23. Juli 2011

Therapie und so´n Zeug, wieso das denn?

"Du bist doch total durchgeknallt!" Offiziell sagt man das nicht zu jemanden. Man sagt viel lieber politisch korrekt. "Sie sollten mal zur Therapie gehen". Aber der Sinn ist so ziemlich der gleiche. 
Im Ernst. Genau das ist einer Frau letzte Woche passiert. Sie arbeitet als Sekretärin in einer kleinen Firma und der so wohlmeinende Diagnosiker war ihr Vorgesetzter und Geschäftsführer. Seine Therapieempfehlung war übrigens nicht der erste. Gleich davor legte er ihr auch gleich nahe, zu kündigen.

Abgesehen davon, dass die Frau völlig normal, sehr kompetent und ziemlich motiviert ist, ist der Typ eine Woche später nach einem Arztbesuch für mehrere Wochen in einer psychiatrischen Klinik verschwunden. Hmmm ... ein Schelm, wer jetzt Böses dabei denkt.

Aber gut. Wenn schon Therapie in bestimmten Köpfen immer noch als Angebot für Durchgeknallte missbraucht wird, wird es Zeit, für Klarheit zu sorgen. Also: Was ist Psychotherapie denn wirklich?
Kurzum: In einer Psychotherapie geht es um Sie!! Denn jemand anderes ist ja nicht da. Gut, wenn Sie als Paar kommen, dann geht es um Sie beide als Paar. Aber letztendlich geht es immer um Sie.
Warum sag ich das so? Nun, weil wir meistens an ein Problem mit der Perspektive herangehen, der andere ist das Problem. Äußerst beliebt auch bei Paaren!
"Was mein Problem ist? - Ganz einfach: Da sitzt´s!" und der Sprecher deutet auf den daneben sitzenden Partner oder Partnerin.
Andere häufig genannte Problemverursacher sind Chef, Firma, Arbeitskollegen, die eigenen Kinder, die Gesellschaft, die Medien, die Männer, die Frauen, die Schwiegermütter, die Arbeit selbst .... Die Zahl ist Legion.

Mit diesem Denkansatz gehen wir an das Problem heran und die Lösung ist schnell gefunden: Der andere muss sich ändern. Das heißt, er muss erzogen werden, dann wird er das schon richtig sehen.
Aber es ergibt sich ein zweites Problem: Denn der andere tut nicht, was wir wünschen. Er weigert sich sogar beharrlich, überhaupt irgendwie es richtig zu sehen. Egal, ob Chef, Partner, Kinder, Gesellschaft, Arbeitsplatz ... egal, was man macht, es funktioniert nicht.
Manche hängen sich dann so rein, dass ihr Körper irgendwann anfängt, Symptome auszubilden. Andere verzweifeln, resignieren, werden aggressiv ... Wenn dann die Erkenntnis kommt: SO WIE ES JETZT IST, GEHTS NICHT MEHR WEITER und ICH WILL AUCH NICHT MEHR SO WEITER MACHEN - Willkommen zu Psychotherapie!
Zu mir kommen also Leute, die etwas begriffen haben. Es ist die erkenntnis: Jetzt weiß ich nicht mehr weiter. Ich hab alle Strategien, Methoden, Vorgehensweisen durch, die mir eingefallen sind, die ich gelernt habe, ich bin am Ende meiner Weisheit.
Das ist gut. Begriffen zu haben, am Ende zu sein, bedeutet, schon einen Schritt über das Ende nach vorne gemacht zu haben. Ehrlich gesagt, die, die etwas begriffen haben, sind äußerst selten die Verrückten. Die wirklich Gefährlichen sind die, die sich für normal halten und völlig unbeobachtet irgendwo frei herumlaufen und meinen, sie wüssten schon, wie der Hase läuft.

Aber zurück zum Thema. Am Anfang steht also die Erkenntnis, ich komm nicht weiter. Und jetzt kommt etwas Spannendes:
Wer es dann schafft, diese gute Erkenntnis nicht gleich wieder nieder zu bügeln - waaaass? Ich am Ende? Niemals! Nie! Ich bin doch nicht verrückt! - also wer es schafft, nicht gleich diese alten Muster zuschnappen zu lassen, der kann was erreichen. Deshalb steht als erste Erfahrung vor der Therapie die Erkenntnis: Unterstützung bekommt der, der sagt, dass er sie braucht. Die Menschen, die zu mir kommen, haben diesen Wissensvorsprung. Und dann arbeiten wir uns Schritt für Schritt vor in Richtung Lösung.

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