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9. Februar 2013

Das systemische Denken - eine Einführung



Systemisch Arbeiten ist erfolgreich. Hier gibt es die wenigsten Therapieabbrecher, es kommt dem Gesundheitssystem am billigsten und es wirkt nachweislich. Frage: Was unterscheidet Systemiker von anderen? Antwort: Das Denken.
Auch wenn systemisches Arbeiten immer mehr Verbreitung findet, ist es noch kein Alltagsdenken. Leider! Denn vieles, was festgefahren ist, lässt sich lösen. Deshalb eine Einführung in die systemische Herangehensweise.



"Wir können die Probleme der Welt nicht mit den Denkmustern lösen, die zu ihnen geführt haben." (Einstein)



Halten wir einen Moment inne und denken über uns nach. Wahrscheinlich entsteht daraus ein Bild wie dieses:

Ok, vielleicht etwas zu einfach. Denken wir an die Dinge, die unser Leben ausmachen: alltägliche Verrichtungen, z.B. Zähneputzen, mit Freunden / Partner / Familie zusammen sein, arbeiten … 

Das ergibt ein differenzierteres Bild:


Aber das ist natürlich noch nicht alles. Unser Leben ist angefüllt mit 1000 Dinge:
schon realistischer!



Alles im Leben, alles um uns herum, ist ein System: 

eine Sammlung von physischen Dingen, Elementen, die irgendwie mit uns untereinander in Beziehung stehen. 

Systemisches Denken sieht genau auf diese Beziehungen und zieht daraus seine Schlussfolgerungen.
So entsteht ein Verständnis darüber, wie die Dinge zusammenhängen und auf welche Weise sie sich gegenseitig beeinflussen.

Daraus gewinnt der Systemiker Möglichkeiten, Veränderungen anzustoßen, die eben deshalb so gut funktionieren, weil sie dem „natürlichen Fluss der Dinge untereinander“ nicht im Weg stehen. Veränderungen werden so leichter aufgenommen und umgesetzt, da sie einfach weniger Widerstand produzieren als in anderen Denkschulen.


Zurück zum Leben – als System betrachtet


Stellen wir uns unser Leben noch genauer als System vor, dann finden wir darin sehr viele Elemente:





Jedes Element könnte zugleich als „Untersystem”, und somit wieder als eigenes System betrachtet werden, das mit seiner Umgebung im Austausch steht und dadurch das Gesamtsystem „mein Leben“ mit beeinflusst: 


Das System "Finanzen" beeinflusst zum Beispiel die Systeme "Besitz" und "Gesundheit"


Es ist die Summe als der Komponenten mit ihrer gegenseitigen Beeinflussung, die ein System ausmacht.


Und was bringt uns das? Sehen wir es uns an!

Offene oder geschlossene Systeme

Wenn wir Veränderungen wünschen, sollten wir wissen, mit welchem System wir es zu tun haben. Einige Systeme sind sogenannte geschlossene Systeme:

Ein Buch ist ein geschlossenes System

Es wurde zu einem bestimmten Zeitpunkt gedruckt und hat sich seitdem nicht mehr verändert. Egal, ob es im Regal stand, auf einem Präsentationstisch oder in welche Hände es gelangte. Es blieb dieselbe Ausgabe. 

Anders ausgedrückt: Es ist ein geschlossenes System, weil es keinen Austausch mit seiner Umgebung hat. Ok, der Zahn der Zeit wird auch daran nagen, aber das ist ein Einfluss, der vom System her gesehen nicht beabsichtigt oder angestrebt wird. Ziel einer Ausgabe ist es, so zu bleiben wie sie ist! 




Geschlossene Systeme sind von außen nicht veränderbar! Ein geschlossenes System gehorcht nur den eigenen Gesetzen und sonst niemandem! Wer also ein geschlossenes System nicht erkennt, der müht sich mit seinen Veränderungswünschen ein Leben lang vergeblich ab!


Allerdings gibt es auch offene Systeme

Auto Fabrik Regenwald


Offene Systeme sind alle, die im Austausch mit ihrer Umgebung stehen: ihr Auto, ein Kraftwerk, der Regenwald …. 

Ein offenes System bekommt Input von außen und produziert auch einen Output. Das System “Mein Leben” bekommt zum Beispiel Inputs (Kontakt zu Freunden, Gehalt, Nahrung …) und produziert Outputs (Beziehung zu Freunden, Arbeitsleistung, Absonderung von Verdauungsprodukten …). 

