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4. September 2021

Der größte Betrug in der Medizingeschichte - warum darauf reingefallen

Photo by Max Morse
for TechCrunch TechCrunch,
CC BY 2.0
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licenses/by/2.0>,
via Wikimedia Commons
Elisabeth Holmes!
Bill Clinton hat sie promotet, die Titelseiten der Magazine brachten ihr Gesicht, sie war gefragte keynote speaker auf den verschiedensten Podien und gefeierter Entrepreneur im Silicon Valley.

Rubert Murdoch investierte Millionen, so wie andere schwerreiche Investorfamilien auch. Der Wert ihrer Firma wurde auf 800 Millionen Dollar geschätzt, dann ging es um 9 Milliarden. Es galt als ein Durchbruch in der Medizintechnik.

Am Ende war alles nur fake und innerhalb eines Tages standen statt der Milliarden eine Null auf dem Papier. Es ist der größte Betrug, den die Medizintechnik bislang kennt. Jetzt hat in USA der Gerichtsprozess begonnen. Was lernen wir daraus?

Auf Wikipedia gibt es einen kurzen Überblick über Elisabeth Holmes. Viele Artikel schrieben, sie wollte wohl Ruhm. Ein zweiter Steve Jobs sein. Sie kleidete sich zum Teil auch so wie er und senkte ihre Stimme um einige Töne ab, wenn sie in der Öffentlichkeit sprach. Auf Bildern zeigte sie sich mit strengen Blick und niemals "sweet". Aber immer kerzengerade aufrecht. Elisabeth Holmes schaffte es, mit einer story, wie sie aus einem Tropfen Blut das erreichen konnte, was bislang teure aufwendige Testverfahren leisteten, Millionen an Land zu ziehen. Falls dies tatsächlich möglich gewesen wäre, wäre es wirklich eine technische Rakete Richtung himmelwärts. Aber es war nur ein Knallfrosch. Eben halt ein sehr sehr teurer Knallfrosch.

Wie kam es dazu?

Holmes wusste, dass die Test-Maschinen Probleme hatten, verleugnete dies jedoch mit Bereitwilligkeit, auch vor sich selbst, sagt Alex Gibney, Direktor von "The Inventor: Out for Blood in Silicon Valley", eine HBO Doku über Holmes. Auch als sich die Probleme häuften, der Erfolg ausblieb, dafür die Ausgaben stiegen, war sie nicht gewillt, die Realität an sich heranzulassen.

Als ihr Finanzvorstand ihr anfangs unter vier Augen sagte, das, was sie den Investoren erzählt, stimme so nicht, schmiss sie ihn raus. Für ihre story heiligte Elisabeth Holmes die Mittel. Als das Wall Street Journal seine Enthüllungen brachte, sagte sie nicht "Ok, ihr habt mich erwischt". Ihr Auftritt, mit dem sie den Berichten entgegentrat, hatte eine nahezu messianische Repräsentanz.

Eigentlich müsste man hier sagen, es ist doch der Job von Investoren - business people, Banken, staatliche Fördergelder - dass sie zuerst prüfen, bevor Geld über den Tisch geschoben wird. Was ist passiert? Mehrere Gründe werden angeführt.

Die Person Elisabeth Holmes.

Ähnlich wie Thomas Eddison - als er vor den Investoren behauptete, seine Glühbirne funktioniert, war das eine Lüge  - spann sie um sich den Mythos eines Traumes: Mädchen geht vom College ab, verlässt die gewöhnlichen Pfade und wählt die Unsicherheit, um ihre Vision zu verfolgen. Alles, was sie hat, ist ihre Erfindung und der Glaube daran. A girl against the world. Wie sagte sie in einem Fernsehauftritt: 

 
"This is what happens when you work to change things: First they think you're crazy, then they fight you, then you change the world."

 

Die Welt verändern, darunter tut es Elisabeth Holmes nicht. Wir Menschen lieben solche Geschichten. Es ist der typische Plot eines Romans: Der Held / die Heldin führt ein Alltagsleben, dann kommt der Einbruch, das Leben wird total anders, der Held / die Heldin kämpft gegen Schwierigkeiten, entwickelt sich, die Schwierigkeiten nehmen zu, er / sie muss sich den äusseren und inneren Dämonen stellen, um am Ende alles auf eine Karte setzen zu müssen und (schliesslich) zu triumphieren.

Mit diesem plot gibt es 1000de Romane, gefühlt zehn Mal so viele Youtube-Videos von selbsternannten life-Coaches und ebenso viele Ratgeberbücher. Die story vermarktet sich eben immer noch erfolgreich und wir sind bereit sie zu glauben. Edison hatte letztendlich auch ein materielles Produkt. Was wir übersehen: Auch storys sind ein Produkt und wir Menschen wollen es haben.


Das Silicon Valley und seine world-changing-Attitüde

Eliot Musk hat jüngst auf Twitter geschrieben, er suche jemanden, der eine Maschine erfindet, die CO2 bindet. Stichwort "Klimarettung" und so. Wir verändern und retten die Welt! Die Leute twitterten zurück: "Dürfen sich auch Bäume bewerben?"

 

In der Tat, es gibt bereits "Maschinen, die CO2 "binden". Statt auf Technik zu setzten, wäre er technisch gesehen erfolgreicher, die Abholzung des Regenwalds zu stoppen und weltweit Wälder wieder aufzuforsten. Aber in der Filterblase des Silicon Valley kommt das Naheliegende nicht vor.

Als 2018 eine Fußballmannschaft im Alter zwischen 11 und 16 Jahren und ihres  Trainers in der Tham Luang Höhle von der Flut eingeschlossen wurde, kamen Profi-Taucher und Rettenkräfte weltweit, um die eingeschlossenen Leben zu retten. Da tauchte Eliot Musk auf mit einem kleinen extra hergestellten Uboot und ohne Erfahrung vor Ort zu. Hauptsache retten.

Als ihm dann ein Taucher auf Twitter geschrieben hat, er könne sich sein Uboot dahin stecken, wo die Sonne nicht scheint - eine etwas derbe Übersetzung von "du hast hier nichts beizutragen und stehst nur im Weg" - streute Musk ein paar Andeutungen über eine mögliche Pädophilie des Tauchers. Aufgrund des shistorms entschuldigte er sich danach, aber es zeigt, wie das Silicon Valley tickt:


Wer als Entrepreneur seine Berufung im Silicon Valley lebt, wer seine eigene kühne Vision von der Weltveränderung verfolgt, der steht über den Regeln, die für gewöhnliche Menschen wie du und ich da sind. Der steht drüber, notfalls auch über Gesetze.

 

Bei der Tham Luang Höhle hat niemand auf Eliot Musk gesetzt. Elisabeth Holmes spielte aber mit den Hoffnungen von (Krebs-)Patienten. Entschuldigt hat sie sich bis heute nicht. Sie plädiert auf unschuldig, ihre Verteidigung schiebt im Moment alles auf ihren Ex-boyfriend. Inzwischen ist sie Mutter. Gerichtsbeobachter mutmassen, dass sie das Baby öffentlichwirksam einbringt, um so die Geschworenen milde zu stimmen. Einer jungen Mutter ist man vielleicht nachsichtiger. Story ziehen eben.

Quellen:

Nachtrag:

Nachrichten über Elisabeth Holmes und ihre inzwischen geschlossene Firma Theranos gibt es zuhauf. Auch brauchen wir gar nicht nach Amerika und seine korrupte Geschifsmacherei schielen, wir haben  Wirecard.

 

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