English: Sophie Marceau in Almaty, Kazakhstan October 2007. (Photo credit: Wikipedia) |
Bevor ich jetzt gesteinigt werde, bitte erst zu Ende lesen. Denn von ihrer Einstellung zu Männer und Frauen könnten sich in Deutschland die ewig gleichen Diskutanten ein paar Scheiben abschneiden. Genau genommen handelt es sich um folgende “Scheiben” …
Vorne weg, Sophie Marceaus Arbeit habe ich nicht verfolgt. Klar, La Boum war ein Film, dem man irgendwann nicht auskam, aber sonst kenne ich nichts von ihr. Nicht, weil ich sie nicht mag oder weil ihre Filme schlecht sind. Ich bin nur kein großer Freund des französischen Kinos. Aber an diesem Interview bin ich hängengeblieben, weil hier etwas "rüberkam", was mich sehr ansprach:
Eine 45jährige Frau, die sich selbst nichts beweisen und die auf erfrischende Art mit den gender-Diskussionen nichts am Hut haben muss.
Sie wirkt bodenständig und erfolgreich. Und ihr Blick auf die angesprochenen Themen gibt gleichzeitig Raum für Distanz zu den Dingen. Sie bezieht Standpunkte, ohne in ideologische Fixpunkte abzudriften. Nehmen wir ihre Aussagen zu Männer und Frauen:
“Mir gefällt das Kapriziöse an den Frauen, sie wollen immer alles analysieren, in die Tiefe gehen, alles ergründen. Eine Frau redet nie einfach so mit einem, wie das Männer tun, sie will immer mehr, eine Verbindung schaffen.”Und hier über die Männer:
“Mit Männern ist es effizienter. Alles, was ich an Frauen schätze, finde ich beim Arbeiten hinderlich. Sie haben Befindlichkeiten, vermischen Privates mit Beruflichem, nehmen alles so persönlich und sind schnell beleidigt.”
Gleich vorweg: es sind ihre Erfahrungen im Filmgeschäft. Natürlich wird es Männer und Frauen geben, bei denen ist es gerade anders herum. Bevor wir jetzt wie üblich an dieser Stelle das Ganze nun mit Evolution erklären und als Beispiel wieder den obligatorischen Säbelzahntiger zitieren müssen, bei dessen Angriff der Jäger schnell und effizient handeln muss, die Frauen dagegen am Lagerfeuer …. . Kennt man alles schon, und es ist nicht mehr sonderlich unterhaltsam.
Eine Tatsache, die sonst oft untergeht
Allerdings - und das ist eine besser gesicherte Tatsache - Männer haben jahrhundertelang mehr Erfahrung mit Effizienz und Geschäftsangelegenheiten gesammelt als Frauen. Ganz einfach, weil Frauen andere Lebensbereiche zugewiesen worden waren.Was passierte denn im 17. oder 18. Jahrhundert bei den besseren Schichten nach dem großen gesellschaftlichen Dinner? Die Männer zogen sich als Gruppe mit Portwein und Zigarre in den Salon zurück und schwadronierten über Politik und Gesellschaft. Hier wurden Geschäfte angebahnt, Karrieren gefördert und Absprachen getroffen.
Die Frauen zogen sich ebenfalls in ihrer Gruppe zurück und beschäftigten sich mit ihrer Lebenswelt: Haushaltsvorstand zu sein. Natürlich erforderte das ebenso Managementfähigkeiten, jedoch war es eine von Fremdgeld - meist des Ehemannes - abhängige Position. Und ein berufliches Weiterkommen wie es dem Männern mit ihren Portwein- und Clubabenden möglich war, war hier nicht gegeben.
Entsprechend fehlte so die Erfahrung auf einem wettbewersorientierte Geschäftszweige. Männer haben geschichtlich betrachtet im Wettbewerb einfach mehr “buddy”-Erfahrung. Deshalb haben sie gelernt, entsprechende Muster im Umgang mit Konkurrenz auszubilden.
