27. Januar 2018

Von 21 Fragen mehr als die Hälfte falsch: Der geringe Nutzen von Checklisten bei Hypnose

©panthermedia.net / Andrew Ostrosky
SEO-freundliche Listen wie "Die zehn wichtigsten Fragen/Antworten/Probleme/Lösungen/xyz gibt es wie Sand am Meer. Die Huffington Post hat Fragen zusammengestellt, mit denen Sie die Anwender von Hypnose überprüfen können.
Bei genauerem Hinsehen entsteht ein ungutes Bild: von 21 gestellten Fragen sind über die Hälfte so gestellt, dass sie keine hilfreiche Info bringen.
Hier die Einzelheiten:

Der Verfasser heisst Steve Miller. Den Namen höre ich zum ersten Mal, betitel wird er mit:
  • Meister des Gewichtsverlusts im United Kingdom
  • Motivationsredner
  • Programmierexperte für den (gemeint ist wohl"menschlichen",Anm. d.V.) Geist

Jetzt ist man, wenn man sich "ein bisschen" in der Medizin "herumgetrieben" hat, bei Wörtern wie "Geist" und "programmieren" aus fachlichen Gründen etwas allergisch. Aber gut, jeder sieht die Sache von dem Stuhl aus, auf dem er sitzt. Steve Miller ist wohl weder Arzt, noch Psychologe, noch Therapeut, noch scheint er medizinische Erfahrung zu haben.

2015 schrieb Steve übrigens für die selbe Huffington Post schon einmal das selbe. Nur waren es da noch zehn Fragen. Einzelne davon sind auch von 2015 mit copy & paste mit in die Zukunft gerutscht. Warum es jetzt elf Fragen mehr braucht, wird nicht gesagt. Aber hier die Fragen im Orginal:

1. Can you offer me a free consultation?

Angenommen, Sie wären selbstständig: Wie viele Stunden Gratis-Konsultationen im Monat könnten Sie sich leisten, bevor Sie verschuldet wären? Wieso sollte jemand so etwas machen? Schließlich haben wir alle Rechnungen zu bezahlen. Als Selbstständiger noch ein paar mehr als ein Angestellter. Was nicht heisst, dass es solche Angebote geben kann, zum Beispiel bei bestimmten Anlässen, Jubiläensangebote. Was ich schon mal angeboten habe (am Welthypnosetag), sind freie Hypnosen, d.h. ich verdiene nichts. Dafür spendet aber derjenige einen Beitrag an eine gemeinnützige Organisation meiner Wahl. Ärzte ohne Grenzen ist da einer meiner Favoriten).

Zudem ist es ein Zeichen von Professionalität, seine Arbeit gegen Bezahltung anzubieten. Alles andere ist ein Hobby. Die Frage nach einer freien Konsultation ist nur etwas für Leute, die keinen Profi wünschen. Mit anderen Worten: sinnlos.

2. Please can you show me evidence of your personal results?

Eine Frau verlangte einmal, dass ich Ihr die Namen von ehemaligen Klienten nenne, damit sie sie anrufen und überprüfen könnte, ob ich erfolgreich arbeite, bevor sie zu mir kommen wollte.

Abgesehen davon, dass das in Deutschland illegal ist, ist es ein Vertrauensbruch gegenüber meinen Klienten (und da ist der Bruch des Datenschutzgesetzes noch nicht mit drin).
Auf Letzteres sagte sie, ich könnte ja die Leute anrufen und ihnen sagen, diese sollen sie anrufen.

Mal ehrlich: Was würden Sie denken, wenn Ihr Hausarzt Sie auf einmal anruft und wünscht, Sie sollen eine wildfremde Frau x anrufen, damit diese Sie über Ihre Behandlung befragen können? Ist so ein Arzt seriös? Natürlich nicht! Also was erwartet jemand, der so eine Frage stellt?


3. Do you offer support between sessions? If so what kind?

Prinzipiell ok, hängt jedoch von Thema und Fall ab. Jedenfalls ist der Support keine eigene Sitzung. Eine CD / mp3 mitgeben mit Suggestionen, die der Klient dann hören soll? Kann man machen, ist bei "Kleinigkeiten" auch sinnvoll. Allerdings eben nicht immer, sondern es hängt vom Thema und von der Art der Behandlung ab. Mit anderen Worten: es gibt keine pauschale Antwort wie ja oder nein darauf. Die Frage ist so in ihrer Allgemeinheit ein bisschen zielführend, aber nicht viel.


4. Have you had a recognised training?

Die Frage nach der Ausbildung. Gute Frage.

5. Are you insured?

Welche Versicherung denkt der Fragesteller denn, dass sie notwendig ist? Haftpflicht ist eh Pflicht. Darauf kann die Frage nicht abzielen. Bei grober Fahrlässigkeit zahlt eh keine. Rechtsschutz? Praxisausfallversicherung? Die Frage ist bestenfalls nicht klar.

