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6. April 2020

Corona-Partys - die psychologischen Ursachen dahinter

Trotz Pandemie gibt es immer noch Corona-Partys.
Was steckt psychologisch dahinter?
Nachdem ein 34-Jähriger innerhalb weniger Tage zum fünften Mal Gäste in seiner Wohnung empfangen hatte, nahmen ihn Polizisten schließlich in Gewahrsam. Nun sitzt er im Gefängniss. So die Meldung vor kurzem.

Was ist der Grund für solch fehlende Compliance hinsichtlich Regelungen, die getroffen wurden, um die Ansteckungsgefahr einzugrenzen? Was motiviert solche Leute? Welche Dynamiken bringen solche Entscheidungen und Verhalten hervor?
Mangelnde Info? Narzismus? Verleugnung? Selbsttäuschung? Psychische Störungen?

In diesem Post werden wir all dem nachgehen und nach psycholgischen Einschätzungen eine Antwort finden.

Ich rede hier nicht über Menschen, die vergessen, sich nicht ins Gesicht zufassen oder die zufällig den gebotenen Abstand unterlaufen. Ich rede hier von Leuten, die sich die Abstandsregeln ansehen, sie auch verstehen (oder den Anschein haben) und dann entscheiden, dem nicht zu folgen.

Die Gründe sind zurückzuführen auf mentale Faktoren, auf die Persönlichkeit und einige Gründe beinhalten Themen der geistigen Gesundheit. Schauen wir uns die Sachen genauer an:

Mentale Faktoren

Oftmals hat man es hier mit fehlenden kritischem Denken zu tun. Für manche Leute ist es einfach schwierig, das Ausmass und die Wirkung einer Pandemie nachzuvollziehen. Entsprechend fehlt ihnen die Fähigkeit, die Folgen ihres Verhaltens einzuschätzen.
Was die Sache für sie weiter erschwert, sind die vielen Falschinformationen oder Halbwahrheiten, die in der Welt sind. Zum Beispiel hat ein Lungenarzt ja von sich und seiner Meinung über Covid-19 und über andere Virologen auf Youtube von sich Reden gemacht und Richtiges mit Unsachlichem gepaart mit Unterstellungen so vermischt, dass Verschwörungstheoretiker applaudierten. Wenn aber schon der Input an Info korrumpiert ist, dann führen selbst Logik und Vernunft zu falschen Schlussfolgerungen. Das ist eine Ursache für Non-Compliance.


Persönlichkeitsfaktoren

Einige Persönlichkeiten neigen mehr als andere dazu, Regeln zu brechen. Nehmen wir die bekannten elemente zur Beschreibung von Persönlichkeitstypen: Offenheit für neue Erfahrungen, Gewissenhaftigkeit, Extroversion, Verträglichkeit, Neurotizismus

Offenheit für neue Erfahrung

Wer hier einen high score erreicht, der kann geneigt sein, Regeln zu missachten, denn mit dem high score in diesem Bereich geht ein rebellischer Zug einher. Doch auch, wer hier wenig Punkte erreicht, neigt dazu, Regeln nicht zu befolgen.
Bei der jetzigen Pandemie wissen wir über den Virus schon einiges, gleichzeitig gibt es aber zu verschiedenen Themen auch unbewiesene Theorien, denen erst noch nachgegangen werden muss. Menschen, die wenig offen sind für neue Erfahrungen neigen dazu, abstrakte Konzepte (wie Theorien) eher negativ zu beantworten. Wenn sie also abstrakte Konzepte, wie es nun mal Regeln, Gesetze etc. sind, hören, entsteht in ihnen ein Impuls, diese abzulehnen.

Gewissenhaftigkeit

Das ist offensichtlich: Jemand, der nicht gewissenhaft ist, hat eine höhere Wahrscheinlichkeit, sich über die Folgen seines Verhalten keine grossen Gedanken zu machen. Ich denke, wenn es um Corona-Partys geht, erklärt eine solche Persönlichkeitsakzentuierung sehr viel.

Extraversion

Mit einem hohem Extraversionsgrad geht Spass an Erlebnissen, Sensationslust und die Eigenheit, schnell gelangweilt zu sein, einher. Gefahr ist aufregend, so also auch das Virus.

Für Otto Normalverbraucher klingt das vielleicht befremdlich, in Wirklichkeit ist dieser Persönlichkeitszug weit verbreitet. Er ist zum Beispiel verantwortlich, dass wir so was wie Achterbahnen auf Volksfesten haben haben. Und es sind nicht nur die Fahrgeschäfte. Abenteuerreisen, Mutproben, das Feuerwerk an Sylvester, Börsenspekulationen etc., sie alle sind Teil unseres Impulses, rauszugehen und unser Glück zu versuchen.

