Eines muss man schon sagen: Offiziell gibt es kein grosses Beschönigen, Kleinreden oder sonstiges Getue, um die Täter zu schützen und die Dinge privat zu regeln. Auch wenn man kirchenferne Medien zitiert, wird nicht mehr gekontert, dass seien doch nur alles Hetzkampagnen von Kirchenhassern. Inzwischen berichten auch kircheninterne Medien ohne viel Blätter vor dem Mund. Hier haben die Verwalter der christlichen Glaubensgemeinschaft dazugelernt.
So gab es auch kein Herumdrucksen, als nun eine Grand Jury in Pennsylvania ihren Bericht Bericht veröffentlicht hat. Darin werden mehr als 300 Geistliche beschuldigt, seit den 1940er-Jahren Kinder missbraucht zu haben. Die Zahlen gehen in die Tausende. Einem geschwängertem Mädchen soll eine Abtreibung "aufgedrückt" worden sein.
Fast alle dieser mutmaßlichen Fälle sind verjährt, auch die Täter sind meistens inzwischen tot. Was sollen die Leiter der katholischen Kirche also noch tun?
Nun, es gibt auch hier immer mehr zu tun als nur die Beteuerung, wie schlimm das alles für die Opfer gewesen ist und dass ihnen Glauben und Vertrauen geraubt wurde, wie es der vatikanische Sprecher sagte. Denn der Bericht förderte auch zutage, dass ein gewisser Donald Wuerl damals geholfen hat, Täter zu schützen. Wem der Name genau wie mir nichts sagt: Wuerl ist derzeit Kardinal und als solcher leitet er die Erzdiözese Washington mit mehr als 600 000 Katholiken.
Was heisst das nun, wenn der Vatikansprecher wieder beteuert, dass Täter zur Verantwortung gezogen müssen?
Der Vorgänger von Wuerl, Erzbischof Theodore McCarrick, hält übrigens einen traurigen Rekord: Er ist der erste Kardinal, der von seinem Amt zurückgetreten ist, nachdem ihm Missbrauch von Kindern und Priesteramtskandidaten vorgeworfen wurde. Der Vatikan hielt die Vorwürfe für glaubwürdig und ein Verfahren ist anhängig.Der höchstrangige Kirchenführer in Australien, Erzbischof Philipp Wilson, ist ebenfalls weg vom Fenster. Er war zu einem Jahr Gefängnis verurteilt worden. Dreimal dürfen Sie raten: wegen Vertuschung von Missbrauchsfällen. Bei ihm und seinen Missbrauchsgeschichte hat sich sogar der australische Premierminister eingeschaltet und hat den Vatikan um dessen Entlassung gebeten. Wilson will in Berufung gehen.
Wuerl hat McCarricks Rücktritt als "grossen Schritt nach vorne" bezeichnet. Jetzt hängt er selber drinnen. Zu den erhobenen Rücktrittsforderungen sagt er jetzt: "Nein."
Was mein Problem an dem Problem ist
Als Therapeut kommt man zuweilen in die Lage, mit Menschen zu tun zu haben, die Missbrauch oder Vergewaltigung erlebt haben. Und Therapeuten haben dann länger damit zu tun als die Verwaltungsmenschen und Rechtsabteilungen der Kirche. Mir fällt zweierlei dabei auf:Erstens: Es wird, wie gesagt, sehr viel beteuert, wie schlimm das alles für die Betroffenen ist. Mit wesentlich weniger Bereitschaft wird betont, was die priesterlichen Täter denn tatsächlich sind: Verbrecher. Hier übt man sich trotz sonstiger Deutlichkeit auf einmal wieder in Zurückhaltung. Dabei wäre diese Deutlichkeit wünschenswert.
Von mir aus können Sie sagen, das ist Sprachgetue. Mein grösseres Problem ist ein anderes:
Rücktritt von Ämtern und Verbot, priesterlichen Handlungen auszuüben genügt meiner Ansicht nach nicht. Die höchste Strafe, die die katholische Kirche kennt, ist die Exkommunikation, also der Ausschluss aus der Heilsgemeinschaft, wie die Kirche sich selbst bezeichnet. Als sogenannte Tatstrafe muss sie nicht einmal von einem Gericht ausgesprochen werden.
Und da beginnt mein Problem:
Wer sich zum Beispiel in Deutschland der Kirchensteuer verweigert durch Austritt, der zieht sich automatisch diese Höchststrafe zu. Wenn man dagegen ein Kind vergewaltigt, dann kommt man laut kirchlicher Rechtssprechung mit einer geringeren Strafe davon. Man bleibt nämlich Teil der Heilsgemeinschaft. Warum zieht also ein Austritt - auch wenn er unter der Aussage getroffen wird, es geht nur ums Geld, es ist keine Abkehr vom Glauben - die Höchststrafe nach sich, die Vergewaltigung eines Minderjährigen aber nicht? Inwiefern ist dies anscheinend ein geringerer Schaden?Mein Problem ist also das innerkirchliche Rechtsempfinden und das kirchlich gesatzte Recht. Es stimmt nicht mit dem überein, was die Kirchenvertreten proklamieren zu verkündigen. Und damit ist das Ganze ein Widerspruch in sich.
Mein Problem ist von der Sorte, dass es nicht einmal der Diskussion wert ist
Im Alltag kann man über solche Dinge natürlich leicht hinwegsehen. Da hat man andere Probleme, zum Beispiel wie kriege ich genug Leute zusammen, um meinen Betrieb aufrecht erhalten zu können. Und Missbrauch passiert meist eh woanders.Ich dagegen arbeite halt leider auch als Therapeut und habe zusätzlich noch einen Abschluss in Theologie und da fallen einem solche Widersprüche halt auf. Widersprüche, die den kleinen Mann auf der Strasse beziehungsweise dem Alltagskatholiken garantiert nicht sehr interessieren oder deren Bedeutung er bestenfalls als nur minimal einstuft. Entsprechend ist das, was ich sage, in kirchlichen Kreisen - sofern ich mit ihnen zu tun bekomme - sehr irrelevant.
Da lauert im Hintergrund zudem auch die weiterführende Frage, ob man nicht etwas am kirchlichen (Rechts-)System ändern müsste. Systemfragen sind aber heikel.
Quellen:
McCarrick:http://www.katholisch.de/aktuelles/aktuelle-artikel/der-tiefe-fall-des-theodore-mccarrick
https://www.nytimes.com/2018/07/19/nyregion/mccarrick-cardinal-sexual-abuse.html
https://www.dw.com/de/papst-entlässt-australischen-bischof-nach-missbrauchsskandal/a-44880962
Wuerl:
https://wtop.com/dc/2018/07/exclusive-cardinal-wuerl-calls-mccarricks-resignation-big-step-forward/
http://www.fox5dc.com/news/local-news/cardinal-wuerl-addresses-report-on-child-sex-abuse-by-priests-says-he-will-not-resign
Keine Kommentare :
Kommentar veröffentlichen