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19. September 2015

Nach der Sommerpause: Warum Reisen die beste Therapie ist

Reisen bildet nicht nur, Reisen verändert die Persönlichkeit. Wenn man es richtig macht, kann Reisen heilende Wirkung haben.

Ich meine nicht, zu irgend welchen Gurus zu pilgern oder zu sonstigen heiligen Orten. Ich meine, das Reisen an sich hat therapeutische Kräfte. Wie gesagt, wenn man es richtig macht.


"Buuum", ruft Boy grinsend und steckt mir ein ovales schwarzes Ding entgegen: „Buuum! Big bomb!  Buuum!"

Ich kenne mich mit Kriegswaffen nicht so aus, aber diese schwarze Ding in seiner Hand sieht sehr nach einer Mine aus. Ich weiß nicht, wie viele Menschen man damit töten könnte, aber ich habe auch keine Motivation, das herauszufinden. Boy, der Khmer und Bauer hier in Kambodscha, zuckt jedoch nur mit den Schultern, als ich instinktiv zurück weiche. Wahrscheinlich weil, wenn das Ding in seiner Hand beschließen würde, nach all den Jahren auf einmal seiner Bestimmung nachkommen zu müssen, meine Reaktion eh nichts helfen würde. Und dann fällt mir Deutschland ein, wo ich geboren wurde und arbeite. Und dass wir alle eigentlich ziemlich frohe Menschen sein müssten.

So ist das immer noch in Kambodscha. Laut UN-Angabe liegen hier ungefähr 6 Millionen Landminen. Ganze Landstriche sind nicht mehr betretbar, aber die Landbevölkerung hat wegen dem knappen Land oft keine Wahl. Kambodscha ist nicht groß (knapp die Hälfte von Deutschland) und so sind die Leute oft gezwungen, vermintes Land zu benutzen, um leben zu können.
Rund 270 Menschen sterben jedes Jahr durch Bildgänger, so die offizielle Statistik.

Was hat das mit uns zu tun?

Ab und an wurde zwar in meiner Stadt eine Fliegerbombe gefunden und professionell beseitigt. Bei einer ging es nicht ohne Schäden, aber ums Leben kommt bei uns deswegen eigentlich niemand. Wir haben Zutritt zu sauberen Wasser, mehr Nahrung als gut für uns ist, ein gutes Verkehrssystem (auch wenn über marode Strassen geklagt wird) und ein Rechts- und Sozialsystem, das für Stabilität mitsorgt. Niemand muss Angst haben, dass seine Kinder beim Spielen auf eine Handgranate treten. Zusätzlich werden unsere Krankenhausrechnungen bezahlt.

Ob es uns nun gut geht oder ob wir sagen, es läuft auch hier immer schlechter, ob wir unsere eigene Situation als bedrückend beurteilen oder Grund zur Dankbarkeit finden, das entscheidet sich schlicht und einfach daran, welchen Maßstab wir anlegen.


Und dieser ist abhängig von unseren geistigen Horizont. Wer nie den Blick über den Horizont seiner Welt richtet, der sieht nur sich selbst und hat entsprechend wenig Möglichkeiten, mit den Problemen des Alltags zurecht zu kommen. Je weiter der Blickwinkel, desto mehr Möglichkeiten erschließen sich einem.

Sei kein Tourist, sei Reisender

Deshalb ist Reisen so ideal, sofern man wirklich Reisender ist und nicht Tourist. Reisender bedeutet genau nicht, zu erkennen, dass es zu Hause doch am schönsten ist. Reisender zu sein heißt, ein Gefühl der Dankbarkeit zu entwickeln, für das, was man kennenlernt hat und das einem den eigenen Horizont erweitert, so dass man in Zukunft auf dieses neue Wissen zurückgreifen kann.

Reisender bedeutet, einen Abstand zu seiner gewohnten Umgebung zu schaffen und diesen auch bei seiner Rückkehr nicht mehr zu verlieren. Sie sind ein Reisender, wenn Sie ihr Heimatland mit fremden Augen ansehen können. Ein Reise ist nur dann eine, wenn sie die bisherigen Ansichten nicht bestätigt. Ich begebe mich auf eine Reise mit der Erwartung, nicht mehr als der gleiche Mensch zurückzukommen. Dann bin ich Reisender.

Ein Reisender zu sein, ist die beste Therapie, denn sie setzt bei der Haltung an. Der Reisende begrüßt die Veränderung mehr als das Bleibende. Und er bezahlt seinen Preis ohne Hader, denn was er gewinnt, ist wesentlich wertvoller, als kostenfrei in seiner Situation zu verharren.

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