6. Are you taking any medication yourself as it’s important I work with someone who isn’t potentially suffering from what I am suffering from?

Nett gemeint, wer allerdings nachdenkt, merkt: überflüssig. Denn wenn wir etwas genauer nachdenken: Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass die Antwort i.d.R. "Nein" lauten wird. Denn
  • Erstens geht es dem Klienten nichts an, welche Medikamente jemand nimmt.
  • Zweitens wäre das nur wichtig, wenn die Arbeitsfunktionialität des Therapeuten beeinträchtigt ist. 
 Wenn das der Fall ist, wieso empfängt er dann Klienten? Wer jetzt einwendet, er tue das, obwohl er es nicht dürfte, der muss sich auch fragen, wie wahrscheinlich er in diesem Fall auf die obige Frage eine ehrliche Antwort bekommen würde. Anders Ausgedrückt: Die Frage führt zu keiner echten Antwort.
Und drittens: wie will der Frageesteller die Antwort überprüfen? Ein Gutachten bestellen?
Also: Die Frage ist vielleicht gut gemeint, aber nutzlos.

7. What back up tools do you offer such as MP3’s?

Selbe Sache wie Punkt 3.

8. I’d like a maximum of 6 sessions. Can you sort me within this constraint?

Wie lange was braucht, hängt erstens vom Thema ab und zweitens davon, wie die Klient mitarbeitet und wie schnell er die Dinge verinnerlicht. Mit anderen Worten: Das Tempo bestimmt der Klient, nicht der Therapeut. Die Frage geht also an den Falschen und tatsächlich müsste der Klient sie sich selbst stellen: Ist er / sie in der Lage in maximal 6 Sitzungen sein Problem zu lösen?
Und ich weiss auch, wie dessen Antwort lauten wird: "Ich weiss es nicht!"

Genau so wenig weiss es auch der Therapeut, denn auch er hat keine Kristallkugel. Alles, was ich als Therapeut sagen kann, ist, dass ich bisher generell nicht mehr als x Konsultationen für Problem y gebraucht habe, bzw. man sich aufgrund aus Erfahrung gut auskennt und es deshalb schneller gehen kann.
Was de facto gar nichts bedeutet. Denn es könnte ja genau jetzt mit dem nächsten Klienten anders sein. Die Frage ist bei einer Wahrsagerin besser aufgehoben als bei einem Therapeuten.

9. How renowned are you for treating my condition?

Eine ehrliche Gegenfrage: Was hat der Bekanntheitsgrad mit der tatsächlichen Lösung zu tun? Natürlich gibt es überall Leute, die sich auf bestimmte Dinge spezialisiert und einen Ruf erworben haben. Nur: das heisst, ähnlich wie bei Frage 8, für den kommenden Einzelfall nicht viel. Auch wer 1000 Depressionen erfolgreich behandelt hat, kann keineswegs sagen, dass es mit der 1001. Depression genau so klappt. Auch einem Arzt, der 1 Million Blinddarmoperationen durchgeführt hat, kann beim 1-Million-einsten-Mal ein schrecklicher Fehler unterlaufen.

Insgesamt also: Frage führt zu einer Antwort, die wenig Relevantes bietet. Sie dient eher der eigenen psychischen Beruhigung des Fragestellers. So gesehen ok, aber faktisch gibt die Frage nichts her.

10. What ongoing training do you have?

Die Frage nach aktuellen Qualifizierungen ist ok, aber wieder: was sagt die Antwort aus? Ob man gerade aktuell eine Fortbildung macht, ist nicht wichtig. Aussagekräftiger ist es, ob jemand insgesamt sich kontinuierlich weiterbildet oder nicht. Also besser danach fragen, anstatt so.

11. Who is your ideal client?

Jeder hat seinen Idealklienten, aber das ist nur ein Modell, um seine Marktnische zu definieren. Im reellen Leben begegnet einem der Idealklient nur in Abweichungen. Zum anderen unterziehe ich keinen meiner Klienten einer heimlichen Prüfung. Wir sind hier in keinem Bewerbungsverfahren.
Anstatt zu fragen, wer ideal wäre, wäre die Frage, ob irgend etwas gegen die Hypnosebehandlung sprechen würde, wesentlich besser und wichtiger.

12. What conditions are you less good at treating?

In manchen Dingen ist man routinierer als in anderen, einfach weil sie häufiger auftreten. Allerdings heisst das für den Behandlungserfolg gar nichts, siehe Punkt 9.

13. How will you protect me during Hypnosis?

Eine Klientin sagte einmal kurz bevor sie das erste Mal in Hypnose ging: "Ich hab solche Angst, dass ich einschlaf". Meine Antwort: "Das lassen Sie mal meine Sorge sein." Zwei Stunden später im Nachgespräch kam von ihr mit etwas schiefen Grinsen der Satz: "Man arbeitet ja in Hypnose ständig. Da hat man überhaupt keine Zeit einzuschlafen."
Die meisten Befürchtungen entstehen, weil der Klient nicht genau weiss, was in Hypnose möglich ist und was nicht.Vieles davon steht auf meiner Homepage. Die obige Frage in ihrer Formulierung ist leider ziemlich ungenau, man weiss nicht, in welche Richtung man antworten soll. Also eher eine schlechte Frage.

