9. September 2017

Depression: nimms mit Humor - oh mein Gott, darf man das behaupten?

Wer meint, Depressive können nicht mehr lachen, irrt.  Ja, ich weiss, viele schütteln bei so einem Satz verächtlich den Kopf. Wobei, Gegenwind kommt bei so einer These eher von den Behandlern als von Betroffenen. Warum ich Humor empfehle, obwohl Humor wohl das Letzte ist, das zur Verfügung zu stehen scheint, und warum Humor genau deshalb sinnvol ist, erfahren Sie hier.
Zunächst einmal, wer denkt, es geht hier darum, von Depression Betroffenen Ihre Lage herunterzuspielen, der ist auf dem Holzweg. Depression ist alles andere als belustigend:


Depression als Krankheit gesehen öffnet dem Humor eine Tür

Ich weiss, so manche Betroffene wehren sich dagegen, Depression als Krankheit zu titulieren. Sie seien nicht krank, meinen sie. Dahinter steckt die Absicht, sich nicht abwerten zu lassen, was natürlich nachvollziehbar ist. Allerdings bleibt die Frage, warum krank zu sein gleichzeitig eine Abwertung sein soll? Doch nur, wenn man sich weigert, folgende Realitäten zur Kenntnis zu nehmen:
  1. Wer krank ist, ist normal. Ich kenne niemanden, der nicht schon einmal krank war. Es ist tatsächlich normal, krank zu sein.
  2. Manche differenzieren beim Thema Krankheit: Körperlich krank sein ist normal, psychisch krank sein ist abnormal. Die Frage, die bleibt, ist: Mit welcher Begründung? Zudem gibt es kein körperliches Leiden, da nicht auch psychische Folgen hat und umgekehrt. Tatsächlich diskriminiert so jemand alle, die mehr als nur körperliche Leiden haben

Schlussfolgerung: Wer Depression als Krankheit sieht, erkennt, dass das, was für alle Krankheiten gilt, auch für Depression gilt: Krankheit und Humor schliessen sich nicht aus. Es gibt selbst Menschen mit unheilbarer Krankheit, die Scherze machen, Humor zeigen und lachen können. Warum sollte das also mit einer Depression nicht gehen?

Wie gesagt, das mag für manche schwer bis gar nicht nachvollziehbar sein. Andere aber kennen diese Momente, in denen sich Humor durchsetzt. Natürlich fällt in der Krankheit einem das Lachen schwerer. Denn es gibt einfach auch weniger zu lachen. Oft dominiert deshalb "Galgenhumor":


Doch auch Galgenhumor ist Humor und es geht nicht darum, zum Possenreisser zu werden. "Humor ist, wenn man trotzdem lacht", soll ja Otto Julius Bierbaum gesagt haben.

das geballte Wissen
Die positive Wirkung von Humor auf die Heilung ist längst bekannt. Physiologisch ist bewiesen: Lachen stärkt das Immunsystem, erhöht den Gasaustausch in der Lunge, es befreit die Bronchen von Sekreten und lindert Entzündungen und Schmerzen. Gelotologie nennt sich die Wissenschaft, die das erforscht. In USA gibt es mittlerweile ehrenamtliche "Lachärzte" in Kinderkliniken und auf Stationen schwerkranker Erwachsener. In Deutschland gibt es (leider zu selten) Klinikclowns.


Humor und Therapie

Humor ist auch in der Therapie angekommen, in der systemischen schon lange. Denn Humor hat eine Wirkweise ähnlich wie bestimmte psychologische Methoden: Sie schaffen Distanz zwischen dem Menschen und seinem Symptom. Das ist wichtig, um dem dumpfen Erleben der Depression die Macht zu nehmen. Wer Humor gegenüber den Dingen zeigt, der steckt nicht mehr aussschliesslich in ihnen drin.

Patient: "Ich hab eine Depression."Therpeut: "Haben Sie sie dabei oder sitzt sie zu Hause und wartet auf Sie?"
Für einen kurzen Moment muss der Patient irritiert innehalten und dann kurz schmunzeln. Es ist dieser Moment, in dem die Last der Depression zurückweicht und es leichter wird.


Natürlich ist jedes Beispiel individuell, so wie der Humor der verschiedenen Leute. Humor zielt hier auf einen Verblüffungseffekt, aus dem heraus ein Schmunzeln kommen kann. Aber schon Verblüffung und depressive Stimmung schliessen sich aus.

Beispiel Logotherapie von Viktor Frankl

Der Erfinder der Logotherapie Viktor Frankl empfahl sowohl Therpeuten als auch Patienten den "Mut zur Lächerlichkeit". Feine Ironie soll helfen, dass die Symptome ihren Schrecken verlieren, wodurch sich wieder das natürliche Urvertrauen zum Leben entwickeln kann. Frankl muss es wissen. Er war KZ-Überlebender.

Was für uns Deutsche problematisch ist

Ausgerechnet die vom Staat geförderten Heilverfahren, Verhaltenstherapie, Psychoanalyse und tiefenpsychologisch fundierte Verfahren, tun sich sehr schwer mit Humor. Sie sind alle problemorientiert.

das geballte Wissen
Menschen, die heiter und gelassen nach Schicksalsschlägen bleiben, haben weniger Krankheiten als die, die es nicht sind. Auch Schmerzen verringern sich durch Humor. Eckhard von Hirschhausen lud einmal sein Publikum zur Überprüfung dieser wissenschaflichen Erkenntnis ein mit folgender Aufforderung: "Hauen Sie sich doch einmal mit dem Hammer auf den Daumen. Einmal allein - und einmal in einer Gruppe!"


Doch eines muss ein Therapeut, der Humor einsetzt, mit dem comedian auf der Bühne gemeinsam haben: Ein Gespür für die richtige Dosierung und für das richtige Timing.

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