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25. September 2012

burnout aktuell - wieder mal —- und leider etwas notwendige Eigenkritik

burnout war das Thema des Jahreskongresses der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Psychologie (DGMP) heute. Der Spiegel berichtete.
Gut, überwiegend widmet sich der Artikel dem Vortrag von Gerhard Hüther und seinen Aussagen über Mensch, Lemmingverhalten, Stress, Krankheit und der Notwendigkeit, eine andere Richtung einzuschlagen. Was mir immer wieder fehlt bei den ärztlichen und psychotherapeutischen Kollegen ist ...

... ein Ansatz, der endlich auch einmal therapeutisch greifbar wird. Ok, das klingt etwas kryptisch.

Hüther benutzt das Bild des Lachses, der einer fixen Idee hinterher rennt, resp. schwimmt, nämlich der Paarung. Dafür nimmt er jeglichen Stress in Kauf, schwimmt Kilometer um Kilometer gegen die Strömung, flußaufwärts über Stromschnellen und Wasserfälle, nur um dann nach der Paarung an der erkannten Sinnlosigkeit ihres Tuns zu Grunde zu gehen.
“Jetzt gucken sich die armen Lachse um und sehen, was sie vorher im Stress gar nicht gesehen haben: Wasser zu flach, nichts zu fressen, überall andere Lachse. Das hält kein Lachs aus.”
Jetzt sind Menschen keine Lachse, aber einer fixen Idee hinterher rennen können auch sie. Bis hinein in die Sinnlosigkeit. Und genau wie Lachse, ziehen sie nicht die Notbremse. Warum? Nach Hüther liegt das an einem Urtrieb von uns, dem Verlangen, irgendwo dazu zu gehören. Und Zugehörigkeit geht in unserer Gesellschaft nun mal über Leistung.
In Deutschland zählt Leistung. Kinder erleben ständig, dass Menschen nur dann anerkannt werden, wenn sie sich anstrengen. Beispiel Schule: Hört das Kind: “Wieder nur eine Fünf in Mathe, so können wir dich nicht in unsere Klasse lassen”, verfestigt sich die Erfahrung, dass man nur durch Leistung vorankommt. Sie nistet sich im Gehirn ein. “Und irgendwann glaubt man selbst, dass Leistung das ist, was im Leben zählt”
Wie lautet die Therapie? Wirksamer als mit den Betroffenen zu argumentieren, sei es, ihnen Mut für neue Erfahrungen jenseits des Hamsterrades zu machen, zitiert der Artikel. Neue Erlebnisse führen zu anderen Wirkungen und damit zu anderen Prioritäten.
Was nicht verfolgt wird, ist, dass der Mensch weiterhin zehn Stunden am Tag in einem Job ist, der das immer schneller, immer weiter, immer aufopfernder fordert. Und genau das ist die Kritik an der Therapie - und wahrscheinlich auch an alle Berater von uns. Ein Kollege von mir hat es einmal so formuliert:
Wir nehmen Fische aus einem kranken Gewässer, pflegen sie gesund, trainieren sie besseres (nicht unbedingt schnelleres Schwimmen) und geben sie dann wieder in das vergiftete Wasser
So wie ich das sehe, wird diese Thematik unter den Therapeuten wenig bis gar nicht diskutiert. Die meisten ziehen sich auf den Standpunkt zurück, Soziales ist nicht unser Thema, uns geht es um den Einzelnen und dessen Kompetenzen und Fähigkeiten. Die Frage ist, ob das heute noch genügt. Denn was nützt es, sich um den Einzelnen zu kümmern, wenn die Umgebung den einzelnen vergiftet. Wäre es nicht besser, statt ihm beizubringen, wie er mit dem Gift umgehen soll, die Giftquelle auszutrocknen?

Wie gesagt, ein Thema, mit dem die Therapeuten wenig anzufangen wissen. Wird sich daran einmal etwas ändern? Therapeuten, die erstens keine Quereinsteiger sind, d.h. die vorher einen anderen Beruf ausgeübt und damit einen anderen Horizont aus erster Hand haben oder die zweitens nicht gelernt haben, sich selbst ernsthaft in Frage zu stellen, werden nichts voranbringen. Ein Therapeut, der darauf angewiesen ist, seinen Lebensunterhalt durch Therapie zu sichern, wird nicht viel bewegen. Wenn Sie ein System ändern wollen , brauchen sie ein gehöriges Stück Unabhängigkeit von System. Nur wenn ihre Existenz nicht daran hängt, können sie die entsprechende Gelassenheit und Distanz aufbringen, um die Dingen wirklich zu ändern ohne sich in Lobbyistengeschwätz und angebliche Sachzwänge zu verfangen. Menschen, die sich so eine Position erarbeitet haben und sie auch verteidigen, sind leider sehr rar gesät.

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