Heute geht es um die Frage, wie das Interview von Prinz Harry und Meghan bei Oprah Winfrey einzuschätzen ist. Es schlägt ja seit Sonntag genügend hohe internationale Wellen.
Piers Morgan, der wohl bekannteste Moderator von "Good Morning Britain" verlässt nach einer Eskalation seinen Arbeitsplatz und wohl auch den Arbeitgeber, nachdem er kommentierte, er glaube Meghan kein Wort, selbst wenn sie nur den Wetterbericht vorlesen würde, würde er ihr nicht glauben. Prompt warf ihm der Wetteransager des Senders Alex Beresford "erbärmliches" und "entsetzliches" Benehmen vor und erklärte, als Sohn einer Frau aus Guyana, nehme er das persönlich.
Das zeigt, wie hoch emotionalisiert die ganze Sache ist. Es gibt Kritiker und Verteidiger, von denen so mancher nicht nur das Messer wetzt, sondern auch zusticht.
Konflikte zuhauf
Dass Meghan bereits länger umstritten war, dürfte klar sein. Wenn ihr Vater sich öffentlich medial für sein Tochter schämt, ist das kein Zeichen von alltäglichen Streitereien. Jetzt nach dem Interview gibt es neben Richtigstellungen von Seiten ihrer Halbschwester anscheinend wieder neue väterliche Drohungen.
Auch wenn berichtet wird, dass im Zusammenhang mit ihr das Verhältnis von Prinz Harry zu seinem Vater zerrüttet ist, scheint es sich um mehr zu handeln, als nur um die Schwierigkeiten eines jungen Paares in einer engen traditionsgebundenen Institution. Es bleibt festzuhalten: Um Meghan und um sie herum gibt es Zerwürfnisse und Streit.
Punkte im Interview
In Ophras Interview sprach Meghan von Einsamkeit, dem Gefühl, allein gelassen worden zu sein, keine Unterstützung / Schutz bekommen zu haben, sie sprach von Suizidgedanken und über die Frage, nach der Hautfarbe ihres Babys von Seiten eines Mitglieds der königlichen Familie. Wer immer das war, jedenfalls nicht die Queen oder Prinz Philipp, wurde - wohl auf Drängen von Prinz Harry - nicht verraten.
Unabhängig von all den genannten emotionalen Schwierigkeiten, die einem jeden schwer zu schaffen machen, ist "Rassismus" in Zeiten von "Black Lives Matter" und George Floyd ein garantierter Publikumsmagnet. Und natürlich ist zu bedenken, dass Oprah keinen objektive Qualitätsjournalismus vertritt. Oprah ist Show, wenig mehr. Gleichwohl ist sie in der Medienwelt wohl die mächtigte Frau auf dem westlichen Planeten. Sie besitzt unsagbar grosses Talent, aus den Geschichten der Leute emotionale Unterhaltung zu kreieren.
Das alles muss mit einfliessen, wenn man so ein Interview wie das mit Meghan und Harry interpretieren will. Ebenso wie die gerade passierte Veröffentlichung von Harrys Auftritt als leutseliger kumpelhafter Prinz mit Blasendruck bei James Gordon auf Youtube.
Was stimmt denn nun - kurze Gedanken dazu:
Was wirklich stimmt, ist kaum aus dem Interview herauszulesen. Denn es behandelt nur eine Sichtweise und deren Botschaft ist eindeutig: Die anderen haben gegen uns gearbeitet, wir mussten uns verteidigen. Es ging um Leben und Tod.
Was das Interview verschweigt
Niemand will hier Dinge runterspielen - die oben genannten Beispiele zeugen ja von hohen Konfliktdynamiken - jedoch, wenn ich meine Erfahrung hinzulege, so sind bei solchen Konflikten immer - ja, wirklich immer - auf beiden Seiten Entscheidungen getroffen worden, die besser hätten ausfallen können. So gibt es immer bei jeder Konfliktpartei Lernmöglichkeiten und -chancen. Das Interview jedenfalls bemüht sich nicht um diesen Punkt.
