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31. August 2013

Betrogen worden - Sechs Irrtümer über den Seitensprung, die den Umgang mit ihm erschweren

"When divorce is not an option"
"When divorce is not an option" (Photo credit: Darren Foreman)

Der Seitensprung ist wahrscheinlich so alt wie die Monogamie selbst. Und für die meisten Paare erschüttert er die Beziehung in ihren Grundfesten.

Gleichzeitig herrschen bei diesem Thema immer noch Clichés, die nicht sonderlich hilfreich sind. Hier sind fünf Stück davon.


1. Irrtum: "Frauen suchen Liebe, Männer suchen Sex"

Das gibt keine Untersuchung mehr her. Auch sonst ist die Gleichung Frau = Liebe; Mann = Sex eher etwas für schlichte Gemüter.

In Wahrheit gibt es große Themenfelder, warum ein Seitensprung passiert:
  1.  ein Hunger nach Beziehung
    Frauen und Männer erfahren nicht selten, Unaufmerksamkeit vom Partner. Bewundernde Blicke, sagen, dass man stolz auf ihn / sie ist, dass es schön ist, mit so jemand wie sie / ihm zusammen zu sein, dass man ernst genommen und beachtet wird ... nicht alle  Beziehungen leben das. Genau das aber vermittelt uns eine Affäre: Da ist jemand, der ist "hungrig" auf uns. In der Partnerschaft dagegen scheint vieles einfach als selbstverständlich genommen zu werden.
  2. narzistische Motive
    Sie setzen auf das Vorherige auf, wenngleich in ungesunder Weise. Wichtig und ernst genommen werden ist schön, aber der Narzist ist "süchtig" danach. Er braucht seine Bestätigung und Seitensprünge geben ihm genau das.
  3. Nähe und Distanz
    "Ich kann auch mit anderen schlafen" - hier geht es nicht um Selbstbestätigung, sondern um das Verhältnis Nähe und Distanz. Es gibt Menschen, die brauchen Abstand, um sich dann wieder neu in größere Nähe begeben zu können, sie vertragen diese Nähe allerdings nicht dauerhaft. Seitensprünge sind ein Lösungsversuch, das Verhältnis von Nähe und Distanz zu regeln.  Das könnte man natürlich auch anders machen, aber ein Seitensprung kann genau diese Funktion erfüllen.
  4. Die unglückliche Beziehung
    Es dominieren zu Hause Kränkung, Enttäuschung oder das Zueinander ist zugunsten eines Nebeneinanders gewichen. Typisch dafür sind dann Resumées à la "Wir haben uns halt auseinandergelebt" oder "Der Alltag hat die Beziehung gefressen". In solchen Beziehungen findet Erotik kaum statt. Der Sex ist zusätzlich reduziert oder gar nicht mehr ... und dann begegnet man jemanden, bei dem man sich verstanden und erkannt fühlt. Voilá, ehe man sich versieht, ist es halt "passiert".

2. Irrtum: Wer fremdgeht, liebt seinen Partner nicht mehr

Das ist Blödsinn. Beide, Männer und Frauen können Sex weitgehend von Gefühlen abkoppeln und tun das auch. Zum anderen ist es möglich, mehr als einen Menschen zu lieben und auch das passiert. Gefühle wie Lust, Neugier, sexueller Spieltrieb,Verliebtheit, Liebe sind keine Torte, die man in eine box packen kann mit einem Zettel, auf dem steht, nur für mich.
Denn jeder Kontakt in unserem Leben löst einen emotionalen Widerhall in uns aus. Deshalb ist es auch immer möglich, dass wir uns in jemanden verlieben, auch wenn wir einen Partner haben. Daran ist nichts moralisch Verwerfliches, sondern es ist Teil unserer menschlichen Verfassung.

Menschen, die so etwas für sich ausschließen, tun das eher aufgrund ihrer Wertevorstellungen, die sie einfach in die Zukunft hinein projizieren. Kompliziert wird es dann, wenn die Zukunft anders ist als wir es uns vorgestellt haben. Wenn wir es nicht schaffen, die moralische Bewertung als nur einen Teil zu sehen, sondern ihn statt dessen zum tonangebenden Teil zu machen, schränkt das die Möglichkeit, die Sache wieder hinzukriegen, erheblich ein. Es ist wesentlich schwerer, wenn es weniger der Seitensprung, sondern die Moral ist, die Öl ins Feuer gießt, weil man dann ständig dem anderen vorwerfen muss, er liebe einen nicht mehr oder er sei ein "Schwein" oder "Betrüger" oder was auch immer.

3. Irrtum: "Ich konnte nicht anders, das sind die Gene"

Bei Tieren stimmt das (überwiegend, aber es gibt dort Ausnahmen), bei Menschen nicht. Sonst wäre nicht erklärbar, warum es viele Paare gibt, bei denen sexuelle Treue funktioniert. Wenn es einmal heißt, dass jede(r) Zweite fremdgeht, dann heißt es auch, dass jede(r) Zweite treu ist.

Leider haben Treue wie Untreue die selben Genstruktur und die selben Hormone. Ob Menschen nun per Evolution monogam veranlagt sind oder nicht, ist deshalb nicht entscheidbar. Schaut man auf die Fakten, dann muss man ehrlich sagen: Menschen können beides.