Ein weiteres Phänomen hat mit Extraversion zu tun: Es gibt Leute, die fühlen sich schnell eingesperrt. Als Bear Grylls, einer der bekannten Survivel-Experten, einmal gefragt wurde, wovor er eigentlich echt Angst habe, antwortete dieser: "Cocktailpartys."

Verträglichkeit

Einerseits ist jemand, der hier einen hohen score erreicht, mehr dazu geneigt, sich an Regeln zu halten und sich um das Wohl seiner Mitmenschen zu sorgen. Gleichzeitig aber, wenn so jemand in einer peer-group ist, in der es eher angesehen ist, sich nicht an Regeln zu halten, übernehmen das die Menschen mit hohem Verträglichkeitsscore.

Auch ist jemand, der hier wenig Punkte aufweist, mehr dazu geneigt, zu tun, was er will ohne sich um den Rest gross zu kümmern. Wir wissen, dass  Leute mit wenig Verträglichkeit häufig in der Wissenschaft zu finden sind und wissenschaftliche Fakten sind für sie entscheidend, nicht die sozialen Folgen. So sind Regelbrecher hinsichtlich social distancing wohl eher Leute mit wenig Verträglichkeit.

Neurotizismus

Menschen, die hier ihren Schwerpunkt haben, tun sich schwer, Versuchungen zu widerstehen, also auch der Versuchung, sich gegen social distancing zu entscheiden. Gleichzeitig aber finden wir hier auch mehr Ängstlichkeit, was zu mehr Compliance führt.
Allgemein jedoch führt ein niedriger Wert im Neurotizismus zu mehr Furchtlosigkeit: "Mir passiert schon nichts, ich hab das im Griff!" So was ist nicht immer von Vorteil. Hat man also eine Kombination von wenig Neurotizismus und hoher Extraversion, dann bedeutet das hinsichtlich Regelbefolgen und Compliance in Bezug auf das Virus eine ziemlich unschöne Mischung.

Jemand mit niedrigen Neurotizismuswert ist aber auch ruhig und wenig aufbrausend. Das fördert die Verlässlichkeit bei Entscheidungen. Falls er jedoch im niedrigen Bereich von Verlässlichkeit liegt, dann wird es Probleme geben beim Durchhalten von getroffenen Entscheidungen. Der Regelverstoss wird mit zunehmender verstreichender Zeit wahrscheinlicher.


Die "Dunkle Triade":

Dieses an fantasy-Spiele erinnernde Begriffspaar ist in der Psychologie gekennzeichnet durch drei Komponenten:

Psychopathie

Ein Mangel an Einfühlungsvermögen und Verantwortungsbereitschaft für andere, Leichtsinn, Sensationslust, kriminelle Tendenzen und Impulsivität ... alles Dinge, die geradezu nach Regelbrechen schreien.

Narzismus

Natürlich kann Narzismus zu mangelnder Compliance führen. Narzisten denken, dass sie kompetenter sind als der Rest und sie wollen auch ihre Vorstellungen durchsetzen. Wenn Politiker sagen "Das sind die Regeln, damit alle in Sicherheit sind", dann antworten Narzisten: "Was wisst ihr schon? Wer seid ihr eigentlich, dass ihr mir sagen wollt, was ich zu tun habe?"

Aber was ist mit Fakten? Nun, Narzisten sind keine Faktenleugner. sie schauen sich die Fakten durchaus alle an, nur sagen sie danach: "Ich weiss am besten, wie diese zu interpretieren sind! Das Virus ist nicht so gefährlich, wie es Virologen uns glauben machen wollen. Ausserdem bin ich sicher, denn ich bin klüger als die anderen. Regeln sind für gewöhnliche Menschen, nicht für mich!"

Narzisten können die Regeln von social distancing ohne weiteres brechen und gleichzeitig andere verurteilen, die das auch tun. "Hey, Idioten muss man verurteilen, für so Intelligente wie mich gelten jedoch andere Dinge!"
Narzisten sind immer auf einer Seite: Auf der von Narzisten (so lang diese mit ihnen übereinstimmen).

