Der Schwarze Tod |
Die Geschichte ist voll von Seuchen und Gegenmassnahmen: Die Jahre nach 1348, als der Schwarze Tod durch Europa zog und um die 30 Prozent der Bevölkerung tötete. Oder die "Pest des Thukydides" 430–426 v. Chr.
Dass der Schwarze Tod in Marseille 1729 und 30 Jahre später in Moskow Einzug hielt, ist weniger bekannt. Ebenso die Pest auf Korfu (1812), in Konstantinopel (1825 und 1837), auf der Peloponnes (1827-1828) oder in Hamburg (1812-1813).
Ganz zu schweigen außerhalb Europas: Millionen Tote in Indien (u.a. Bombay 1896) und China im 19. Jahrhundert, Leichenberge in Kairo (1835) oder Alexandria (1834-1835).
Wir können aus der
Geschichte einiges für Corona abschauen und über uns selbst lernen. Doch nicht alles ist erfreulich.
Die Epidemie der Antike
Lukrez sprach davon, dass der "Pesthauch" Attika in ein "Leichengefilde" verwandelt hat. Thukydides, der Ahnherr der Seuchenberichterstattung, zählt auf:
Erklärungen für das Unerklärliche
Sophokles erklärte in seinem Theaterstück, die Ursache der Pest in Theben war die Blutschuld des Königs Ödipus. Aristaeus schrieb von zornigen Nymphen, die die Krankheit sandten. Ovid vermutete ein Treiben der Götter. Egal ob du fromm oder tugendhaft oder ein Schurke warst, arm oder reich, die Krankheit traf alle gleich. Was spielte das alles noch eine Rolle?
Medizinische Erklärungen, Miasmen, die als Schadstoffpartikel in der Luft, die Seuche übertragen sollten, mögen zwar erste Anzeichen von "Wissenschaft" sein, es beantwortetet aber bis heute nicht die soeben gestellte Frage.
Die Seuche in Athen brachte deshalb nicht nur Menschen um, sondern auch die
soziale Ordnung. Thukydides spricht weiter von anomia (Gesetzlosigkeit),
Wut, Agression, wüste Gelage - denn was bringt es, sich einzuschränken,
wenn wir eh alle draufgehen. Nehmen wir mit, was geht. Auf der anderen
Seite sieht Thukydides die athymia (Mutlosigkeit), Resignation und depressiven Rückzug.
Das 14. Jahrhundert
Agnolo di Tora berichtet für Siena:
Geschichtsschreiber schrieben über die Verrohung der Gesellschaft, über zunehmenden Fremdenhass und über die Suche nach Sündenböcken. Behördliche Maßnahmen wurden an einem Orst unerbittlich durchgezogen, im Nachbarort dagegen lasch bis gar nicht. Denn die Ursache der Seuche blieb wieder im Dunkeln. Gottes Zorn ist im 14. Jahrhundert eine passende Erklärung neben anderen: Der Dichter Antonio Pucci aus Florenz z.B. sieht die Ursache in der Abkehr von Tugend und Moral. Aber auch die Miasmenlehre ist wieder im Gespräch.
Verschwörungstheorien begleiten die Epidemie
Die Bolgneser Chronik sagt, in China und Persien hat es "Wasser mit Würmern geregnet", "Feuerbälle" seien vom Himmel gefallen und wer sie ansah, ist tot umgefallen. Die Auswirkungen davon sei die Seuche.
Ein italienischer Geistlicher behauptete, in Indien hätte es "Frösche, Schlangen, Eidechsen, Skorpione und viel giftige Tiere geregnet", dann hätte ein Hagelschlag Menschen und Tiere getötet, am dritten Tag wäre Feuer vom Himmel gefallen und hätte die Menschen verbrannt. Der Gestank der Leichen hätte den Pesthauch hierhergetragen.
Noch in der Neuzeit glaubte man - z.B. in Wien, Polen etc. - die Pestjungfrau gesehen zu haben. Sie flog meist als blaue Flamme umher oder entstieg als weibliche Gestalt dem Mund eines Toten. Hob sie die Hand, bedeutete das eine Neuansteckung.
Was sollte man glauben, was sollte man tun, was half?
Es waren nicht die Diskussionen mit Experten und an Universitäten, sondern die praktischen Maßnahmen vor Ort, die zogen.
In der Toskana und in Venedig ernannten die Gesundheitsbehörden Laien zu Gesundheitskontrolleuren, die Isolierungsmaßnahmen durchsetzten. Einfach weil sie merkten, dass das half. Gesundheitsbehörden kontrollierten die Lebensmittelbeschaffung, die Trinkwasserversorgung und das Beerdigungswesen. Ein einziger übersehener Fall konnte zur Katastrophe werden, deshalb entstanden rigide Notstandsgesetze:
Das geballte Wissen |
Gesellschaftliche Folgen
Viele Ärzte erlitten das Schicksal ihrer Kranken am eigenen Leib. Die Orden, die sich berufen fühlten, der Pflege anzunehmen, wurden zum Teil komplett ausgelöscht und mussten später neu gegründet werden. Adel und spätmittelalterliche Aristokratie verschwanden als gesellschaftliche tragende Säule für immer. Was dafür kam, waren die Handwerker und Zünfte. Sie bestimmten die nächste Epoche. Neue Aufstiege für andere bisher Ungehörte wurden möglihc. Ohne die Pest hätte es keine machtvolle Familie Medici gegeben. Die ganze Gesellschaft wurde in eine Transfsormation gepresst.
Sinn und Lehre aus der Geschichte
Wie ist es heute? Die Ursache von Corona ist klar, aber welche Erscheinungen aus der Geschichte sehen Sie auch heute noch am Werk? Was können wir lernen?
Klaus Bergolt schreibt:
Quellen:
- Klaus Bergolt: Die Pest. Geschichte des Schwarzen Todes. 2011
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