
Als er auftaucht, als ein Mob einen Passanten Gewalt androht, schlägt er einen der Gangster brutal zusammen. Als dieser am Boden liegt, tritt er noch mehrmals nach. Schnell, effizient, ohne ein einziges Zögern. Wer bist du, fragt der Mob und statt der traditionellen Antwort "Ich bin Batman" kommt: "Ich bin Vergeltung". So illusionslos wie ein Kommmentar zum Geschehen, so illusionslos ist die Figur in "The Batman".
"Vergeltung" kommt mehrmals in der ersten Hälfte des Films, von ihm, vom Pinguin und damit ist der Ton gesetzt: Es geht nicht um Gerechtigkeit. Wo alles korrupt ist, hat sie ihre Wirkung eingebüßt. Sie ist längst nicht mehr ein probates Mittel. Gerechtigkeit ist ein Begriff aus der Ethik der mit vernünftigen urteilen, abwägen und Schlussfolgerungen zu tun hat. Vergeltung dagegen ist eine Erwiderung. Gutes mit Guten, Böses mit Bösem. Wo Furcht herrscht, muss mit Furcht beherrscht werden. Batman ist das Symbol dafür.
coping ist dazu da, Kontrolle zu behalten
"Batman" ist hier ein Coping-Mechanismus, ähnlich wie Menschen sich in schweren emotionalen Turbulenzen zur Ablenkung in die Arbeit stürzen. Bei Batman ist seine Arbeit die Gosse. Dort, wo sich der Abschaum bewegt und Ratten ihr Zuhause haben. Eines der ersten Rätsel vom Riddler ist "Ratte mit Flügel" - ein "Maulwurf", also ein Spitzel? Oder eine Fledermaus? Bereits hier wird angedeutet, dass sich die Dinge vermischen.
Batman zeigt sich bei den Rätseln als schneller Denker mit zurückgenommene Emotionen. Auch wenn er brutal jemand zusammenschlägt, passiert das mit effizienter stiller Explosivität. Wir sehen hier Kontrolle und Gewaltausbruch Hand in Hand.
Dazu passt, dass das bürgerliche Ego Batmans, Bruce Wayne, wenig Engagement an seiner Existenz zeigt. Interesse an der neuen Bürgermeisterkandidatin und ihre liberalen Einstellungen? Bruce lässt sich am Telefon verleugnen. Charity? Nichts, wofür er bekannt ist. Business? Auch irgendwie ohne Interesse, nicht einmal die Buchhalter will er empfangen. Manschettenknöpfe nicht gefunden - Butler Alfred übergibt ihm seine, die er nicht will. Bis Alfred antwortet: Die Manschenttenknöpfe sind von Bruce Vater.
Doch wie sich herausstellt, ist auch der mit den organisierten Verbrechen in der Stadt verflochten. In dieser Stadt ist niemand jenseits des korrupten Lebens. Ja, die Korruption, der Dreck ist hier das Leben. Hier gedeien Ratten.
Die Abspaltung von Emotionen passt aber auch zu Batmans anderen Reaktionen. Egal wie brutal die Morde sind, die er am Tatort sieht, das Gesicht unter der Maske zeigt wenig Regung. Nur die Augen glitzern, so als würden sie wie ein Skalpell durch das Dunkel der Stadt und der Rätsel schneiden, die der Riddler als psychopathischer Strippenzieher seinen Verfolgern wie Brotkrumen hinwirft.
Batman und Bruce - das sind zwei Existenzen, die sonst unvermittelt nebeneinander existieren. In "The Batman" ist die eine eine Bewältigungsstrategie für die andere. Nicht zufällig ist Bruce hier auch nicht mehr der Playboy aus anderen Comicentwürfen. Er sieht im Gegenteil ziemlich fertig aus.
Von der Kontrolle zum eigentlichen Thema
Kontrolle ist das Mittel, um sich sebst vor der Außenwelt zu schützen. Gepaart mit Gewalt wird daraus Dominanz und für Dominanz steht die Stadt. Ihre Schluchten, Seitenstraßen, die dunklen Hinterhöfe, ihre heruntergekommenen Fassaden und der so oft strömende Regen oder die Metapher der Ratte. Wer dominiert hier? Das Verbrechen, dessen Abgründe, die Schatten. "Ich bin der Schatten", kommentiert Batman und wieder verschwimmen die Grenzen. Vergeltung statt Gerechtigkeit.
"Er muss büßen", schreit Seliny Kyle, als Batman sie daran hindert, den Mörder ihrer Mutter zu erschießen. "Aber du mußt nicht mit ihm büßen" erwidert er. Das ist ein kleines Zeichen gegen die Dunkelheit. Deswegen ist Batman auch das letzte Ziel des Riddlers. Es hilft dabei nicht, dass der Riddler gefasst wird. Es geht weiter bis zum letzten Rätsel: Wer dominiert am Ende? Die Antwort darauf, findet sich nicht im Kopf. Sie muss im Leben gefunden werden und so wird auch Batman über die Grenze getrieben werden. Seine zurückgenommene Emotion zerbricht und Brutalität bricht sich Bahn.
Seine Mitstreiter retten ihn. Selina Kyle wird ihm das Leben retten. James Gordon greift ein, als er am Ende seine Schlägerattacke voller Wut ausführt. Er wird daraufhin sein Leben in die Wagschale werfen, um Menschen im Wasser vor einem tödlichen Stromschlag zu retten.
Der Film schließt, wie er begann, mit einem Kommentar von Batman. Er habe gelernt, er muss mehr werden als Vergeltung. Während sein erster Auftritt ein Gewaltakt war, wie er einen Gangster zusammenschlug, ist es jetzt ein Bild, in dem er ein verletztes Kind in eine Bahre legt, damit der Rettungshubschrauber es aufnehmen kann.
Kein happy end, es bleibt so wie es war
Der generelle Ausblick bleibt desillusioniert. In der Zelle nimmt ein anderer Psychopath, jemand mit einem irren Lachen, zum Riddler Kontakt auf. Draußen in der Stadt ist der Pinguin jetzt Nummer 1. Und als Salina Kyle zu Batman sagt, er solle mit ihr kommen, weil sich in der Stadt nichts ändern wird, entscheidet er sich, zu bleiben. Die Frage, was im Leben dominiert, stellt sich immer neu und durchzieht alle. "Ich bin Vergeltung", sagt am Schluss auch der Verbrecher. Täter und Aufklärer verschwimmen im Leben. Darüber sollten wir uns keine Illusionen machen.
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