Macchiavellismus

Das sind strategische Denker, was durchaus zweischneidig ist. Ein Macchiavellist schaut sich die Regeln an, urteilt, ob die für  für seine persönlichen Interessen gut sind und entscheidet entsprechend, ihnen zu folgen oder nicht.
Gleichzeitig sind Macchiavellisten Zyniker. Entsprechend mögen sich den Aussagen von Virologen nicht unbedingt Glauben schenken. Ebenso liegt hier eine opportunistische Haltung vor. Sind Macciavellisten also opportunistisch, gleichzeitig jung und gesund, liegt die Entscheidung nahe, dass social distancing nicht in ihrem Interesse liegt. Folge: sich nicht daran halten!

Paranoia

Paranoide haben Angst, sich anzustecken. Doch noch mehr haben Paranoide Angst vor bösen Absichten. Paranoide misstrauen in erster Linie Menschen, nicht einem Virus. Paranoide haben entsprechen Sympathien mit Verschwörungstheorien, die mit Covid-19 einhergehen: Es sei nicht so gefährlich, das Virus sei aus einem Labor entwischt und stamme von der Regierung, die Regierung nutze das Virus, um uns zu manipulieren und kleinzuhalten etc.

Wenn eine Verschwörungstheorie über einen längeren Zeitraum für wahr gehalten wird - entgegen aller Fakten und anderer Wahrscheinlichkeiten, dann nähert man sich der Grenze zur Wahnvorstellung.

Verleugnung

Tritt in der Regel bei Substanzmissbrauch (Alkohol, Drogen ...) auf, aber auch bei Non-Compliance. Verleugner glauben einfach nicht, was passiert. Einige argumentieren, dass sie nicht glauben können, die Folge wäre, zuzugeben, dass etwas wirklich schlimm ist. Und genau das ist die Theorie, die hinter dem Verleugnen steckt: Es schützt das eigene Ego vor dem Wissen über die eigene Verwundbarkeit, der Gewöhnlichkeit und der Sterblichkeit.

Bei manchen kann man aber auch sagen, dass Verleugnung eine Dynamik ist, die zu ihrer Wahnvorstellung dazugehört.

Aus all dem -
welche mentalen Störungen führen nun dazu,
die Regeln zu brechen?

Paranoide Pesönlichkeitsstörung, auch der schizoide Bereich kann hier genannt werden (wegen der darin enthaltenen Wahrnehmungsstörungen), antipersönliche Persönlichkeitsstörung, narzistische Persönlichkeitsstörung, borderline (wegen der hohen Impulsivität) und histrionische Persönlichkeit (wegen der Sensationslust), psychotische Störungen, bipolare Störungen, major depression, Schizophrenie (wegen der Wahnvorstellungen), Substanzmissbrauch (wegen erhöhter Impulsivität und herabgesetzter Urteilsfähigkeit durch die Drogen)


Aber was kann als Hauptgrund von all durchgehen?

Vermutlich die "Dunkle Triade". Das ist jetzt kein Begriff aus dem offiziellen Diagnosemanual, entsprechend zählt es nicht als Krankheitsbild, sondern als soziale Verhaltensweise. Es ist jedoch weit verbreitet und wenn es als Problem begriffen wird, hat es im Coaching anstatt in der Psychotherapie seinen Platz.

Wir haben es hier mit einem Interaktionseffekt zu tun, ein Begriff aus der Chemie: Sie haben eine Substanz, die etwas problematisch ist, fügen eine andere chemische Substanz hinzu, es kommt zu einem Effekt, der es noch gefährlicher macht. Dann fügt man noch eine problematische Substanz hinzu und jetzt hat man eine Mischung, die gefährlicher ist als die Summe ihrer Teile. Das ist "Dunkle Triade".
Interaktionseffekten aus der Psychologie wären zum Beispiel, jemand mit schwerer Depression entwickelt ein Alkoholproblem. Interaktionseffekt: Alkohol verstärkt die depressiven Symptome, die erschwerten depressiven Symptome fördern den Konsum von Alkohol. Ergebnis: noch größeres Problem, höhere Gefahr, mehr Leid.

Der Interaktionseffekt in Zeiten von Covid-19 ist: Virus + Dunkle Triade.

Prävention ist das Mittel der Wahl, um die Ausbreitung einzudämmen und jemand mit "Dunkler Triade" wird Präventionsregeln missbräuchlich gegenüberstehen. Ergebnis: Das Virus wird gefährlicher für die Bevölkerung.

An Covid-19 sterben Menschen, entweder direkt oder dadurch dass andere Krankheitsbilder so veschlimmert werden, dass sie auch zum Tod führen. Die "Dunkle Triade" zeichnet sich durch Gewissenlosigkeit aus. Ein Virus mit Todesfolge in Verbindung mit Gewissenlosigkeit ist eine sehr gefährliche Mischung.

Quellen

  • hier die Nachricht über die Corona-Party

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