Deutsch: Fälle von sexuellem Missbrauch in Deutschland seit 1953 und Beziehung von Opfer und Täter (Photo credit: Wikipedia) |
Missbrauch über Kontinente hinweg und gerade bei denen, die Nächstsenliebe und Einsatz für die Schwachen predigen.
Die katholische Kirche lieferte als Letzte dauerhaft hervorragende die Nächstenliebe konterkarrierende Schlagzeilen, aber auch andere Weltreligionen sind davon betroffen. Zudem geschehen die meisten Übergriffe innerhalb der Familie oder im Bekanntenkreis.
Gibt es ein Muster, eine Lebens- oder Organisationsform, die solche Verbrechen fördert? Ja, gibt es!
Die katholische Kirche lieferte als Letzte dauerhaft hervorragende die Nächstenliebe konterkarrierende Schlagzeilen, aber auch andere Weltreligionen sind davon betroffen. Zudem geschehen die meisten Übergriffe innerhalb der Familie oder im Bekanntenkreis.
Gibt es ein Muster, eine Lebens- oder Organisationsform, die solche Verbrechen fördert? Ja, gibt es!
Missbrauch gibt es in jeder Glaubensgemeinschaft.
Zu christlichen Kirchen muss man jetzt nichts sagen, die Zeitungen waren vor 1-2 Jahren voll davon. Aber auch im Buddhismus finden wir diese Übergriffe. Der spektakulärste Fall war wohl der von Roshi Merzel oder der von Thich Thien Son, beide wegen sexueller Verfehlungen ausgeschlossen, wenngleich es sich hier um sexuelle Kontakte zwischen Lehrer und erwachsenen Frauen handelte. Vorher war es Eido Shimano, dessen Geschichte sehr unbemerkt von der Öffentlichkeit über die Bühne ging.
Hier gibt es einen Artikel über sexuelle Übergriffe im Yoga und über die Behandlungen von Frauen in manchen islamischen Ländern braucht man auch nicht viele Worte verlieren. (Falls jetzt ein Aufschrei kommt, bitte unten die Anmerkung dazu lesen!)
Kurzum: sexuelle Übergriffe gibt es durch die Bank!
Die eigentliche Frage lautet: Warum ist das so?
Ganz einfach: (religiöse) Gemeinschaften sind oft so organisiert, dass sie solche Übergriffe begünstigen. Hier die Gemeinsamkeiten:
Erste auffällige Gemeinsamkeit: Hierarchie
Je starrer und rigider die Hierarchie die Basis des sozialen Lebens ist, desto mehr tritt ein Thema in den Vordergrund: Macht.Ein alter Physiklehrer von mir pflegte zu sagen: "der Ober sticht den Unter", in Anlehnung an ein Kartenspiel.
Wo klare Machtstrukturen eine klare Ober- und Unterordnung festlegen, dort erscheint auch der Hang zu Ausbeutung. In Antike und MIttelalter wurde versucht, durch Ethos und Moral - zum Beispiel Spendenbereitschaft, Armenpflege und der Interpretation des Königtums als Fürsorgeinstitution für die Untertanen - diesem Hang zur Ausbeutung entgegen zu wirken. Allein die Geschichte zeigt, wie erfolgreich das war. Wesentlich besser funktioniert Transparenz und Dezentralisierung von Macht.
Zweite auffällige Gemeinsamkeit: Gehorsam
Gehorsam meint hier nicht nur ein Befolgen von Befehlen, das ist es auch. Aber entscheidender ist hier Gehorsam als Kommunikationsstruktur. Dies hängt sehr mit der sogeben genannten "Hierarchie" zusammen.Hierarchie funktioniert von oben nach unten: Top-Down-Kommunikation. Gehorsam als Kommunikationsstruktur meint, dass diese Top-Down-Kommunikation als One-Way-Kommunikation gepflegt wird.
Und zwar so, dass die Meinung unterer Organisationsstufen für hierarchisch Höhere keinen Wert darstellt. Das heißt, es bestehen sowohl kaum relevante Möglichkeiten, dass sich Information von unten nach oben bewegen, weil ihnen ab einer gewissen Hierarchiestufe entweder die Existenz oder die Wichtigkeit abgesprochen wird. Zum anderen auch in dem Maße, dass das Empfangen und Ausführen der Information, die von oben kommt, als selbstverständlich und normal vorausgesetzt wird. Dabei kommt der Information auch kein Eigenwert an Autorität zu, der nicht aus der Hierarchiestufe selbst kommt.
Kurzum: Man erwartet, dass Folge geleistet wird, weil der Herr Oberdirektor es sagt, nicht weil es kompetent, sinnvoll, etc. ist. "Pfehl is Phel und Pfehl muss pfolgt wern", hieß in meiner Wehrzeit. Netter verpackt heißt es auch: "Gehorsam kommt vom Hören!" Natürlich sagt niemand etwas über die dahinter stehende Top-Down-Kultur.
Dritte Gemeinsamkeit: ein geschlossenes System
Geschlossene Systeme sind Systeme, die nicht im Austausch mit ihrer Umwelt stehen. Die Thermodynamik ist zum Beispiel ein geschlossenes System. Es tauscht mit der Umwelt nur Wärme, Strahlung und Arbeit aus, keine inhaltlichen Stoffe.
