30. Mai 2015

Wenn Achtsamkeit eine Mogelpackung ist

English: Mindfulness Activities
English: Mindfulness Activities (Photo credit: Wikipedia)
Ich denke, man hängt diese Achtsamkeitsgeschichten etwas höher, als sie es eigentlich sind. Die therapeutische Sichtweise hat mit dem Ursprung "srmti" nicht so viel mehr zu tun.  Wenn so, wie es die Therapeuten verstehen, warum dann nicht gleich Hypnose machen? Hat die selben Dinge, nur konzentrierter.

Mir war es immer wichtig, zu wissen, welches Geistes Kind das ist, was ich mache oder was mir angeboten wird.

Damit auch Sie die Dinge etwas besser einschätzen können - falls Sie einmal einen Kurs buchen wollen - hier die Hintergründe über Achtsamkeit und der große Unterschied zum buddhistischen Ursprung.

Smrti, Achtsamkeit, Hypnose

Achtsamkeit oder mindfulness, wie srmti ("sati" auf Pali) wird im Anapanasati-Sutra (Über die Achtsamkeit beim Atmen) und hauptsächlich im Satipatthana Sutra und im Mahasattipatthana-Sutra behandelt. Es ist ein Teil des 8fachen Pfades im Buddhismus und Teil der fünf Fähigkeiten, die im Buddhismus (Theravada) trainiert werden sollen:

Vertrauen, Energie/Willenskraft, Achtsamkeit, Sammlung, Weisheit.
Achtsamkeit ist also eine Methode, die sowohl Teil eines Geisteshaltung ist, wie auch Verbindungen zur Ethik unterhält.

Bei den Therapeuten - nehmen wir mal die MBSR-Richtung als die, die das Ganze ins Rollen gebracht hat, als Ausgangpunkt - so meint dort mindfulness eine Form der Aufmerksamkeit, die
  • absichtsvoll ist (d.h. bewusst entschieden, es zu tun),
  • sich auf den gegenwärtigen Moment bezieht (statt auf die Vergangenheit oder die Zukunft), und
  • nicht wertend ist.
Was die therapeutischen Profis also unter Achtsamkeit verstehen, ist eher ein Gewahrsein als "srmti".
Aber dann frage ich mich ehrlich gesagt, warum nicht gleich Hypnose?

Denn es gibt wenig, das einem innerlich mehr gewahr hinsichtlich der inneren Regungen, verborgenen Emotionen oder Ereignissen werden lässt, als bestimmte hypnotische Zustände. Auch ist Hypnose punktgenauer. Warum soll ich zum Beispiel ständig Achtsamkeit üben, um an meine Angststörung hinzukommen, wenn das mit Hypnose in zwei bis fünf Stunden erledigt sein kann?

Natürlich weiß ich auch, dass Leute beim Stichwort "Hypnose" einfach immer noch denken, da hat jemand anders die Kontrolle über mich. Diese Falschmeinung kriegt man nicht aus den Köpfen. Dagegen Achtsamkeit, wo man so schön und friedlich auf einen Kissen sitzt ...

Ursprünglich zielt smrti auf etwas anderes ab: 

Die Achtsamkeitsmeditation (Vipassana) hat zum Ziel, die drei Erkenntnisse über die Strukturen zu ermöglichen, die alles durchziehen, was existiert:
  • anicca (mit "Unbeständigkeit" übersetzt)
  • dukkha (meist mit Leid übersetzt)
  • anatta ("Nicht-Selbst" im Deutschen).

Es geht um die Überwindung der Illusion, das Auslöschen der avijja ("Nicht-Sehen") und der kilesa (Verblendung durch den eigenen Geist). Zenmäßig ausgedrückt:

Die Dinge so zu sehen, wie sie wirklich sind, nicht so, wie es unser eigener von Mustern und unbewussten Programmierungen gesteuerter Geist es uns vorgaukelt. Zu diesen Irrtümern, die zerstört werden, gehört z.B. auch die Idee eines eigenen, in sich abgegrenzten Selbst, einer Seele oder sonst einer Substanz, die wir als etwas mit eigenständiger Existenz betiteln.

