Grosse Probleme entstehen überwiegend dadurch, dass man ihnen bei ihrer Entwicklung zuschaut. Egal, ob Paargespräch, ob Konflikte im Berufsleben, ob Verhandlungsengpässe - meistens stellt sich in der Analyse heraus: Wir wissen schon längst, dass das schwierig werden kann, gemacht haben wir aber nichts. So zupackend wir uns verbal geben, so wenig aktiv sind wir beim tatsächlichen Zupacken.
Die Meinung von Bernd Boettger - viele Paare gehen zu spät zu einem Therapeuten, nämlich dann, wenn die Beziehzung schon so marode ist, dass sie nicht mehr zu retten ist - ist nicht singulär, sondern ein verbreiteter Erfahrungswert.
Abwarten, in der Hoffnung, es gibt sich schon irgendwie, ist zwar weit verbreitet - man hat sich so an das Bestehende gewöhnt und ausserdem wirds so schlimm schon nicht sein und es wird ja nicht so heiss gegessen, wie gekocht und überhaupt ....
Reformstau nennt sich das in der Politik und bei bürokratischen Institutionen. Innovationsverlust bei Unternehmen. Sturheit nennt es der Volksmund bei Menschen. Alle drei bewirken am Ende nur eines: ein böses Erwachen.
Nur einige Beispiele von heute:
- Ein Urteil, ob "Auto" im Zusammenhang mit Mord steht (Tod durch illegale Autorennen inmitten der Stadt),
- Tech-Firmen wie Tesla, die als Fremdfirma auf einmal den bisher abgesteckten Markt aufmischen,
- ein Abgasskandal, der über Europas Grenzen hinaus für Furore sorgt
- und vor allem die neue Generation der Deutschen, die sehr oft fragt: "Wozu braucht´s ein Auto? Das neue Smartphone ist wichtiger!"
Intellektuell wissen wir das, aber wir lassen dieser Erkenntnis keine Einsicht folgen. Wie gesagt ... so schlimm wird´s schon nicht werden!
Wir Menschen sind so erzogen, dass wir an unserem Selbst- und Weltbild festhalten, selbst wenn beides nicht mehr zum Leben taugt. Daraus entsteht, dass Menschen leiden.
Ich sage hier bewusst "erzogen worden", denn unser westliches Denken ist seit jahrtausenden statisch geprägt. Angefangen von Aristoteles mit seiner Substanzlehre, über das unbeweglichen Ordo-Denken des Mittelalters hin zu modernen Leitmythen von "bis der Tod uns scheidet" und darüber hinaus in ewiger Liebe. Im Ökonomischen ist es das immerwährende Wachstum, ablesbar in steigenden Kennzahlen (sogar kein Wachstum ist Wachstum: das sogenannte "0-Wachstum". Es gibt auch "negatives Wachstum"). Nicht einmal die richtigen Begriffe sind mehr zugelassen, um die Dinge beim Namen zu nennen. Hauptsache, das eigene Weltbild bleibt irgendwie. Und sei es als Fassade.
Das statisches Denken jedoch ist ein konstruiertes Denken. Es ist lebensfremd, denn tatsächlich ist es Kennzeichen einer jeden Entwicklung, dass sie auch zu Ende geht. Nur der Narr leugnet und verschliesst sich dieser Erkenntnis, sagen die asiatischen Philosophien. Bei ihnen gibt es kein Substanzdenken, kein "im-Kern-bleibt-es-sich-gleich-nur-die-Verpackungen-ändern-sich". "Es gibt für uns keinen Hafen", sagte mir einmal ein Zen-Lehrer. "Es gibt nur das Wasser." Aber die meisten, die ich kennen, machen darauf ein Gesicht und sagen: "Ach wie pessimistisch!"
"Verblendung", lautet der buddhistische Fachbegriff für eine solche Geisteshaltung. Und: Wenn man die aktuellen Entwicklungen ansieht, komme ich zu dem Entschluss: Die Asiaten haben Recht. Und wir die Probleme.
Leicht ist es, das noch Ruhende zu lenken, dem erst Kommenden zuvorzukommen, das noch Schwache zu beugen, das noch Kleine zu meistern. Darum ordne die Dinge in ihrem Noch-nicht-Sein! Lenke im Keim, was später ungelenk und unlenkbar ist!
(Laotse)
Quellen:
- Bernd Boettger Psychologe und Gründer des Instituts für Paartherapie in Frankfurt am Main. Zitiert mit der erwähnten Meinung wird er hier:
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