- Zum Beipiel durch eigenes Terrain oder durch eigene Riten.
So darf nicht jeder überall hin in diesem System, sondern bestimmte Breiche sind für eine bestimmte Art von Menschen reserviert, man muss erst sich einen Aufnahmeritual unterziehen bevor man dazugehört etc. - Oft wird die Geschlossenheit auch durch den Anspruch ausgedrückt, selber die Wahrheit zu kennen, während die Nicht-Dazugehörenden diese bestenfalls teilweise besitzen.
- Auch die Selbstbenennung des Systems zeigt Geschlossenheit (Beispiele wären "God´s own country", "das auserwählte Volk" usw.).
- Manche Religionsgemeinschaften sorgten für einen rechtlicher Status für sich selbst, der sie befähigt, bestimmte Grundrechte ihren Mitgliedern absprechen zu können. (zum Beispiel ein eigenes Arbeitsrecht, Ausnahmeregelungen hinsichtlich bestimmter Grundrechte, Relativierung der Unversehrtheit des Körpers etc.)
Geschlossene Systeme und totale Institution
Unter "Geschlossene Systeme" fällt auch in der Forschung der Fachbegriff "totale Institution" von dem US-Soziologen Erving Goffman (1922-1982).Er bezeichnet einen Raum, der „durch Beschränkungen des sozialen Verkehrs mit der Außenwelt“ einen „allumfassenden oder totalen Charakter“ annimmt.
Eine Totale Institution weist nach Goffman folgende Merkmale auf:
- Totale Institutionen sind allumfassend. Das Leben aller Mitglieder findet nur an dieser einzigen Stelle statt und sie sind einer einzigen zentralen Autorität unterworfen.
- Die Mitglieder der Institution führen ihre alltägliche Arbeit in unmittelbarer (formeller) Gesellschaft und (informaler) Gemeinschaft ihrer Schicksalsgefährten aus.
- Alle Tätigkeiten und sonstigen Lebensäußerungen sind exakt geplant und ihre Abfolge wird durch explizite Regeln und durch einen Stab von Funktionären vorgeschrieben.
- Die verschiedenen Tätigkeiten und Lebensäußerungen werden überwacht und sind in einem einzigen rationalen Plan vereinigt, der dazu dient, die offiziellen Ziele der Institution zu erreichen.
Man braucht nicht viel Phantasie, um diese Merkmale in bestimmten religiösen und auch weltlichen Organisationen wieder zu finden. Je ausgeprägter sie sind, desto mehr agiert das System auf Kosten seiner Mitglieder.
Das bedeutet aber auch, wir können von außen beurteilen,
Die Folge:
Je auffälliger alle Gemeinsamkeiten sind und sich bündeln, desto mehr öffnet sich das Gesamtsystem der möglichen sexuellen, körperlichen oder emotionalen Ausbeutung von Menschen. Das bedeutet im Umkehrschluss: es ist nicht das Problem Einzelner (auch wenn es Einzelne trifft und an ihnen ausgelebt wird). Das Problem liegt im System!Das bedeutet aber auch, wir können von außen beurteilen,
- ob die jeweilige Organisation anfällig ist für Ausbeutung, nur indem wir die Strukturen analysieren
- ob die Maßnahmen, die ergriffen werden, um Missbrauch zu verunmöglichen, wirklich solche sind oder ob Maßnahmen ergriffen wurden, die eher beruhigen sollen.
Diese Dinge sind messbar!
Gleichwertigkeit von "Was" und "Wie" bedeutet, dass man legt Wert auf gute Ergebnisse, aber auch die Art und Weise, wie diese zustande kommen. Die Zahlen müssen stimmen, aber der Preis darf nicht zu hoch sein. Auch hier geht es nicht um persönliche Ethik, sondern um die Weise, wie man das Zusammenarbeiten strukturiert.
Wie es nun mit den einzelnen Religionen und ihrer Organisation bestellt ist, sollte jeder selber überprüfen.
Wie gesagt, sexueller Missbrauch in religiösen Gemeinschaften hat stattgefunden und findet statt. Nicht weil sie religiös sind. Er findet statt, und zwar um so wahrscheinlicher, je mehr eine Organisation nach obigen Kriterien aufgebaut ist. Egal ob christlich, buddhistisch, hinduistisch, weltlich, klösterlich, etc. Die Verkettung ist naturgemäß.
Gegen die dritte Gemeinsamkeit ...
... hilft Transparenz und Offenheit. Nicht als persönliche Tugend, sondern als Strukturmerkmal. Zum Beispiel, übt die Evaluierung von Vorfällen eine Stelle aus, die unabhängig vom System agieren kann oder nicht? Will man die Ergebnisse einer wissenschaftlichen Aufarbeitung vor Veröffentlichung kontrollieren oder nicht?Gegen die zweite Gemeinsamkeit ....
