Belastungen bei der Arbeit (Photo credit: jazzlog) |
Rund 18.000 Erwerbstätigen wurden in der Zeit von Oktober 2011 bis März 2012 befragt und ihre Angaben ausgewertet und nun liegen sie vor.
Die Ergebnisse allein sind nicht so sehr überraschen, kombiniert man sie aber mit anderen Gesundheitsstudien, ergibt sich ein böses Bild.
Neben Termin- und Leistungsdruck sind es vor allem Multitasking (58 Prozent) oder ständig sich wiederholende Arbeitsvorgänge (50 Prozent), die die Deutschen am Arbeitsplatz zermürben. Auch häufige Störungen (44 Prozent) sind mit häufigste Ursache für psychische Belastungen.
Einzelne weitere Ergebnisse sind:
- Junge Berufstätige leiden vor allem unter Zeitarbeit, befristeten Arbeitsverträgen, Samstags- oder Schichtarbeit. Auch fühlen sie sich quantitativ und qualitiv unterfordert.
- Frauen fühlen sich mehr erschöpft als Männer. Am meisten scheinen Frauen in Führungspositionen mit Krankheiten und körperlichen Beschwerden zu reagieren: Verspannungen, Rücken- oder Kopfschmerzen.
- Dagegen führen Männer an, dass starker Termin- und Leistungsdruck oder ihre Leistungsvorgaben, oft damit verbunden, dass kleine Fehler größere finanzielle Verluste zur Folge haben, sie belastet.
- Männer leiden sie häufiger als Frauen unter der mangelnden Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
- mehr als 40 Stunden arbeitet die Hälfte aller Vollzeitbeschäftigten, ein Sechstel sogar mehr als 48 Stunden pro Woche. 40 Prozent gelingt es nur machmal bis nie, auf familiäre oder private Interessen Rücksicht bei der Arbeitszeitplanung zu nehmen.
Zudem ist interessant:
- Vier von zehn Beschäftigten, die in Frührente gehen, gehen wegen einer psychischen Krankheit, so das Deutsche Ärzteblatt
- knapp fünf Prozent aller Beschäftigten haben schon einmal Psychopharmaka eingeworfen, knapp 800 000 nehmen gezielt und regelmäßig Medikamente, um im Job mehr zu leisten ("Aufputschmittel am Arbeitsplatz")
- 75 Prozent von 1000 Studenten fühlen sich nervös und unruhig, 23 Prozent haben Phasen tiefster Verzweiflung, und 15 Prozent leiden unter Panikattacken.Als Folge greift jeder zehnte der Befragten zu Psychopharmaka. (Forsa-Umfrage)
Was lange Jahre aber wirklich nie ernst genommen wurde: Für die 70 Stundenwoche und mehr ist unser Organismus nicht ausgelegt. Wir würden das alles gar nicht durchhalten. Es sei denn, wir pushen Körper und Gehirn mit künstlichen Stoffen. Anders gesagt: Die Betroffenen dopen.
Wie ich das alles schaffe? Mit Psychopharmaka. Ich bin seit über 20 Jahren abhängig, erst von Valium, jetzt von anderen Benzodiazepinen. Angefangen hat es am Abend vor meinem ersten juristischen Staatsexamen. Ich war zwar gut vorbereitet, trotzdem hatte ich so große Prüfungsangst, dass ich total gezittert habe. In der Studentenverbindung, wo ich damals wohnte, gab es auch einen Arzt, der drückte mir eine Tablette Valium in die Hand. Danach konnte ich wunderbar schlafen, auch die Prüfung war kein Problem mehr. Bei der einen Tablette ist es erst mal geblieben – bis ich zwei Jahre später meine erste Stelle antrat, als Vorstandssekretär bei einer großen Bank. Jedes Mal, wenn ich vor dem Vorstand ein Referat halten sollte, war ich so nervös, dass ich dachte, ich schaffe es nicht. Ich habe mir gleich eine ganze Packung Valium verschreiben lassen. Der Effekt war grandios. ("Der Infarkt gehört dazu")
Ein falsches Anreizsystem
Neuroenhancement nennt sich das inzwischen, ist jedoch nichts anderes als doping zur Leistungssteigerung. Ein tweet von mir nennt eine Infoquelle dazu:
Pillen fürs Gehirn - darf Medizin uns schlauer machen: Neuroenhancementhannover-entdecken.de/content/view/2… #gutklarkommen
— gutklarkommen (@gutklarkommen) 14. Februar 2013
Leider leben viele Menschen in einer Kultur, die ein solches Verhalten auch honoriert: durch Karriereschritte, durch finanzielle boni oder oft noch wichtiger: durch soziale Anerkennung.
Nur wenige denken wirklich darüber nach, was sie da eigentlich tun. Das nächste meeting steht ja schon auf der Matte. Inzwischen tut sich ein bisschen was: Im Urlaub nicht immer erreichbar sein, nach Feierabend keine emails mehr zustellen ... kleine Regelungen, kleine Tropfen auf ein heißgelaufenes Getriebe. Aber immerhin.
Als Therapeut sitzt man am Ende eine langen Kette. Hier hinten ist man mit Situationen konfrontiert, von denen die Betroffenen nie gedacht hatten, dass es so weit mit ihnen kommen konnte. Der Mythos der eigenen Unverwundbarkeit hält sich hartnäckig und bis ins hohe Alter. Äußerst ungut! Denn nicht alles lässt sich reparieren.
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