Das hat mit Therapie zuerst gar nichts zu tun. Auch nicht, wenn Kabat-Zinn meint, je nachdem, wie sehr der Ausbilder drin steckt, ist kein Unterschied zum Buddhismus zu bemerken. Falsch.

Ich hatte einmal eine Diskussion mit einem Referenten und Chefarzt auf einer Veranstaltung der Jesuiten, einem christlichen Orden. Der Arzt stellte Achtsamkeit als Behandlungskonzept in seiner Klinik vor. Ok, in Wirklichkeit war der Vortrag, der als Fachvortrag ausgeschrieben war (deshalb war ich auch dort), eine einzige Werbeveranstaltung für seine Klinik. (nicht falsch verstehen: er kann Werbung machen für sein Geschäft, aber als das war der Vortrag nicht ausgeschrieben und ich stehe doch auf dem Standpunkt, dass die Leute auch das bekommen sollen, weswegen sie zu einem kommen.)


Zugegeben, ich war deshalb etwas sauer und verwickelte ihn in eine kleine Diskussion. Im Wesentlichen um die Frage:

Wie wollen Sie denn das "Ich" ihrer Patienten stärken, wie Sie es sagen, mit Methoden, die eigentlich dafür entwickelt wurden, das "Ich" als Illusion zu erkennen und aufzulösen? Das ist ein Widerspruch in sich.


Jedenfalls konnte er das nicht auflösen und ich ließ ihn auch nicht vom Haken. Der Veranstalter schließlich griff ein und beendete das Ganze per order di mufti. Zur Ehrenrettung des Chefarztes muss ich anführen, dass er diesen inneren Widerspruch zugegeben hatte.

Aber ehrlich gesagt ist das eigentlich keine Ehrenrettung, denn der Gegensatz in der Frage war nur eine Scheinfrage. Denn:

Erstens hat die Psychotherapie die Vorstellung eines konstanten "Ich" mit bleibender Identität überwiegend längst aufgegeben. Sie wird höchstens noch in religiösen Kreisen aufrecht erhalten (deshalb war es für mich interessant, welches Geisteskind die Ordensangehören dort waren), aber es war sehr bezeichnend, dass der Arzt dies anscheinend nicht wusste.

Zweitens: Das, was im Buddhistischen "Ich" heißt, ist nicht deckungsgleich, mit dem "Ich" im Psychologischen. Ebenfalls seltsam für mich, dass das anscheinend niemand aus den dort als Fachleute Vorgestellten einfiel.


Es handelt sich mit all dem leider gar nicht um Spezialthemen, um die man nur weiß, wenn man sich Tag und Nacht mit der Materie beschäftigt oder wenn man einen Doktortitel darin hat. Kabat-Zinn meint, Achtsamkeit bringt den Dharma in die Gesellschaft. Aber MBSR fehlt fast alles, was Dharma beinhaltet. Sonst wären solche Beispiele wie soeben erwähnt nicht möglich. Es sind Dinge, die jeder Anfänger bereits mitgeteilt bekommt.

Achtsamkeit ist zur Zeit das nächste Thema nach ADHS und ehrlich gesagt, die wenigsten Therapeuten haben viel eigenes reflektiertes Wissen über das, was es tatsächlich sein soll.



Smrti führt zu einer anderen Lebensserfahrung. Als ob ein Schleier weggezogen wurde, von dem man bisher nicht einmal wusste, dass er da war. Mit dabei ist ein Empfinden eines überbordenden Eingebettetsein in ein größeres Ganzes, ein intuitives gespürtes Wissen um ein Aufgehobensein, das seinesgleichen sucht. Das ist aber nicht das Wichtigste (nicht in der Zenrichund, die ich am besten kenne). Es geht vielmehr darum, aus und in dieser Erfahrung seinen Alltag zu gestalten.

Natürlich hat solche Erfahrung, die in einer trainierten Geisteshaltung einmündet, gute Einwirkungen auf die Psyche. Aber das ist nicht der Zweck von smrti. Es ist ein Nebeneffekt. So wie die Pfütze schon irgendwie eine Verwandschaft zum Ozean hat. Beides ist Wasser. Aber das wars auch schon.

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