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14. Februar 2016

Hypnotiseur soll Frau vergewaltigt haben - eine Lesehilfe

Vergewaltigung unter Hypnose? Jedenfalls ist ein Hypnotiseur angeklagt, seine Kundin vergewaltigt zu haben. Die Verteidigung führt die Möglichkeit an, die Frau könnte sich das alles unter Hypnose eingebildet haben. Unabhängig, was nun passiert ist, solche Meldungen haben Wirkung - und Konsequenzen für die Arbeit mit Hypnose.


Die Meldung lautet:

Hypnotiseur steht wegen Vergewaltigung einer Tübingerin vor Gericht - Schwäbisches Tagblatt
http://news.google.com Thu, 11 Feb 2016 20:01:26 GMT
Schwäbisches Tagblatt
Hypnotiseur steht wegen Vergewaltigung einer Tübingerin vor GerichtSchwäbisches Tagblatt Damit wäre der Tatbestand der Vergewaltigung durch Eindringen in den menschlichen Körper eigentlich erfüllt gewesen. Doch die Verteidigung na ...
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Um was handelt es sich?



Bereits zweierlei ist hier seltsam:

Ist mit Drüsenfieber das bekannte Pfeiffersche gemeint? Wenn ja, dann hat das erstens nichts mit Lampenfieber, sondern mit einem Virus zu tun. Eine Hypnosebehandlung ist aber nicht dazu da, einen Virus zu beseitigen. Hier läge dann wohl ein Behandlungsfehler vor.

Zweitens ist so etwas ansteckend. Es ist sogar ansteckend, wenn der Patient selber noch gar keine Symptome zeigt. Was wiederum nichts anderes bedeutet, als dass die Patientin zum Arzt muss und nicht in eine Hypnosepraxis. Als Behandler muss man so etwas wissen, ansonsten ist das nicht nur ein "Behandlungsfehler", sondern es ist grober Unfug (auf Kosten eines Kranken).

Die Frage ist also, warum sind die beiden überhaupt in einem Raum gewesen und was haben beide als Behandlungsauftrag vereinbahrt? Nehmen wir an, es ging um Lampenfieber. Aber dann ...

... wird es völlig abstrus:



Warum zum Teufel fragt jemand bei Bauchschmerzen und Drüsenfieber sexuelle Vorlieben ab?


Nehmen wir einmal an, dieses Gespräch fand im Rahmen der Anamnese statt, also bevor die Hypnose eingesetzt wurde. Die Patientin befand sich demnach unter keiner eingeschränkten Wahrnehmungs- oder Reaktionsfähigkeit. Ob sie sich also gegen solche Fragen verwehrte oder um Aufklärung bat, warum diese gestellt wurden, darüber schweigt der Artikel.

Aber nehmen wir auch an, selbst wenn der Patientin die Fragen komisch vorkamen, sie sich nicht dagegen gewehrt hatte (aus Gründen, die eben nur sie kennt), was nun dem Artikel nach folgte, war nichts weiter als eine Vergewaltigung. Von Hypnose ist hier keine Rede mehr.


Doch genau hier wird es trickreich.

Es geht vor Gericht nämlich nicht um die Tatsachen, sondern nur um belegbare Tatsachen. Und hier gibt es im wesentlichen zwei Strategien, um dagegen zu halten.
  1. Entweder die Tatsachen können nicht belegt werden - dann sind sie keine Tatsachen, sondern haben den Status von Behauptungen. Wegen Behauptungen aber darf niemand verurteilt werden (das hatten wir schon einmal mit den Hexenprozessen)
  2. Oder aber es zeigt sich, dass die Behauptungen von jemanden stammen, der in seiner Wahrnehmung eingeschränkt, beschränkt war, also die geschilderten Tatsachen so vielleicht gar nicht stattgefunden haben.
Deshalb soll ein Gutachten Licht in diese Frage bringen.