... hilft eine demokratische Haltung und gewollte Eigenverantwortung, ebenso die rechtlich gleichwertige Möglichkeit des Widerspruchs und eine offene Two-Way-Kommunikation. All dies nicht als privates Hobby von Einzelnen, sondern als Führungsinstrument, ähnlich wie es in lernenden Organisationen versucht wird, umzusetzen.Gegen die erste Gemeinsamkeit ...
... helfen flache Hierarchien, selbstorganisatorische Prozesse und eine Gleichwertigkeit im "Was" und "Wie". Die Finanz- und Schuldenkrise hat millionenfach dargelegt, dass man ausschließlich daran gearbeitet hat, dass nur ersteres stimmt, auch wenn man dafür kreative Buchführung und Betrügereien begehen musste.Gleichwertigkeit von "Was" und "Wie" bedeutet, dass man legt Wert auf gute Ergebnisse, aber auch die Art und Weise, wie diese zustande kommen. Die Zahlen müssen stimmen, aber der Preis darf nicht zu hoch sein. Auch hier geht es nicht um persönliche Ethik, sondern um die Weise, wie man das Zusammenarbeiten strukturiert.
Wie es nun mit den einzelnen Religionen und ihrer Organisation bestellt ist, sollte jeder selber überprüfen.
Wie gesagt, sexueller Missbrauch in religiösen Gemeinschaften hat stattgefunden und findet statt. Nicht weil sie religiös sind. Er findet statt, und zwar um so wahrscheinlicher, je mehr eine Organisation nach obigen Kriterien aufgebaut ist. Egal ob christlich, buddhistisch, hinduistisch, weltlich, klösterlich, etc. Die Verkettung ist naturgemäß.
Anmerkungen:
- auch bei Protesten, ich bleibe dabei: In manchen islamischen Ländern werden Frauen übelst behandelt.
Gefahren im Dharma selbst
- Gefahr mit der Forderung nach Ichüberwindung (Egobrechen) im Buddhismus.
- Übertriebene Hingabe, Minderwertigkeitsgefühle werden oft durch Identifikation mit einem Lehrer oder der Sangha kompensiert (erliehenes Ego).
- Keine wirkliche Ichlosigkeit der Lehrer, zu grosses Vertrauen in ihre Verwirklichung.
- Geistige, psychische, ethische Voraussetzungen für den Tantra-Weg oft nicht gegeben.
- Gefahr der Forderung „nicht zu denken“, führt nicht selten zu blinder Naivität und Dummheit.
- Das Dharma wird oft nicht mehr bei Buddha selbst begründet sondern aus Kommentaren und Subkommentaren oder nur noch durch die persönlichen Lehrer.
- Kein Wissen über das gesamte Buddhayana, nur die eigene Schule bekannt.
Zusammenfassung typischer Sektencharakteristika
- Abschottung nach Aussen, auch von der Familie, alten Freunden usw.
- Verabsolutierung der eigenen Gemeinschaft
- Vergöttlichung des eigenen unfehlbaren Lehrers
- Die eigene Lehre ist die einzige Wahrheit
- Erzeugen eines überzogener Harmonie- und Glückskults
- Keine Kritik an der eigenen Gruppe oder am Lehrer erlaubt oder möglich
- Verteufelung aller anderen Lehren, Lehrer, Gruppen
- Androhung von schweren Nachteilen und (Höllen-) Strafen bei Ausbrechen
- Alle Fehler und Probleme sind nur beim Einzelnen zu suchen
- Totalitäre Begründungskreisläufe, „die Partei hat immer recht“ („höhere Einsicht“)
- Kritisches Denken und Nachfragen ist „falsches Bewusstsein“ und „Ego“
- Totale und blinde Unterordnung ist Ausdruck „tiefer Hingabe“
- Kein Vertrauensschutz bei anderen Mitgliedern möglich (nichts geheim)
- Aggressives Missionieren nach aussen stärkt Gruppenidentität
- Rechtfertigungsdruck beim Mitmachen und Missionieren
Sexueller Missbrauch
- Lehrerposition wird für persönliche Wünsche und Begierden ausgenutzt
- Automatische Rechtfertigung des Lehrers durch die Anderen, wie findet das Opfer Gehör?
- Ein Dharma-Lehrer muss berücksichtigen, daß Schüler sich ihm gegenüber nicht unbedingt wie verantwortliche Erwachsene verhalten
- Bei vielen Opfern spielt sich eine Wiederholung alter leidvoller Erfahrungen ab.
- Bei manchen Opfern gibt es durchaus auch eigene Wunschfantasien
Lösungen
- Mehr, gründlichere und authentische Dharmakenntnisse
- Mehr Kenntnisse über die Gefahren vermitteln (DBU, BUBB)
- Die eigene Kritikfähigkeit beibehalten, kein blinder Glaube
- Lehrer und Gruppen gründlich und länger prüfen
- Nicht immer gleich die höchsten Wege gehen wollen
- Den Vinaya kennenlernen, da gibt es viel über Sangha-Erfahrungen zu lernen
- Aufstellen eines Lehrer-Verhaltenskodex (IMS)
- Einrichtung eines Ethikrates (IMS) oder von Vertrauenspersonen
© Franz Johannes Litsch
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