7. Oktober 2018

Konservative sind dümmer, aber reicher, Liberale ärmer,aber intelligenter. Einige Bemerkungen dazu

Eine Studie untersuchte zum Beispiel den Zusammenhang zwischen politischer Einstellung und Intelligenz. Anlässlich der bevorstehenden Wahl in Bayern hier nun das Ergebnis: Linksliberale sind schlauer als Konservative. Dafür haben Konservative im Durchschnitt mehr Geld.

Konservative führen ein Leben, in dem Intelligenz nicht trainiert wird

Generell erscheint das Ergebnis einem logisch: Wer sich mehr auf die Tradition stützt, der muss weniger selber denken. Denn die Tradition gibt es vor, was von was zu halten ist.

Intelligenz dagegen, so der Evolutionspsychologe Satoshi Kanazawa, macht es möglich, sich anders zu verhalten, als das, was wir bisher hatten.
So ist es uns möglich, neue Wege im sozialen Miteinander zu beschreiten. Ebenso können wir uns entscheiden, uns für Menschen einzusetzen, die nicht mit uns verwandt sind, ja, die wir nicht einmal kennen. Das mag verwunderlich sein, ist aber eine Folge unserer höheren Hirnfunktionen.

Folgen wir dem, was schon immer war, dann heisst das - auch das ist belegt -, dass Menschen traditionell eher für Angehörige und Familienmitglieder sorgen als sich um Wildfremde kümmern. Das haben wir mit unseren verwandten Primaten gemein. Zuerst kommt die eigene Sippe.

Evolutionär macht das Sinn. Denn Tradition sorgt für Sicherheit und neue Wege zu beschreiten ist immer unsicher. Deshalb soll lieber alles so bleiben, sagt die Tradition, ist einfach sicherer so.

Konservative Nachrichtenblätter schrieben natürlich dagegen. Auch ist der Autor der Studie zuweilen mit zwischenmenschlich schwierigen Bemerkungen aufgefallen. Aber im folgenden geht es um "konservativ", Tradition und "liberal" als Fähigkeit.

Das Problem der Konservativen

Zur Tradition gehörte, dass alles aus einem zentralen Prinzip (Gott, Individuum, Rationalität; Vernunft, Humanität etc.) heraus erklärt wurde. In diesem einen Prinzip fand sich auch die Legitimation für Institutionen, politische Handlungsweisen, Gesetze, Beurteilungen .... Es gibt immer ein "höheres", übergeordnetes Prinzip, nach dessen man sich richtet. Dann kamen auf einmal die Philosophen der Postmoderne und sagten, dass dieser Denkansatz nicht mehr haltbar ist. Denn:
  • Vernunft ist letztendlich nicht das ausschlaggebende Handlungsprinzip, als das es traditionell gesehen wurde
  • Der Mensch ist nicht der souveräne Träger von Wissen, Erkenntnis und Emanzipation. Heute würde man sagen, dass unbewusste Dynamiken und prärationale Momente eine weit mächtigere Rolle im Menschen spielen als die meisten zuzugeben bereit sind
  • Deshalb scheitern Aufklärung und Emanzipation, wenn sie meinen, sich auf ein festes Fundament berufen zu können auch philosophisch und gesellschaftlich-politisch.
Punkt 1 stammt zum Beispiel von Lyotard, Denker der Postmoderne, und er erklärt die Tradition und  Sichtweise der Aufklärung für gesellschaftlich vorbei. Punkt zwei, auch aus der Postmoderne, haben die Psychoanalytiker und Therapeuten bestätigt. Und spätestens seit den Neurologen wissen wir, dass Rationalität als oberstes Prinzip nur eine Folge eines physisch geschädigten Gehirns ist.

Kurzum: Wer dem Ideal der Aufklärung mit seinem Vernunftbegriff als oberstes Lebensprinzip folgt, hat womöglich einen Dachschaden. Deshalb ist das Ideal der Aufklärung obsolet. Punkt drei ist nur die logische Konsequenz aus den beiden vorangegangenen.

Und tatsächlich scheint es angesichts der sehr unterschiedlichen Sichtweisen der verschiedenen Disziplinen sebst bei gleicher Faktenlage schwierig, einen gemeinsamen Nenner zu finden. Wir sind heute näher bei Nietsche als bei dem Vernunftbegriff der Aufklärung, wenn dieser sagt:


Es gibt keine Tatsachen, es gibt nur Interpretationen.




Heutige Interpretationen sind nicht nur vielfältig, sie sind auch widersprüchlich. Und es gibt keine Zentralinstanz mehr, die Gehorsam durchsetzen kann, wie die alten Muster es taten. Nirgendwo sonst wird das durch das Internet so deutlich wie heute, wo Fakten auf Faktenleugner stossen. Mit anderen Worten: In der Realität spricht einiges für die Postmodernisten.

Was wäre deren Sinnangebot?

Statt sich auf Dogmendenken, auf widerspruchsfreie allgemeinverbindliche Wahrheiten, als Letztbegründung zurückzuziehen, ist daher heute ein kunstvolles Agieren zwischen den verschiedenen Sinnerzählungen viel hilfreicher. Sowohl für die eigene Lebensführung, wie auch für die Gestaltung einer Gesellschaft. So eine der Antworten.

Das Urteil der "Konservativen" ...