Meine Einschätzung

Ehrlich gesagt, es wäre der erste Fall, dass Hypnose die Wahrnehmung so verzerrt, dass das Unterbewusstsein dem Betroffenen eine komplette aktuelle Vergewaltigung vorspiegelt. (und nein, Beteuerungen von Hypnotiseuren, dass das doch geht oder Beispiele aus Bühnenshows, bei denen Leute alles Mögliche tun, zählen nicht, da Erstere bislang keinen Nachweis dafür gebracht haben und Bühnenshows und therapeutische sesttings wie Äpfel und Birnen sind - nicht vergleichbar)
  1. Erstens wissen wir, dass der Schutzmechanismus auch in der Hypnose nicht ausgeschaltet ist, also nichts passiert, was gegen die Persönlichkeitsstruktur und die damit eingewurzelten ethischen Vorstellungen geht (Die wissenschaftlichen Untersuchungen sind da bislang eindeutig).
  2. Zweitens, selbst wenn die Wahrnehmung so etwas produziert oder Punkt 1 nicht greifen würde, dann ist es die verdammte Pflicht des Hypnotiseurs, einzugreifen. Tut er dies nicht, macht er sich schuldig an einer möglichen Traumatisierung der Patientin. 
  3. Drittens: Will der Hypnotiseur eingreifen und kann es nicht - dann ist er unfähig. So etwas hat man zu können. Punkt.
    Und nein, das Argument, dass jedem Fehler unterlaufen, zieht hier nicht, denn hier handelt es sich um ein Können, das Pflicht ist. Es ist vergleichbar mit einem Arzt, bei dem man erwartet, dass er eine Wunde nähen kann. Natürlich kann auch ein Arzt dabei Mist bauen, aber das ändert nichts an der Tatsache, dass die Kompetenz, eine Wunde zu nähen, Standard ist.

Therapie oder was?

Die Verteidigung wies darauf hin, dass es sich nicht um ein Ausnutzen einer Behandlungssituation - ebenfall ein vor Gericht geäusserter Vorwurf - handle (Achtung, wir befinden uns hier in der iuristischen Logik!). Und das war es anscheinend tatsächlich nicht, denn: der Hypnotiseur war kein anerkannter Therapeut, so der Artikel.

ABER: Wenn er kein Therapeut war, oder sagen wir einmal, wenn er keine Zulassung zur Therapie hatte, dann dürfte er keine Krankheiten behandeln. Jetzt hat sich aber die Patientin wegen Drüsenfieber / Magenschmerzen in die Praxis begeben. Es führt uns wieder zur obigen Frage: Warum ist die Dame in der Hypnosepraxis und was ist der Auftrag?

Über all diese Fragen sagt der Artikel nichts.

Ob Verurteilung oder Freispruch, jeder wird verlieren:

  • Nichts wurde verbessert, die Probleme sind geblieben, neue gravierende sind hinzugekommen.
  • Vergewaltigung, wenn es tatsächlich so war, ist nichts, was Menschen meist einfach so hinter sich lassen können. Es wurde mehr Schaden angerichtet, anstatt behoben.
  • Eine Vergewaltigung, bei der der Täter davonkommt, verursacht weitere Schäden.
  • Und wenn es keine Vergewaltigung war, ist der Schaden ebenfalls gross. Reputation wird zerstört, berufliche Kollegen, die nichts mit so etwas zu tun haben, geraten in ein schiefes Licht, der Ruf einer anerkannten Therapieform wurde geschädigt ... Niemand braucht so etwas. Nicht Kläger, nicht Angeklagter, nicht unser Berufsstand.

So, was es der Artikel beschreibt, vermute ich, dass Hypnose gar nichts mit der Sache zu tun hat. Wenn die Aussagen den Tatsachen entsprechen, dann war es ein "normales" Verbrechen. Wenn nicht, dann auch, nur der Täter wär eine andere. Hoffen wir, dass Licht in die Sache gebracht werden kann.

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