Durch die Art und Weise, wie Input und Output erfolgen, entwickelt sich ein offenes System weiter. 


Yep, auch er ist ein System!

Ihr Partner, ihre Familie, ihre Kollegen … alle haben zwar Grenzen – jeder weiß, wer zur Familie gehört und wer nicht – aber von außen kommen Einflüsse ins System hinein. Wer einmal erlebt hat, dass sein Sprößling von der Schule heimkommt und sagt: „Alle haben einen facebook-Account!“, weiß, wovon ich rede.

Wir können auch noch abstrakter werden. So ist jeder Mensch ein offenes System mit Untersystemen:



OK, das ist ein bisschen lächerlich, aber es verdeutlicht einen wichtigen Punkt:
Ein System ist ein Model, keine Realität. Oder wie man es akademisch ausdrückt: „A system is a set of function – ein System ist ein Funktionszusammenhang“. Wir brauchen es, um Realität zu beschreiben, um zu analysieren, wie die Dinge laufen und wo Stellgrößen und Einflussmöglichkeiten bestehen. 
Ein System ist eine geistige Landkarte und jeder Systemiker weiß: Wenn die Landkarte und das Gebiet nicht übereinstimmen, dann liegt das Problem immer bei der Landkarte.

Die Konsequenzen:
Wie oft wollen wir in unserer Partnerschaft unseren Partner „erziehen“, damit er ein bisschen mehr wird, wie es unseren Vorstellungen entspricht. Meistens funktioniert es nicht. Dann werden wir sauer, es gibt Streit, man versucht es mit Anklage oder Moral … 
„Immer tust du xy“ … oder mit emotionaler Erpressung „Wenn du mehr Aufmerksamkeit …, dann würdest du …“

Im systemischen Denken dagegen heißt das: 
Wenn etwas nicht funktioniert, dann ändere dein Verhalten, dein Denken, dein emotionales Erleben so lange, bis es dann funktioniert.


Beim herkömmlichen Denken haben wir den Anspruch, der andere muss sich ändern, damit die Dinge besser werden und wir versuchen ihn mit verschiedenen Mitteln dazu zu bewegen.

Im systemischen Denken haben wir den Anspruch: wir müssen uns selber ändern, also als System eine andere Art von Austausch mit dem anderen etablieren, so dass die Veränderung bei ihm aufgrund unserer eigenen Veränderung sich einstellt. 

Noch zu schwierig?
Also, wenn, wie oben beschrieben, emotionale Erpressung nicht klappt, wenn Nörgeln nichts hilft, wenn immer wieder Streit entsteht ohne dass die Dinge zum Besseren sich wenden, dann sind Streit, Nörgeln, emotionale Erpressung keine geeigneten Mittel. Mit anderen Worten: Wir sollten es bleiben lassen. Mit noch andereren Worten: Wir sollten uns selbst ändern.

Wir mögen sogar Recht haben, wie wir die Dinge einschätzen, aber was, wenn Recht haben nicht weiterbringt. Ein Bekannter von mir – er leitete früher bei der Polizei Einsätze zur Geiselbefreiung – sagte einmal:
„Ich kann dem Entführer schon sagen: „Die Geisel darfst du nicht erschießen, das ist verboten!“ und damit habe ich 100%ig Recht. Aber das nützt einem nichts!“

Intellektuell werden hier viele zustimmen, aber seien wir ehrlich:

Wenn es um unser eigenes Leben, unsere Beziehungen geht, da versuchen wir immer wieder die selben Muster, die selben Verhaltensweisen, die selben Denklinien zu verfolgen. 

Im Eifer des Gefechts ignorieren wir häufig den Unterschied zwischen unserer Landkarte und dem Gebiet und wenn es zum Konflikt kommt, versuchen wir, das Gebiet der Landkarte anzupassen statt umgekehrt. So schafft man sich aber nur andauernde Probleme.

Was Sie sich heute über Systeme merken sollten:

Ein System will funktionieren. Das bedeutet, es strebt nach Ausgeglichenheit von In- und Output. Man könnte sagen, im Ausgleich mit der Umwelt zu sein, ist das Ziel jedes Systems. Das Interessante daran ist: Wenn Sie ein Ziel im Leben haben, dann können Sie auch ein System finden, das Ihnen hilft, dieses Ziel zu erreichen.

Das ist der Sinn von systemischer Psychotherapie oder vom systemischen Coaching.

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