Und machen wir uns nichts vor: Die Entscheidung, mit wem wir ins Bett steigen, ist eine Entscheidung, egal, was uns dazu irgendwie drängt. Äußere Zwänge natürlich abgesehn, aber die sind vernachlässigbar. Ich jedenfalls habe nie jemand getroffen, dem ein Revolver an den Schädel gehalten wurde mit der Drohung: Du gehst jetzt fremd oder ich blas dir das Gehirn raus.

4. Irrtum: Ein Seitensprung beendet jede Beziehung

Nein, nicht jede. Für manche ist es die Apokalypse, für andere Paare "nur" ein Schock. Für wieder andere ist es nicht mal das, sondern es gehört zum gegenseitigen Lebenskonzept. Es ist ein bisschen wie mit dem früheren Werbespruch über Beton: "Es kommt darauf an, was man daraus macht!"

Es kommt darauf an, wieviel Liebe noch da ist und wie viel man investieren will, um die Beziehung zu erhalten. Das erfordert für beide ein gehöriges Umdenken und auch Umhandeln. Die Beziehung wird nämlich nicht mehr so sein wie vorher. Man muss bereit sein, etwas Neues zu schaffen, was ziemlich anstrengende Arbeit sein kann. Das heißt, jeder kann es schaffen, aber nicht jeder kann es schaffen.

5. Irrtum: "Ich war betrunken"

Erinnert mich ein bisschen an den Spruch über die 70er: Wer sich daran erinnert, war nicht dabei!

Wer wirklich betrunken ist, der ist für Sex nicht mehr gut zu gebrauchen. Und wer für Sex noch zu gebrauchen ist, weiß auch noch irgendwo im Hinterstübchen, was er gerade tut. Lassen wir den Alkohol als böse Sache beiseite. Es zwingt uns niemand, uns so zu betrinken.

6. Irrtum: "Es ist einfach so passiert"

Jawohl, und ich spiele jeden Sonntag mit dem Osterhasen und dem Weihnachtsmann Canasta.
Wir haben Alibi-Agenturen, Seitensprung-Agenturen, Sexbörsen, Chats, Singleforen, Partytreffs, Saunaclubs, Inserate en mass - das passiert »es« nicht, es wird geplant.

Die Boris-Becker-Besenkammernummer ist nicht der Maßstab. Vor dem Sex gibt es eine Zeit im Chat, Mailkontakt, Bilder- und Videos werden ausgetauscht, es gibt Telefongespräche, auch explizite Vorlieben werden abgestimmt. Es soll ja schließlich so sein, wie man es sich in der Phantasie ausgemalt.
Und selbst wenn es eine komplette Spontansache wäre, auch da wird geplant, wo und wann wie heimlich. In meiner Schulzeit gab es auf dem Mädchengymnasium nebenan einen Spruch auf deren Pausenhof: "Wo ein Wille ist, da ist auch ein Gebüsch".
Eben! Sex braucht Planung, und sei sie noch so gering. Jeder weiß das.

Zurück zur Realität

Ein Seitensprung bedeutet für viele Beziehungen eine große Belastung. Damit umzugehen fällt entsprechen sehr schwer, denn die Verletzungen sind unabhängig vom Geschlecht nicht selten tief. Die aufgeführten Irrtümer haben alle eines gemeinsam: Sie weisen die Verantwortung von sich und führen eine unpersönliche Macht als Ursache ein: ein abstraktes Mann- oder Frausein, Gene, Überwältigung durch schicksalhafte Begegnungen etc.

All das hat unter anderem eine Konsequenz: es gießt Öl ins Feuer. Denn wenn derjenige anführt, er wäre praktisch "gezwungen" worden von den Umständen, von der Natur etc., dann impliziert das auch, dass es in Zukunft wieder so geschehen und weiter gehen kann.
Damit macht man es seinem Gegenüber sehr sehr schwer, Vertrauen zu fassen. Das wäre eh schon schwer genug, aber mit solchen Begründungen gibt man die Tür, die vielleicht es schon am Zufallen ist, noch einen zusätzlichen Schubs. Probleme zu lösen geht anders.

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2 Kommentare:

  1. Anonym17.5.14

    Wenn ein Paar in einer Beziehung ist, und beide für die Beziehung Ehrlichkeit und Treue definiert haben, ist das schon mal sehr gute Basis mit den beide auch gut Leben können. Sobald ein Partner den anderen betrügt, hat er ihn bewusst hintergangen. Wenn nach dem Betrug, wo die Schmerzen tief sitzen sich dafür entschieden wird, nun Probleme zu lösen, ist die Beziehung von Grund auf lächerlich. Aber so sind Menschen, erst muss richtig Leid her bevor Probleme gelöst werden. Für mich wäre dann "richtig das Problem lösen" - die Beziehung komplett zu beenden.

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  2. Naja für mich wäre das in erster Linie noch kein Grund die beziehung zu beenden wenn meine Partnerin es mir beichtet. Da merkt man das es ihr leid getan hat und ich ihr nicht egal bin. Anders ist es beim Fremdegehen ohne es zu beichten und ich würde es selber herausfinden.

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