Noch einmal Sophie Marceau:
“Männer gehen sportlicher damit um. Es spornt sie an, wenn jemand besser ist als sie. Frauen stellen sich gleich mal infrage. Warum bin ich nicht so gut wie die? Was ist falsch an mir? Und damit das keiner merkt, ziehen sie über die andere her.”Solche Verhaltensmuster, die Marceau beschreibt, sind Jungs oder Mädchen nicht in die Wiege gelegt. Ich bin kein Anhänger von der These, dass dafür irgendwelche genetischen Grundlagen verantwortlich sind. Ich denke, die meisten dieser Rollenbilder existieren aufgrund geschichtlicher Entwicklungen, wo eine Generation der anderen ihre Leitbilder teilweise bewusst, größtenteils unbewusst weiter vererbt.
Der Wandel und die alten Muster
Unsere Gesellschaft hat in ziemlich kurzer Zeit viel Fortschritt in der Gleichstellung der Geschlechter gemacht. Denn selbst wenn man zu deren Grundlage das Zeitalter der Aufklärung heranzieht, beginnt der Prozess der Gleichstellung erst im 18. Jahrhundert. Das heißt, wir haben zeitlich mehr als das Fünffache an anderer Prägung und Erfahrung in uns.Vielleicht könnte diese geschichtliche Sichtweise ein wenig von der moralingeschwängerten Stereotypen-Diskussion wegnehmen, die hier in Deutschland in der Geschlechterfrage oft noch durchschimmert.
Diese Rollenbilder und die damit verbundenen Fähigkeiten haben ihren Ursprung in der Geschichte und sie waren eine Antwort auf die Probleme, mit denen die Menschheit konfrontiert war. Sie sind nicht natürlich, sondern gesellschaftlich-kulturell.
Sie haben sich entwickelt und wie alle kulturellen Entwicklungen werden sie sich transformieren, wenn die Lebensbedingungen anders geworden sind. Vielleicht wird den zukünftigen Generationen klar, dass es sich in Wirklichkeit nicht um männliche oder weibliche Stereotypen handelt, sondern um in der Geschichte angemessene Reaktionen auf anstehende Probleme. Wo Effizienz gefordert ist, haben dann (kompetente) Frauen zur Effizient die gleiche Einstellung wie (kompetente) Männer und umgekehrt. Ein Ideologie über Männer und Frauen wäre dann endlich überflüssig.
Ich bin gerade über Ihre Reaktion bzgl. des Jammer-Artikels (Ente vs. Adler) auf Ihren Blog gestoßen und die Entgegnung hat mir gut gefallen.
AntwortenLöschenUnter anderem als Studentin interdisziplinärer Geschlechterwissenschaften muss ich Ihnen allerdings sagen, dass die "Diskussion in Deutschland" wie Sie sie beschreiben wohl eine sein muss, die in den Medien geführt wird. Die Wissenschaft - und zwar gerade die Geschichtswissenschaft als auch die Kulturgeschichte sind da wesentlich weiter und vertreten ganz andere Positionen. Die eigentliche Ideologie (mir ist da nicht ganz klar, was sie damit meinen...Feminismus?)ist jedoch diejenige mit der im jeweiligen Jahrhundert politische (und damit auch geschlechterpolitische) Debatten geführt wurden.
Wenn Sie auf die gesellschaftlich-kulturelle Prägung rekurieren, klingt das für mich in ihrer Argumentationslinie allerdings sehr der evolutionsbiologischen ähnlich. Es gab auch vor dem 17. Jahrhundert Männer und Frauen und da saßen nicht die einen Zigarren rauchend in Salons; und gleichzeitig betrifft dieses Beispiel vor allem nur eine von vielen Gesellschaftsschichten. Es klingt in Ihrer Argumentation für mich ein bisschen so, als würden wir alle vom Bildungsbürgertum abstammen. Wie durchlässig die proklamierten Geschlechterrollen bilder allerdings zu jeder Zeit waren finden sie zB in vielen Studien zur Nationalismusforschung.
Außerdem möchte ich Sie daran erinnern, nachdem Sie schon in Ihrem anderen Blogartikel (Enten/Adler) das Beispiel mit dem kambodschanischen Mädchen gebracht haben, dass dieses Geschlechtermodell auf, dass sie sich beziehen sich nicht zwangsweise auf alle Länder, Kontinente oder Völkergrupppen übertragen lässt. Sie schreiben zwar gegen Ende, dass dieses sozialisierte Verhalten eine geschichtlich-kulturelle Antwort auf Problemstellungen der Zeit wäre, das klingt für mich allerdings so, als würde parallel nirgendwo etwas anderes existieren. Dafür muss ich nicht einmal auf Gesellschaften ausholen, die matriachal strukturiert leben oder die mehr als zwei Geschlechter anerkennen, dafür reicht auch ein Verweis auf den Einfluss den politische Regime auf Geschlechterrollenbilder ausüben (zB in der DDR, Kommunismus in Osteuropa, Eritrea... im Gegensatz zum Nationalsozialismus). Dies lässt sich zB an so plakativen Beispielen wie die Einstellung zu Kinderbetreuung ablesen, die zB schlagartig nach Übertreten des ehemaligen eisernen Vorhangs von Österreich aus kippt. Oder auch die Einstellung gegenüber technischen Berufen.