Was für Harry und Meghan spricht, ist ihr Verhalten, sich aus dieser, für sie wenig lebenswerten Umgebung zurückzuziehen. Harry gibt hier wohl mehr auf, als sie. Auch das zeugt, neben dem Gewischt der Entscheidung selbst, von grosser Ernsthaftigkeit.
Zweifelhaftes
Als schwierig erlebe ich jedoch die Beschwerde / Oprahs moralisches Stirnrunzeln, wenn erzählt wird, dass ihnen die finanzielle Versorgung des Königshauses gestrichen wurde. Denn wieso sollte jemand finanzielle Unterstützung, die für seine Position als Royal gedacht ist, bekommen, wenn er / sie die Position nicht inne hat? Das klingt eher so, als wollten die beiden zwar ihre Umgebung und dessen Verpflichtungen loswerden, aber noch einen Fuss in der Tür behalten. Erscheint mir etwas ungut.
Meghan
Als jemand, der hier geboren ist, erscheint mir Meghan "typisch amerikanisch": kommunikativ, offenherzig, freundlich zugewandt, schnell bereit, über Persönliches zu reden, emotionsbetont, gewandtes Auftreten und sie scheint eine bestimmte Art von Herzlichkeit zu verbreiten. Ein Image, was ich mit den Royals nicht so ohne weiteres in Verbindung bringe. womöglich liegt in diesen Mentalitätsunterschieden die Quelle für viele Konflikte. Dass aber zum Beispiel Ana Kasparian vom Internet-Sender "The Young Turks"behauptet, angesichts der kolonnialistischen Vergangenheit Grossbritanniens sei es doch nicht verwunderlich, dass die Royals rassistische Züge in sich tragen, steht als Argument doch auf allzu sehr schwankenden Boden. Das britische Königshaus wurzelt nicht im Kolonnialismus, sondern ist älter. Es wäre, als würde man sagen, Amerika wurzelt in der Sklaverei und übersieht damit, dass Amerika diese von Europa geerbt hat.
Wenig glaubhaft erscheint mir Meghans statement, sie hätte Prinz Harry nie gegoogelt, sich nie über die Familie informiert, als sie ihn gedatet hat. Sie hätte überhaupt keine Ahnung von all diesen Hintergründen gehabt. Da wäre sie wohl die einzige Frau in der westlichen Hemisphäre, die nicht wissen wollte, wohin sie einheiratet. Und selbst wenn, würde das doch bei allem Wohlwollen die Grenzen einer unterstellten Naivität übersteigen.
Die Hauptwirkung des Interviews
Was das Interview jedoch geschafft hat, ist eine enorme Aufmerksamkeit. Viele Amerikaner, die schon damals im Konflikt um Harrys Mutter Diana im Palast auf deren Seite standen, fühlen sich wohl auch ohne Prinz Harrys Anspielung auf seine Mutter ("Ich hatte Angst, dass sich die Geschichte wiederholt") bestärkt, Meghans Partei zu ergreifen. Andere halten dagegen. Diese Konstellation ist der Stoff, auf den die heute herrschende Aufmerksamkeitsökonomie "abfährt".
Für Harry und Meghan selbst geht es um ihre Zukunft und ihr Markt ist - nachdem die Kanadier sich geweigert haben, weiterhin 1000de von Steuergeldern für die security des ihnen fremden Prinzenpaares hinzublättern - Amerika. Wer bei Oprah war / ist, dem ist eine Eintrittskarte in diesen Markt fast garantiert.
Wenn es also um die Zukunft von Meghan und Harry geht, ist die Frage, was ist denn nun dran ist, an dem Ganzen, eher zweitrangig.
Artikel:
- über Piers Morgans Abgang
- über Meghans Vater und Halbschwester
- Prinz Harry bei James Gordon
- Kommentar von Ana Kasparian von "The Young Turks"
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