15. Juni 2013

Mehr Frührentner wegen psychischer Störungen. Die echte Ursache!

Immer mehr Fehltage wegen psychischer Erkrankungen
Immer mehr Fehltage wegen psychischer Erkrankungen (Photo credit: TK_Presse)

"Mehr Menschen gehen wegen psychischer Probleme in Frührente", stand in dieser Woche in der Süddeutschen. Wieder mal.
Dass psychische Krankheiten sehr zunehmen, wird von vielen Statistiken bestätigt. Natürlich sollte man nun fragen, warum das so ist.

Der Artikel nennt einige gesellschaftliche Entwicklungen. Aber er übersieht einen Zusammenhang.
Also schauen wir mal genauer hin:

Seelische Leiden sind heute stärker enttabuisiert, sie werden daher von Ärzten auch bereitwilliger diagnostiziert. Die Patienten sind eher gewillt, solche Diagnosen auch zu akzeptieren."
"Außerdem ... nehmen körperliche Belastungen ab, während die psychischen zunehmen.
Der Ernstfall tritt dabei früher ein, als vermutlich viele Beschäftigte ahnen. 36 Prozent aller neu dazugekommenen Erwerbsminderungsrentner waren unter 50 Jahre alt. Vor einigen Jahren war ihr Anteil sogar noch deutlich höher. "Dies liegt daran, dass große Teile der geburtenstarken Jahrgänge der Baby-Boomer mittlerweile das 50. Lebensjahr vollendet haben", sagt ein Sprecher der Rentenversicherung."

Das alles ist gesellschaftliche Entwicklung. Und es ist gut:


Gut, dass eine Enttabuisierung stattfinden!
Gut, dass  Patienten die Sache auch etwas "intelligenter" sehen!




Ein interessantes Detail:

Der Artikel zielt auf die Höhe der Erwerbsminderungsrente ab und dass diese nicht genüge. Was er aber weniger ausführt, ist der eventuelle Zusammenhang zwischen Profil der Betroffenen und dieser Geldsumme. Also:

Wer sind diese Frührentner?

Sie sind im Schnitt um die 50 Jahre alt. Waren häufig arbeitslos, sind eher gering qualifiziert und überdurchschnittlich stark von Armut bedroht: In Deutschland gibt es etwa 1,67 Millionen Erwerbsminderungsrentner, die wegen einer Krankheit ihren Beruf aufgeben oder vorzeitig mit dem Arbeiten aufhören mussten. Immer mehr von ihnen gehen dabei wegen einer psychischen Erkrankung vorzeitig in den Ruhestand.

Was mir spontan auffiel: 


Mit den oben drei rot gezeichneten Kriterien, würde auch jeder psychisch Gesunde, ginge er um die 50 in Deutschland in Frührente nicht davon groß leben können. Das liegt im System hier in Deutschland. Deutsche müssen immer länger arbeiten, weil die Solzialversicherungssysteme in einer Welt der wirtschaftlichen Prosperität konstruiert wurden, anstatt in einer globalisierten Welt und mit der Bevölkerungsentwicklung wie Deutschland sie eben hat.

Es ist egal, wegen was man mit 50 in den Ruhestand geht, es reicht nicht!


Wer häufig arbeitslos war, hat wenig einbezahlt, kriegt weniger. Wer nur geringe Qualifikation hat, bekommt auch nur wenig Kohle.

Womit wir bei meinem Grund sind:

Wir können es uns in einem auf Technik setzenden Deutschland persönlich nicht leisten, uns mit geringer Qualifikation zufrieden zu geben. 

Der Zugang zur Bildung ist im Vergleich zu vielen Ländern, die ich kennengelernt habe, nicht so übel. Unser Bildungssystem hat eine Menge Defizite, ganz eindeutig. Aber wir haben noch viele Möglichkeiten, die woanders gar nicht existieren.

Gute Bezahlung bekommt man eben nur mit drei Bedingungen: 

  • Entweder man hat etwas, was andere unbedingt haben wollen und deshalb gewillt sind, tief in die Tasche zu greifen.
  • Oder man kann etwas so gut, dass andere gewillt sind, dieser Qualität auch finanziell zu entsprechen.
  • Oder man hat einen Job, der generell so viel abwirft, unabhängig von Leistung und Nützlichkeit.
Hat man Ersteres nicht und ist der eigene Stuhl nicht in dem Raum, wo Drittes stattfindet, bleibt einem nur Zweites übrig. Wobei dieses Zweite einem auch bei Erstem und Drittem nicht im Weg steht.

Bildung schadet nur dem, der sie nicht hat.

 

Zum Thema psychische Leiden:

Ein gebildeter Mensch hat und weiß mehr um die Möglichkeiten, mit den Dingen umzugehen, die zu psychischen Leiden führen können.

Bildung hilft. Auch gegen psychische Störungen. 

Wenn Leute wissen, was es ist, wie es funktioniert, können sie auch besser damit umgehen. Die Heilungschancen steigen, die Frührente kann noch warten.

Mein Bildungsbegriff ist wahrscheinlich altmodisch. 

Er meinst so etwas wie Lebenskompetenz. Zu meinen Erstaunen habe ich viele Dinge, die man als Therapeut lernt, bereits bei alten Philosophen in längst unbeachteten Schriften wiedergefunden. Damals waren die Dinge noch nicht so getrennt wie heute. Denn Philosophie als "Liebe zur Weisheit" bedeutete damals wirklich noch Hilfestellung, um gut klar zu kommen, also auch das, was Therapie oder auch Coaching im jeweiligen Kontext wollen.


Manchmal erscheint es mir, dass Menschen mehr darüber wissen, wie ihr Auto funktioniert oder wie man einen Schweinebraten zubereitet, als darüber, was sie als Mensch ausmacht, welche Emotionen und Gedanken wie und nach welchen Mustern bei ihnen entstehen und was wirklich ihres ist und was nur unbedacht übernommen wurde.

Ich bin ein großer Fan eines Satzes, den man Sokrates zugeschrieben hat:

Ein nicht reflektiertes Leben ist nicht Wert, gelebt zu werden.


Es geht ums Leben, nichts ums Auto, nicht um den Schweinebraten!

verwandte Artikel:

  • hier der Artikel aus der Süddeutschen
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