Was steckt dahinter? Ist quaterlife crisis wieder so ein neues Modewort aus der Schreibstube der Pharmazie im Therapeutenuniversum?
Werfen Sie mit mir einen Blick in ein Lebensgefühl einer Generation
Der Begriff
Die Wortkombination "quaterlife crisis" ist der "midlife crisis" nachgebildet. Doch während diese eher die älteren Semester heimsuchen soll, trifft es bei der quaterlife crisis diejenigen, die nur ihr erstes Lebensviertel (quaterlife) gerade hinter sich gebracht haben. Sprich: Die zwischen 25 und 35 Jahren.Woher kommt´s?
Abby Wilner und Alexandra Robbins schien in der Mitte ihrer Zwanziger eine eigene Identitätskrise erwischt zu haben. Und was machen zwei junge Amerikanerinnen damit? Sie schreiben ein Buch! Der Titel: "Quarterlife Crisis: Die Sinnkrise der Mittzwanziger" Das war 2001 und die beiden landeten damit einen Bestseller.Worum geht´s?
Es geht um das Gefühl vieler Mitzwanziger bis Mitdreißiger, irgendwo im Leben bereits die falsche Abzweigung genommen zu haben.Viele sind mit Enthusiasmus losgebraust, gewillt mit Einsatz und Kraft auf den Mittelstreifen, und auch auf die Überholspur zu wechseln - und dann taucht plötzlich die Frage auf, was denn am Ende der Straße auf einen wartet. Sie vergleichen die erdachte und vorgestellte Landkarte mit dem tatsächlichen Gelände und stellen fest: die beiden stimmen nicht überein.
Ich bin zwar schnell unterwegs - aber es scheint die falsche Richtung zu sein.
Es folgen Zweifel, Unsicherheit, Enttäuschung, Unzufriedenheit, Zukunftsangst oder gar Depressionen.
Echt ein Problem jetzt?
Das seien alles Luxusprobleme, könnte man einwenden. Prinzipiell stehen doch den jungen Menschen alle Möglichkeiten offen: Gute Ausbildung, Mobilität, freie Berufswahl ... so vielfältig wie die Chancen heute sind, das Leben zu führen, das man sich wünscht, so vielfältig waren sie noch nie.Aus der Sicht der Eltern und Großeltern stimmt das sicherlich. Aber dabei wird eines vergessen: Das waren die Kriegs- und Nachkriegsgenerationen. Deren Leben unterlag natürlich viel mehr Einschränkungen als heute. Allerdings ist es unfair, das heutige Leben mit dem Maßstab einer zu Ende gehenden Generation zu messen. Die Zeiten sind anders.
Der Unterschied zu früher
Noch nie stand es dem Einzelnen so klar vor Augen, was ihm alles entgeht, wenn er sich angesichts der Fülle von Möglichkeiten für eine entscheidet. Noch nie war einem so deutlich bewusst, auf wie viel man verzichtet, wenn man eine Möglichkeit auswählt. Wer sich unter 100 Torten eine auswählt, der sieht heute deutlich, dass er auf die anderen 99 verzichten muss.Unsere Eltern und Großeltern dagegen mussten "nur" auf Dinge verzichten, die sowieso gar nicht gegeben waren. Es gab eben nur die eine Torte - oder manchmal auch nur ein Tortenstück. Darüber hinaus lag nichts im Schaufenster. Und Dinge, die es nicht gibt, vermisst auch niemand.
Und noch ein gravierender Unterschied
Die Kriegs- und Nachkriegsgenerationen kannten nur eine Blickrichtung: nach vorne. Der Blick zurück war zu schmerzlich und man hätte sich mit Dingen auseinandersetzen müssen, die ... na ja ... Lieber nach vorne schauen. Die Zukunft konnte nur besser werden.Junge Mütter und Väter von heute lavieren mühsam zwischen Kinderaufsicht, befristenten Arbeitsverträgen und Krippenplätzen. Konnte es früher nur besser werden, so verkündet den jungen Vätern und Mütter der Blick nach vorne nur eines: "Strapelt nur weiter, ihr kommt auf keinen grünen Zweig, weil es keinen mehr gibt."
Wie verläuft die quaterlife crisis.
Im Durchschnitt dauert sie zwei Jahre. Sie beginnt mit einem dominierenden Gefühl des Eingesperrtseins. Das eigene Leben wird einem zu eng, zu falsch, zu einseitig. Irgendetwas will aus einem heraus und kann nicht.Nach vielen emotionalen Auf- und Ab kämpfen sich die Betroffenen den Weg frei, mehr die Veränderungsmöglichkeiten in den Blick zu nehmen.
Phase 3 ist anschließend gekennzeichnet durch erste Umbrüche. Konkret bedeutet das zum Beispiel den Wechsel des Arbeitsplatzes, des Studiums, das Ende einer Beziehung.
Die letzte Phase steht dann ganz im Dienst der Konsolidierung des Neuen.
Wir leben in der Zeit variabler Zukünfte
Angesichts der Unübersichtlichkeit heutiger Vielfalt verstärkt sich die Unsicherheit. Vieles weiß man eben nicht im Vorraus, sondern muss es ausprobieren.Irgendwie scheint man jetzt überall viel mehr Frösche küssen zu müssen, bevor sich die eine Auswahl als Prinz entpuppt. Nicht selten scheint es auch gar keinen Prinz zu geben. Und immer häufiger laugt einem das ständige Neuanfangen aus.
Unterstützung von den Älteren, die noch immer in hohen Entscheidungspotitionen sitzen, gibt es wenig bis gar nicht. Ihr Einfühlungsvermögen in den Lebensalltag von jungen und mitteljungen Leuten ist sehr begrenzt. Sie fühlen sich allein gelassen. Zu Recht.
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