14. How can you reassure me that I will always be in control during Hypnosis?

Die korrekte Antwort wäre: Lesen Sie doch mal ein Fachbuch! Klingt rüde, wäre aber tatsächlich die ungeschminkte Wahrheit. Es ist, wie wenn jemand wissen will, wie ich sicherstelle, dass die Schwerkraft weiterhin funktioniert. Die richtige Antwort ist, dass ich das weder kann noch muss, weil die Schwerkraft schon für sich selbst sorgt.

Genauso ist es mit Hypnose. Es spielt sich alles im Kopf des Klienten ab und auf den eigenen Kopf hat das Gehirn von Natur aus immer vollen Zugriff. Die Kontrolle wird nie abgegeben. Anders ausgedrückt: Hypnose ist ausschliesslich Kooperation zwischen (zwei) Leuten. Wieso sollte Kooperation heissen, nicht mehr Herr seiner Entscheidungen zu sein?

Das eigentliche Problem dabei ist, dass dieser Antwort nicht so recht geglaubt wird. Eine seriöse fachliche Information hat es schwer bei jemanden, der statt wissenschaftlich abgesicherter Daten Leuten von der Showbühne (Showhypnotiseure) und ihren Werbeversprechen ("Du machst alles, was ich sage") glauben will.
Anders ausgedrückt: Wer lieber dem glaubt, was er im Fernsehen oder auf Youtube sieht, dem werden Fachargumente nicht überzeugen. Wozu die Frage?

15. Do you offer a follow up service?

Frage vollkommen ok.

16. Would it be possible to speak to a few of your clients so that I am assured you are right for me?

Siehe Frage 2

17. Is your consulting room appropriate for someone like me?

Gegenfrage: Was erwarten Sie? Was brauchen Sie? Die Frage ist sinnvoll, wenn körperliche Einschränkungen da sind. Ansonsten ... Stühle, eventuell eine Liege, Arbeitsmaterialen, z.B. Flipchart, Stifte, ein Schreibtisch ... was erwarten Sie denn konkret für sich? Die Frage ist in dieser Form ziemlich unklar und hilft so nirgendwo hin.

18. What happens if it doesn’t work?

Gute Frage. Es passiert das Gleiche, was passiert, wenn eine Verhaltenstherapie nicht anschlägt oder eine ärztliche Behandlung.

19. If there were 3 reasons why I should select you, what would they be?

Gute Frage!

20. Do I sound the type of client you can help? If so why?

Gute Frage! Bei einem guten Therapeuten muss man sich aber auch gefasst darauf machen, dass die Antwort anders lautet, als man selber hören will.

21. From what I’ve told you today, what do you think?

Gegenfrage: In Bezug auf was? Meine Einschätzung der Situation? Der Heilungswahrscheinlichkeit? Die Frage zu präzisieren wäre hilfreich. So kann eine Antwort auch nur generell ausfallen.

Steckt dahinter die Absicht, wissen zu wollen, wie der Therapeut die Chancen einschätzt, dass es gut wird? Generell gilt hier die Grundregel:  Nicht alles ist machbar, aber machen kann man immer was.
Natürlich tun sich manche Klienten schwerer als andere. Manche Klienten haben variable Tempi, in denen es vorangeht. Und dann gibt es auch die schon in der Schule etwas peinlichen "Ehrenrunden". All das sind Möglichkeiten. Aber das Gegenteil kann genau so gut zutreffen. Und natürlich gibt es in der Hypnotherapie auch Grenzen wie in jeder anderen Methode auch. Siehe meine Homepage. Auch im persönlichen Gespräch ist Klärung vorab möglich. Genauere Ifo ist nur möglich, wenn die Frage präzisiert wird.

Fazit:

Gut fragen zu können ist eine Kunst. Nicht umsonst hat die Kommunikationspsychologie ganze Bücher darüber geschrieben. Die SEO-Listen mögen gut gemeint sein, sind auch womöglich für eine erste Orientierung gut. Allerdings - ein Computer kann vielleicht berechnen, wann ein Autoreifen abgenutzt sein wird, wenn er so und so oft in einer gewissen Weise benutzt wird. Er kann aber nicht berechnen, wie am 17.April 2025 das Wetter in Frankreich im Loiretal sein wird. Aus dem einfachen Grund, weil letzteres ein komplexes sich ständig veränderndes System mit Variablen ist. Der Autoreifen dagegen ist ein "triviales System", um einmal einen alten Begriff der Systemtheorie zu verwenden.
Bei Hypnose handelt es sich immer um ein non-triviales System. Es erfordert mehr Nachdenken als es die obigen Fragen vermuten lassen.

Quelle:

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