Ich stimme Ihnen bzgl. geschichtlich-kulturell also zu, plädiere aber für eine weitere Perspektive, die nicht nur auf Mitteleuropa schaut.
Außerdem würde ich Ihnen etwas widersprechen, was den Zeitpunkt der Gleichstellung (18. Jh) angeht, da sich dies wiederum nur auf unser Fleckchen Erde hier bezieht und zugleich an offiziellen Frauenbewegungen gemessen wird. Fakt ist (das schreibe ich jetzt mal, weil Sie diese Formulierung auch gern verwenden), dass das stereotype Rollenbild von Männern und Frauen wie wir es heute kennen (aktiv/passiv usw.) ebenso aus dieser Zeit scheint und wie so vieles im Zuge der Aufklärung konstruiert worden ist (Kindheit z.B. auch). Gerade für die Schicht der ArbeiterInnen hatte dieses bürgerliche Geschlechterbild aber zuvor und danach wenig Auswirkungen in der Praxis, da beim Kampf ums Überleben einfach kein Platz dafür war.
Vielen Dank für den ausführlichen Kommentar aus wissenschaftlicher Sicht. Die Rollenbilder sind in der Tat sehr vielfältig und nicht auf einen Nenner zu bringen. Was für meine praktische Arbeit bedeutsam ist: Es gibt Leitbilder aus der Historie gibt, die sich stärker im Menschen festgesetzt haben als andere. Matriarchale Paradigmen spielen zum Beispiel bei den Menschen in meiner Arbeit keine Rolle, das "Bildungsbürgertum" dagegen hat deutlich tiefere Spuren hinterlassen. Spannend ist der asiatische Raum, der im Erleben der Beziehungen einen großen Gegenentwurf zu unserer Kultur darstellt. Im Salon rauchende Männer sind dagegen ein anderes signifikantes Sinnbild für die Organisation von Geschlechterrollen zu einer bestimmen Zeit in einer konkreten Region. Das Entscheidende ist, was hat die Paare, die Unterstützung suchen, bewusst-unbewusst geprägt und ist diese Prägung hilfreich oder kontraproduktiv für ihre Situation? Wie Sie sagen, das Thema ist ziemlich spannend. Besonders wenn es um Krisensituationen geht, die auf heutige Paare immer zukommen werden. Bleiben wir dran am Thema!
LöschenFalls es Sie interessiert, kann ich Ihnen zwei sehr spannende Themenfelder/Texte noch empfehlen:
AntwortenLöschenChrista von Braun: Gender, Geschlecht und Geschichte - In: Stephan, Inge; von Braun, Christa: Gender-Studien.Eine Einführung.
(unglaublich spannende Zusammenhänge in einem kurzweiligen Artikel zwischen Religion, Geschlechterbildern, Entwicklung der Schriftsprache, Aufklärung, Industrielle Revolution usw. ab den alten Griechen.
Der zweite Themenkomplex dreht sich rund um die Entstehungsgeschichte der Gynäkologie und den Übergang von der Volksmedizin und Magie zur Anatomie und darin eingebettet die Reformation und prinzipiell Heilige vs. Hure quer durch die Religions- und Kulturgeschichte. - Das ist ein riesiger komplexer Brocken, aus dem ich irgendwann mal eine Videoserie machen werde (wenn Zeit), aber wahnsinnig spannend und vor allem werden Vergleiche zwischen Männern und Frauen mit der Zeit dadurch obsolet, weil mensch in der Beschäftigung mit dieses Zusammenhängen merkt, wie eng diese Thematik mit der aktuellen Weltanschauung zusammenhängt, mit den gesellschaftlichen Prozessen auf so vielen Ebenen und da bleibt weit mehr Raum als nur für eine Männersicht und eine Frauensicht. :-)