Das konservative Denken kann darin bislang aber nur ein "anything goes" erkennen. Entsprechend zeigt sich dem konservativen Horizont unsere heutige emotionale und psychische Situation als zerrissen. Der Konservative redete deshalb auch gerne vom Werteverfall und welch falschen Kurs die Gesellschaft heute nimmt und verurteilt postmoderne Sympatisanten. Sein Angebot dagegen ist die Übersichtlichkeit des einen Prinzips.

... ist erfolgreich

Man sieht es am grossen finanziellen Erfolg der Behauptung, dass Deutschland sich abschaffe. Andere reden von "Umvolkung" oder von der geplanten Vernichtung Deutschlands durch Eliten oder anderen omninösen Mächten. Von "früher war alles besser" bis "Ich mach mir Sorgen um die germanische Rasse" ist heute alles dabei. Egal, was, die Geschehnisse von heute werden durch eine einzige Ursache, gepaart mit einer titulierbaren Täterschaft, erklärt. Hier haben wir wieder das Prinzip der Tradition, wie oben erwähnt.

Das alles findet auch Anklang. Denn in einer Phase der gesellschaftlichen Entwicklung in eine neue Zeit hinein hören Menschen gernen denjenigen zu, die behaupten, zu wissen, wo es lang geht. Ob die Inhalte, die sie von sich geben, einer Überprüfung standhalten, ist da erstmal zweitrangig. Hauptsache ein Orientierungsangebot, in dem ich mich wiederfinde. So funktioniert ein gutes Geschäftsmodell. Und genau das wird hier geboten: ein klaren Angebot, einfache, überschaubare Lösungen - man könnte auch sagen, es ist ein sehr einfache Produkt, das man ohne viel nachzudenken im Alltag umsetzen kann.

Die Intelligenz der "Liberalen"

Tatsächlich ist die Art des kunstvollen Agierens ohne allgemein verbindliche Wahrheiten eine Art interkulturelle Kompetenz. Diese kann mit den einzelnen unterschiedlichen Bereichen interagieren, ohne sich darin zu verlieren, festzuklammern und ohne auf die eigene Wahrheit pochen zu müssen.

Nicht nur, dass so jemand Widersprüchliches nebeneinander stehen lassen kann, er muss nicht selten auch das Gefühl überwinden, so nirgends richtig zugehörig sich fühlen zu können. Wer so etwas kann, auch aushalten kann, der muss (sozial) intelligent sein.

Das ist aber auch "verflucht" anstrengend. Nicht alle halten das lange aus. Denn Teil einer Gemeinschaft zu sein, war und ist für uns überlebenswichtig. Diese interkulturelle Kompetenz braucht deshalb auch mindestens genau so viel Kompetenz zur internen Emotions- und Stressregulierung. Auch das hat nicht jeder.

Der "Konservative" bietet dafür etwas sehr menschliches

Sein Name ist: Heimat. Allerdings in einer speziellen Geschmacksrichtung. Heimat heisst per Tradition nämlich nie:
  • in sich selbst zu Hause zu sein, 
  • so in sich zu ruhen, dass wir ein Leben aus einer inneren Gelassenheit heraus leben, so dass wir uns genauso gut in Tokio oder Burundi zu Hause fühlen können wie in Berchtesgaden, Berlin oder sonst wo.
Heimat ist im Konservativen der Vorstellung eines Heims geschuldet, das sich nicht verändern soll, das vielmehr zu bewahren ist. ("Konservativ" kommt aus dem Lateinischen und steht für "bewahren")

Entsprechend wird "Heimat" mit Äusserlichkeiten (in Bayern die Tracht und die Bräuche etc.) in Verbindung gebracht, zu denen man eine bestimmte emotionale Beziehung aufbaut. Auch die heutige Betonung vom Deutschsein ist mit äusserlichen Verhalten und geografisch als typisch interpretierte Elemente verbunden. Kirchtürme gehören zum Beispiel dazu, Moscheen nicht. Von indischen Tempeln ganz zu schweigen. Und wenn schon eine Moschee gebaut wird, dann muss die niedriger sein als der christliche Kirchturm.

Konservative Vorstellungen von Heimat sind daher nur als innere Abhängigkeit von äusseren Umständen denkbar und folglich müssen sie vehement eines abwehren: Die Anerkennung des Anderen, Fremden als gleichwertig. Als Folge stellt sich Gelassenheit beim Konervativen nur durch innere Abschottung ein.

Letztendlich unversöhnlich

Hier sind wir wieder bei den unterschiedlichen Auffassungen, wie wir uns in der Welt bewegen sollen. Letztendlich bringt man die beiden nicht auf einen Nenner. Blickt man jedoch über den Tellerrand der eigenen Befindlichkeit hinaus, dann neige ich eher zum nicht-konservativen Standpunkt. Weil ich Geschichte mag.

Was man aus Geschichte lernen kann, ist, dass soziale, gesellschaftliche Entwicklungen ein wenig steuerbar, auf jeden Fall aber nicht konservierbar sind. Jede Entwicklung wurde in der Geschichte auch wieder überwunden - durch eine neue Entwicklung. Es gab nie eine Zeit, in der alles so blieb wie es war. Wer einen solchen Eindruck von seiner Zeit hat, der hat nur zu wenig Information.

Letztendlich gibt es nur einen Grund, warum Menschen - egal ob lieberal oder konservativ - scheitern. An ihrer Verwechslung ihres Lebens mit Statik und an mangelhafter Navigationsfähigkeit.

Quellen:

  • hier der Link zur Studie

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