23. November 2013

Eltern und Erziehung - diesmal mutiere ich zum Wutbürger!


Was ich gelesen hatte, macht mich wütend. So wütend, dass ich für diesen post meinen Therapeutenkittel zu Hause lasse.

Als Mediator und auf meinen Reisen bekam ich es auch mit Leuten zu tun, die - sagen wir es mal politisch korrekt - eine sehr individuelle und vom Gesetz her unberührtere Ethik vertraten als ich. Ich dachte deshalb, ich sei abgebrühter.
Aber anscheinend komme ich besser solchen Leuten besser klar als mit Einstellungen manch gesetzestreuer Bürger aus der deutschen Mittelschicht. Aber lesen Sie selbst ...



  • Dass Jugendliche Dinge tun ohne die Konsequenzen überschauen zu können - geschenkt, gab es schon immer.

  • Dass Jugendliche auch verdammt gemein sein können, wenn sie im Rudel auftreten - auch geschenkt, Mobbing und Schikane gab es ebenfalls immer.

  • Dass man, um dazu zugehören, zuweilen Dinge tut, die man, wäre man in einer anderen Situation, nicht tun würde -  ebenfalls geschenkt. Kommt und wird immer wieder vorkommen.

  • Dass Jugendliche das Internet nutzen für ihre Aktivitäten, seien sie sinnvoll oder "blöd" - auch klar. Jugendliche nutzen auch Fernsehen und Telefon. Warum also nicht Internet?

Sind die Jugendliche schlimmer als früher? Nein!

Sind sie schlimmer als wir Erwachsene? Nein!
All das soeben Erwähnte tun auch Erwachsene, und als die Älteren und Lebenserfahreneren sollten sie eigentlich souveräner sein als Jugendliche. Sind wir es?

Wenn ja, warum zum Teufel ist dann diese Welt in einem solchen Zustand?

Ein paar Aussagen aus der obigen Meldung:

Vater und Mutter sind überfordert mit dem, was da passiert ist. Sie sind „alte Eltern“, Mitte 50, kultivierte Schöngeister, konsumkritische Anhänger der Öko-Bewegung, die nicht mal ein Handy besitzen. Mit dem Internet haben sie beruflich nichts zu tun, privat hat es sie nie interessiert.
Das Mädchen ist an Eltern geraten, die irgendwann stehen geblieben sind. Schöngeister… Ökobewegung … was soll der Sch…, wenn man unfähig ist, seiner Tochter zu helfen, ja noch nicht einmal die Situation, in der sie steckt, umreißt:

Der Vater redet mit Celinas (=die Täterin, Anm. des Verfassers) Mutter . Sie hält den Film für einen „blöden Scherz“, sagt, dass Lisa „sich nicht so anstellen“ soll. Wenigstens verspricht sie, das Video zu löschen. Der Vater atmet auf, denkt, dass „die Sache damit aus der Welt“ ist. Ein Freund klärt ihn auf, dass es kein Radiergummi fürs Internet gibt. Dass das Video, sobald es auf fremden Websites landet, kaum noch zu eliminieren ist. Dass es jederzeit auf Porno-Plattformen auftauchen kann. „Ich musste kapieren, dass das World Wide Web nichts aus seinen Klauen lässt“, sagt der Vater.
"Guten Morgen", mein Freund. Hinter welchen Mond hast du denn bis heute gelebt? 
Anscheinend hat sich, bei einem solchen Kenntnisstand, keiner der Eltern für das Leben ihrer Tochter wirklich interessiert. Sonst müssten sie mehr wissen über die Welt, in der ihr Kind groß wird.

Der bekannte Familientherapeut Jesper Juul bezieht sich einmal auf eine deutsche Redewendung (irgendwo muss das Youtube-Video noch herumschwirren):
"Kinder haben ein Recht auf ihre Eltern"
Und er korrigiert auf seine Weise:
"Nein, das stimmt nicht Kinder haben ein Recht auf kompetente Eltern"
Genau das macht den Unterschied.
Lisa hat jetzt Untergewicht, Depressionen, Schlafstörungen, Selbstmordgedanken. Die Eltern bringen sie in eine Klinik. „Sie war froh, von Würzburg weg zu kommen“, sagt die Mutter. Mit Lisas Lehrern spricht sie nicht. „Lisa wollte das nicht“, sagen die Eltern, „und wir respektieren das“. Sie haben auch nicht die Polizei eingeschaltet. „So was widerspricht unserer Überzeugung.“
Spätestens beim letzten Satz ertappe ich mich dem Gedanken, dass ein Pranger, wie es ihn im Mittelalter gab, doch eine gute Sache wäre. So eine Woche auf dem Marktplatz angekettet, jeder könnte solche Eltern mit Eiern und anderem (verfaultem) Essen bewerfen, dazu noch ein Schild um den Hals:
"Meine Privatideologie ist mir wichtiger als meine Tochter!"
Völlig klar: Jugendliche machen Blödsinn. Manches ist definitiv nicht mehr lustig.
Aber wie zum Teufel kann man sich denn entscheiden, sich für die Welt, in der das eigene Kind groß wird, nicht mehr zu interessieren? Man hat doch nur sein eigenes Kind! Und zu dieser Welt gehört eben deren digitale Seite.
Wie ignorant kann man denn mit Mitte 50 sein?

Eine meiner Klientinnen ist 72 Jahre. Vor einem halben Jahr hat sie beschlossen, Englisch zu lernen. Damit sie im Internet besser zurecht kommt, sagt sie.

Das, liebe Eltern, sind Menschen, vor denen ich den Hut ziehe.

Was denken Sie? Warum sind manche Eltern so? Sie gehören ja nicht zu den bildungsfernen Schichten? Warum haben sie so wenig Interesse an ihren Kindern?
...
14-Jährige wegen Sex-Video gemobbt: Familie verlässt die Stadt - weiter lesen auf Augsburger-Allgemeine: http://www.augsburger-allgemeine.de/bayern/14-Jaehrige-wegen-Sex-Video-gemobbt-Familie-verlaesst-die-Stadt-id27734122.html
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1 Kommentar :

  1. Anonym25.11.13

    Danke
    für diesen wuchtigen Diskussionsbeitrag zu Fragen der Elternkompetenz aus männlicher Sicht.
    Eine Frau

    AntwortenLöschen

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